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15.03.08 / Der letzte große Versuch einer Kriegswende / Vor 90 Jahren begann die Operation Michael, mit der die Deutschen die Entscheidung vor dem Eintreffen der US-Truppen suchten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-08 vom 15. März 2008

Der letzte große Versuch einer Kriegswende
Vor 90 Jahren begann die Operation Michael, mit der die Deutschen die Entscheidung vor dem Eintreffen der US-Truppen suchten
von Hans Lody

Am 21. März 1918 begann die letzte entscheidungssuchende Offensive des deutschen Westheeres im Ersten Weltkrieg. Die Geheimhaltung war perfekt, erst 48 Stunden vor dem Artillerieschlag erfuhren die Briten durch einen Überläufer von der Operation.

Im Ersten Weltkrieg hatte das Deutsche Reich nur Verbündete, die selbst unterstützungsbedürftig waren. Österreich-Ungarn, das Osmanische Reich – damals als der kranke Mann am Bosporus bezeichnet – oder Bulgarien hatten nur unzureichende Kräfte und bedurften deutscher Korsettstangen, um ihre Fronten zu verteidigen. Der deutsche Angriffsplan war durch das Versagen des deutschen Generalstabschefs Helmuth von Moltke kläglich gescheitert und ab dem sogenannten Wunder an der Marne befand sich das deutsche Westheer in der Defensive.

Das änderte sich erst, als 1917 Rußland politisch zusammenbrach und mit dem Reich den Frieden von Brest-Litowsk schloß. Bereits 1916 hatte das Erfolgsduo Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff nach seinen militärischen Erfolgen im Osten die Führung über das gesamte Heer erhalten. Zwar hatten die USA dem Deutschen Reich am 6. April 1917 den Krieg erklärt, aber vor dem Sommer des Jahres 1918 war nicht mit dem Auftreten von US-Truppen relevanter Größenordnung zu rechnen.

So blieb der deutschen Führung ein schmales Zeitfenster, um die Niederlage und den zu erwartenden Diktatfrieden abzuwenden. Ein erfolgreicher Angriff sollte die Alliierten wieder gesprächsbereit machen. Den ganzen Winter 1917/18 über plante der Generalquartiermeister Ludendorff die deutsche Offensive. Italien oder Frankreich – diese Frage war bald zugunsten der Westfront entschieden, da eine Niederlage der Italiener die Alliierten kaum zu einem Kompromißfrieden veranlaßt hätte. Ypern, Armentieres, Arras, Cambrai oder Verdun wurden ernsthaft als Schauplätze erwogen. Ludendorff entschied sich für einen Angriff zwischen Cambrai und La Fere – genau an der Nahtstelle zwischen der französischen Armee und dem britischen Expeditionskorps. Der Fluß Somme bildete die Grenze zwischen Franzosen und Briten. Die Briten – nicht die Franzosen – sollten das Ziel des Vorstoßes werden. Ihre Stellungen waren nur 130 Kilometer vom Meer, von der Kanalküste, entfernt. Bei Erreichen der Sommemündung wäre die gesamte britische Armee in einem riesigen Kessel eingeschlossen gewesen, denn hinter ihnen lag die Straße von Dover.

Zum Jahresende 1917 hatten noch 153 deutsche 175 alliierten Divisionen gegenübergestanden. Zur Vorbereitung der Offensive ließ Ludendorff aus dem Osten und Italien 39½ Divisionen heranziehen. Er ließ spezielle Angriffsdivisionen formieren, die durch intensive Ausbildung auf den beabsichtigten schnellen Vormarsch vorbereitet wurden. 6608 Geschütze, 3500 Minenwerfer und 1070 Flugzeuge wurden hinter dem vorgesehenen Angriffsabschnitt konzentriert. Ernst Jünger, selbst Teilnehmer dieser Schlacht, berichtete: „Den Ausbildungsbefehlen Ludendorffs, die bis zu den Kompanieführern herab verteilt wurden, entnahmen wir, daß der Versuch, den Krieg mit einem mächtigen Schlag zu entscheiden, schon in der nächsten Zeit gewagt werden sollte. Wir übten die fast vergessenen Formen des Schützengefechts und Bewegungskrieges, auch wurde eifrig mit Gewehr und Maschinengewehr geschossen. Wir hegten keinen Zweifel daran, daß der große Plan gelingen würde. An uns sollte es jedenfalls nicht fehlen. Auch die Mannschaft war gut in Form.“

