25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
22.03.08 / Lieber Marx als Hindenburg? / Gymnasium in Trier soll neuen Namen bekommen, da der »Sieger von Tannenberg« nicht mehr »zeitgemäß« sei

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-08 vom 22. März 2008

Lieber Marx als Hindenburg?
Gymnasium in Trier soll neuen Namen bekommen, da der »Sieger von Tannenberg« nicht mehr »zeitgemäß« sei
von Martin Schmidt

Die Schüler des Hindenburg-Gymnasiums in Trier haben es mehrheitlich nicht gewünscht, dennoch wird ihre Schule umbenannt. Der von der CDU dominierte Stadtrat setzte sich am 6. März mit 39 zu drei Stimmen bei sieben Enthaltungen gegen das Votum in den Klassen hinweg, um – gestützt von der Meinung der Lehrerschaft und des Elternbeirates – den langjährigen Streit zu beenden, ohne sich bereits auf eine neue Bezeichnung festzulegen. Ein weiterer Antrag, auch der Trierer Hindenburgstraße einen anderen Namen zu geben, wurde abgelehnt.

Erst kürzlich hatte sich die Hindenburg-Schule in Nienburg an der Weser in Marion-Dönhoff-Gymnasium umtaufen lassen. Das 1917 nach Paul von Beneckendorff und von Hindenburg (1847–1934) benannte vormalige Trierer „Königliche Realgymnasium mit Realschule“ ist somit die letzte deutsche Schule, die noch durch ihren Namen das Andenken des Feldmarschalls des Ersten Weltkrieges bewahrt. Doch das soll nun nicht mehr „zeitgemäß“ sein, zumal Hindenburg stets bekennender Monarchist war. Es passe auch nicht „zum Profil einer europäisch ausgerichteten Schule“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Ber-trand Adams, und zu einer „demokratischen Schule“, die zweisprachig sei und das französische Baccalauréat anbiete, wie Direktor Ralph Borschel hervorhob. Der spätere Reichspräsident könne „kein Vorbild für die Schüler“ mehr sein. Bereits in den 50er, 80er und 90er Jahren hatte es im Trierer Stadtrat entsprechende Umbenennungsanträge gegeben, die die Christdemokraten stets ablehnten; diesmal stellte die CDU selbst den Antrag.

Tatsächlich ist der 1847 in Posen geborene, knorrige Hindenburg ein wenig begeisternder Namens-patron. Vermutlich war es kein Zufall, daß die örtliche CDU ihren Kurswechsel publikumswirksam ausgerechnet am 30. Januar öffentlich machte, genau 75 Jahre nachdem der betagte Reichspräsident Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt hatte. Die Wochenzeitung „Die Zeit“, die das Umbenennungsvorhaben gemeinsam mit der „Süddeutschen Zeitung“ medial unterstützte, geht allerdings davon aus, daß die Behauptung der Christdemokraten, es habe sich um eine zufällige Terminwahl gehandelt, „glaubhaft“ sei, und konstatierte, daß sich der „Übergang von restaurativer Traditionspflege zu kompletter Geschichtslosigkeit ... offenbar völlig reibungslos“ vollzogen habe.

Apropos Geschichtslosigkeit: Gerade Hindenburg steht für die Komplexität der deutschen Historie im 20. Jahrhundert und wäre damit zumindest ein Namensgeber, der zwar kritische Distanz gebietet, aber auch eine anregende Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg und der Zwischenkriegszeit veranlassen könnte. Ganz im Sinne dessen, was die Schülersprecherin Lisa Coels forderte, nämlich daß der bisherige Name beibehalten und „als historisches Mahnmal immer wieder Anlaß zur Diskussion“ geben sollte.

Zu Paul von Hindenburg muß man wissen, daß er nicht nur einer der wichtigsten Vorredner der „Dolchstoßlegende“ war, den „böhmischen Gefreiten“ Hitler trotz Widerwillen am 30. Januar 1933 schließlich doch zum Reichskanzler ernannte (womit er dem demokratischen Votum der Bevölkerung Rechnung trug), dem Ermächtigungsgesetz zustimmte (wie die Zentrumspartei auch, also die wichtigste parteipolitische Vorläuferin der CDU) und die verbrecherischen Morde nach dem Röhm-Putsch vom Sommer 1934 duldete. Er bewahrte als „Sieger von Tannenberg“ Ende August 1914 sowie in der Schlacht an den Masurischen Seen im September als Oberbefehlshaber der 8. Armee mit seinem Generalstabschef Ludendorff und dem 1. Generalstabsoffizier Hoffmann – trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit – auch die Reichsprovinz Ostpreußen vor weiteren Verwüstungen und menschlichem Leid. Zuvor waren dort bereits 1600 Zivilisten ermordet und rund 10000 nach Sibirien verschleppt worden. Später war er als zweiter Reichspräsident der Weimarer Republik von 1925 bis zu seinem Tod in schwieriger Zeit eine parteiübergreifende Integrationsfigur, die sich strikt an der Verfassung orientierte und bei seiner Wiederwahl im April 1932 die beiden radikalen Herausforderer Hitler und Thälmann noch einmal in ihre Schranken wies.

Abgesehen davon, daß eine über 90 Jahre währende Namenstradition nur aus sehr gewichtigen Gründen beendet werden sollte, darf man gespannt sein, wer – vermutlich bis zum Beginn des neuen Schuljahres – als neuer Patron erwählt wird. Wird es Robert Schumann sein, wie einer der ernstzunehmenderen Vorschläge lautet. Oder ein Name, der mit „H“ anfängt, um das eingeführte Kürzel HGT (Hindenburg-Gymnasium Trier) zu bewahren, zum Beispiel der des Widerstandskämpfers Andreas Hoevel (1900–42), des Komponisten Michael Harden (1912–79; „Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein“) oder gar des Blödelbarden Guildo Horn alias Horst Köhler („Guildo hat euch lieb“) – alle gebürtig in Trier? Oder dann doch mit Karl Marx der berühmteste Sohn der Stadt? Immerhin würde dieser am besten in die aktuelle politische Landschaft passen und unterstreichen, daß in bezug auf politisch linksstehende Namensgeber nicht nur in den östlichen Teilen der Republik eine beinahe grenzenlose Toleranz besteht, während Andersdenkende zunehmend von der Bildfläche verschwinden.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren