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15.03.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-08 vom 15. März 2008

Lichterloh / Ein Drama in vier Akten: Becks Bomben, die verkokelte Dilettanti, und was schließlich aus dem Krater krabbelt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Wie sieht das eigentlich aus, so ein schlechtes Gewissen? Normalerweise fühlen wir es ja nur, es ist dieser Druck in der Magengegend, plötzliche Appetitlosigkeit und ein ungestümer Bewegungsdrang in den Beinen: bloß weg hier! Aber ein Gesicht hat es  nicht, das schlechte Gewissen.

Eigentlich feige von ihm, denn so kann man das schlechte Gewissen gar nicht von Angesicht zu Angesicht beschimpfen und anpöbeln dafür, daß es einen so quält.

Mumpitz? Spinnerei? Geht doch gar nicht? Ha! Für die hessische SPD ist der Wunsch Wirklichkeit geworden. Ihr schlechtes Gewissen trägt blonde Steckfrisur, sieht ein bißchen verheult aus und ist telefonisch in Darmstadt zu erreichen, wenn die Leitung nicht gerade pöbelbesetzt ist, was  dieser Tage eher die Regel als die Ausnahme sein soll.

Dagmar Metzger platzte, aus dem Ski-Urlaub zurück, mitten in die Nacht der langen Nasen bei der SPD, wo die „Sprachregelungen“ immer wulstiger und die Beine immer kürzer wurden – und knippste das Licht an. Mit einem Schlag konnten alle sehen, wie weit sich die langnasige Lügilanten-Meute von ihren Wahlversprechen entfernt hatte. So machen schlechte Gewissen das, ganz abscheulich.

Sofort gingen die Lügilanten dem Gewissen in die Haare, Frau Metzgers Steckfrisur saß schief und krumm, nachdem die hessische SPD-Spitze stundenlang auf sie, wie es später hieß, „eingewirkt“ hatte.

Die Deutschen sind Umfragen zufolge wenig angetan von dem SPD-Drama. Ein wenig sind wir wohl noch immer die schlichten Waldläufer von einst, denen der Sinn für die feinen Verästelungen der hohen Kunst abgeht. Denn hinter all dem, was uns da geboten wurde, verbirgt sich der Stoff für ein Schauspiel von höchster Raffinesse, selbst große Literaten hätten es sich kaum feiner ausdenken können.

Erster Akt: In Hamburg steht  ein schimmernder SPD-Seiten­einsteiger kurz davor, den gebeutelten Elbgenossen einen strahlenden Erfolg zu servieren. Nur  Bundeschef Kurt Beck hat wenig Freude an dem, was sich da oben anbahnt. Grund: Selbst in seiner SPD mag ihn sich keiner so recht als Kanzler vorstellen. Da ist jeder Sieger ein potentiell gefährlicher Konkurrent, selbst wenn der wie Hamburgs Naumann schon 66 Jahre alt ist (Na und? Was hat Udo Jürgens gesungen? Wie alt war Adenauer?) und in einem Zwergstaat antritt (Wer muß jetzt nicht an Saar-Lafontaine denken? Und woher kam Helmut Schmidt?).

Also schmeißt der listige Pfälzer dem Hanseaten eine Stinkbombe auf den Wahlkampftisch, der stechende Odem von „Öffnung nach (ganz) links“ zieht sofort in alle Ritzen und verfehlt seine Wirkung nicht. Die Hamburger halten sich die Nasen zu und Michael Naumann schnaubt wie ein aufgespießter Lindwurm.

Zweiter Akt: Kurt Beck, in dem Drama Hauptdarsteller und Erzschurke zugleich, sieht den Groll auf sich zukommen. Er ist ja nicht dumm und hat mitbekommen, daß der Seitenhieb gegen den Hamburger keineswegs unbemerkt geblieben ist. Solche Wut, ahnt der erfahrene Spieler, braucht ein Ventil; einer wird brennen müssen, und damit er das nicht selber ist, muß er irgendeinen Ix-Ypsilon in die Flammen locken.

Also legt er eine Sprengfalle aus, die er „eigenes Ermessen“ tauft: Die Länderchefs der SPD sollen jeder eigenständig ermessen, ob sie ein bißchen ranrobben an die Ultralinken oder nicht.

Als die Bombe gebaut ist, zieht sich der Beck eine Grippe zu und in die Pfalz zurück und wartet schweigend auf den Knall.

Dritter Akt: Lange muß er sich nicht gedulden, da fingert eine machtgeile Dilettanti schon an dem gefährlichen Gerät herum und schneidet wunschgemäß das falsche Kabel durch, das, auf dem „Tolerierung“ steht.