Der Angriffsstreifen war 75 Kilometer breit. Dort hatte Ludendorff 43 Angriffsdivisionen konzentriert, dahinter 30 weitere Reservedivisionen. Ihnen standen lediglich 26 britische Divisionen gegenüber. Es bestand also ein Verhältnis von fast drei zu eins. Ludendorff wollte das Vormarschtempo unter anderem dadurch steigern, daß die Angriffs­truppen Widerstandsnester umgehen sollten, um schnell voranzukommen. Tagesziel waren die britischen Artilleriestellungen. Der britische Historiker Barnett: „Dicht hinter der Feuerwalze folgte die deutsche Infanterie, schweigend, ohne Hurra, grimmig und verbissen.“ Die offizielle britische Kriegsgeschichte vermerkte: „Ein verhängnisvoller Bestandteil des deutschen Angriffserfolges bei der Überwältigung der vorgeschobenen Truppen war nicht nur der vollständige Verlust von einem Viertel und mehr der Bataillone der angegriffenen Divisionen, sondern die Erbeutung und Zerstörung eines großen Teils ihrer Maschinengewehre und leichten Maschinengewehre Modell Lewis, deren Fehlen sich im Verlauf der folgenden Kampftage als höchst gefährliches Handikap erweisen sollte.“

Kein Zweifel „Michael“ – so der Deckname der „Kaiserschlacht“ – ließ sich dank Ludendorffs akribischer Vorbereitung gut an. Doch der Vormarsch war unterschiedlich gut vorangekommen. Wollten die Deutschen das Meer erreichen, mußte der rechte Flügel forciert werden, das hieß, die 17. Armee, die den stärksten Widerstand erfahren hatte, brauchte Reserven, das Zentrum und der linke Flügel hatten nun nach Norden einzudrehen, um der 17. Armee zu helfen.

Der britische Oberbefehlshaber General Douglas Haig erkannte die Chance, welche die Deutschen in dieser Situation hatten. Für den Fall, daß die Verbindung zwischen seinen und den französischen Truppen verlorenging und der Feind zwischen den Verbündeten zu stehen kam, prognostizierte er, daß „die britischen Truppen wahrscheinlich zusammengedrängt und ins Meer getrieben“ würden.

Wollten die Deutschen diese Chance nutzten, mußten sie darauf verzichten, die Somme zu überschreiten, wo sie auf die französischen Reserven treffen und sich von der Küste entfernen würden. Genau diesen Fehler begingen jedoch die Deutschen. Am dritten Tag überschritt der linke Flügel mit der 18. Armee die Somme. Ludendorff stellte die Taktik über die Strategie, wie er das bei Tannenberg und der Schlacht an den Masurischen Seen auch schon getan hatte. Die Reserven gingen zum linken Flügel, weil er sich dort ein schnelleres Vorankommen versprach. Ludendorffs Befehl an die 18. Armee vom Abend des 22. März 1918 lautete: „Jetzt gilt es den Sieg auszunutzen, den Feind nicht zum Stehen kommen zu lassen, Somme und Crozat-Kanal zu überschreiten, bevor feindliche Verstärkungen wirksam werden.“

Was Haig befürchtet hatte, trat nicht ein. Die deutsche Offensive lief weiter Richtung Süden und lief sich schließlich tot. Am 31. März war Ludendorff zu der Erkenntnis gekommen, daß „Michael“ gescheitet war. Am 5. April wurde die Einstellung der Offensive befohlen. Im Hochsommer waren die US-Truppen in Frankreich versammelt und gingen mit den Franzosen gemeinsam zum Angriff vor. Nur mühsam konnten Hindenburg und Ludendorff den Zusammenhalt der Front wahren. Am 24. Oktober 1918 forderte US-Präsident Woodrow Wilson die bedingungslose Kapitulation, am 11. November 1918 wurde der Waffenstillstand von Compiegne unterzeichnet. Später folgte das Friedensdikat von Versailles. Es war kein „gerechter“ Friede. Frankreichs damaliger Premierminister Georges Clemenceau sprach von einem Waffenstillstand von 20 Jahren. Es wurden tatsächlich 21.


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