Rums! Die Dilettanti brennt lichterloh, auch einige hastig um sie herumspringende Obersozen ziehen sich Brandwunden zu, daneben steht völlig starr der Hubertus Heil und trällert, als sei er nicht ganz bei sich und schon gar nicht bei den anderen, ein monotones Liedchen: „Nichts brennt! Ni-ichts brennt! Gar nichts! A-ha-lles in Ordnung!“

Der schlaue Fuchs Beck schaut sich das rasende Gewimmel noch eine Weile an, steht schließlich auf und schreitet durch den wabernden Rauch. Ihm ist klar, daß noch nicht alle vergessen haben, wer die Bombe ausgelegt hat. Da fällt ihm die alte List durchtriebener Greise und ausländischer Hotelportiers ein: Wer etwas nicht beantworten will, der stelle sich taub oder tue so, als verstehe er überhaupt nur Bahnhof. Die herbeigeeilten Presseleute sind ehrlich beeindruckt von   Becks Geseiere. Obwohl jeder weiß, daß er den Schlamassel selbst angerührt hat, schafft er es tatsächlich, die ganze Pressekonferenz hindurch so zu tun, als sei sein Name Hase. Toller Mann! Danach titeln Journalisten: „War was?“

Vierter Akt: Die schrecklich verkokelte Dilettanti irrt umher, plappert wirres Zeug und widerspricht sich im Abstand von Sekunden. Dann holt sie Eis raus, legt die „rot-grüne Perspektive für Hessen“ drauf und kühlt ihre Blasen an der vorerst gefrorenen „Option für einen Wechsel“.

Beck setzt sich derweil als stiller Sieger auf den Thron und harrt der „neuen Möglichkeiten“, die nun aus dem Bombenkrater quellen würden. Nachdem die Explosion andere für ihn erlitten haben, braucht er nur still zu warten, bis etwas Rot-Rot-Grünes aus dem Loch krabbelt. Dann wird er eine Rede halten, die er schon lange fertig hat. Es geht um den „Wählerauftrag“, den er „als Demokrat nicht ignorieren kann“, um die „Blockadehaltung von Union und FDP in wesentlichen Sachfragen“ und die „einzige Möglichkeit“, die ihm noch bleibe, „damit Deutschland wieder eine handlungsfähige Regierung der sozialen Gerechtigkeit bekommt“. Dann kommen Gysi, Lafontaine und Trittin zu ihm auf die Bühne und sie schmettern im Quartett das Lied von „Karl und Rosa“. Der große Chor der Medienleute stimmt ein, ein grandioser Schlußgesang ertönt. Der Vorhang fällt. Applaus.

Ist das was? Selbstredend hat das Stück noch ein paar Unschärfen. Union und FDP werden sich ins Geschehen drängen und versuchen, den Spielverlauf zu ändern. In Hamburg sind die Schwarzen den Grünen schon vor der Aufnahme richtiger Koalitionsverhandlungen derart weit entgegengekommen, daß die Umworbenen kaum widerstehen können und sich zahlreiche CDU-Wähler fragen, was sie da eigentlich gewählt haben. Und warum. Die Liberalen tun es den Schwarzen nach und öffnen sich ebenfalls nach (fast) allen Seiten.

Und dann ist da ja noch Angela Merkel. Die braucht im Unterschied zu Beck gar nicht zu fürchten, daß man ihr mal „Wortbruch“ vorwirft. Merkelworte sind stets derart fest mit einen Wust von „Abers“ verknotet, daß es für sie immer einen Ausweg gibt. Am Ende hat sie zwar, praktisch gesehen, in der Regel wenig bis nichts bewegt, aber alle sind überzeugt, daß die Kanzlerin „wieder eine gute Figur gemacht hat“.

Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer konnte die Figur diese Woche auf der Bundeswehr-Kommandeurtagung bestaunen. Er forderte mehr deutsches Engagement in Afghanistan. Die Kanzlerin sagte weder Nein, das hätte ja offenen Ärger gegeben, noch Ja, da hätte sie ja vielleicht wortbrüchig werden müssen. Statt dessen konterte Merkel mit Luftblasenforderungen nach mehr „vernetzter Sicherheitspolitik“ und nach „Werten, an die die Interessen gebunden“ sein müßten. Außerdem benötigten internationale Einsätze den Rückhalt der Öffentlichkeit und vieler Partner in der Uno und der EU.

Das ist Merkeldeutsch für: „Nichts gibt’s!“ Deutschlands Ansehen als „verläßlicher Partner“ in der Nato ist das wahrscheinlich nicht gerade zuträglich, aber Merkel ist mal wieder heil raus aus der Sache. Von dieser Frau muß sich selbst ein Kurt Beck in acht nehmen.


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