29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
22.03.08 / Warum Maßhalten? / Sigmar Gabriel fehlt jedes Verständnis für die Verärgerung über seine Alleinflüge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-08 vom 22. März 2008

Warum Maßhalten?
Sigmar Gabriel fehlt jedes Verständnis für die Verärgerung über seine Alleinflüge
von Hans Heckel

Wie ein beleidigtes Kind hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel auf den Vorwurf reagiert, Steuergelder verschwendet und die Umwelt durch seine Alleinflüge zwischen Mallorca, Berlin und Hannover unnütz belastet zu haben: Dann werde er sich in Zukunft eben überlegen, ob er seinen Urlaub überhaupt noch für dringende Kabinettssitzungen unterbreche, wenn man ihn anschließend an den Pranger stelle, maulte der Sozialdemokrat.

Die Replik des Ministers deckt auf, daß die Akteure der hohen Politik bis heute nichts aus den zahllosen „Flugaffären“ der vergangenen Jahrzehnte gelernt haben.

Ihr Mangel an Verständnis für die gewachsene Sensibilität der Bürger und der Medien für den allzu großzügigen Umgang mit steuerfinanzierten Freiflügen aller Art steht da wie ein besonders greifbares Zeugnis für die allseits beklagte Entfremdung zwischen dem deutschen Volk und seiner politischen Führungsriege. Die Frage, warum Gabriel nicht einen Platz in einer Linienmaschine buchen ließ, schmetterte der Minister ab wie eine kleinkarierte Schikane.

Doch mit dieser Einschätzung dürfte er ziemlich allein dastehen. Die Realeinkommen sinken, die Preise, vor allem für Energie, steigen, durch den Quasi-Zwang zur privaten Altersvorsorge sind auch die Abgaben de facto drastisch gestiegen in den vergangenen Jahren.

Daß die steuerzahlenden Bürger da sensibler denn je auf den Umgang mit dem Geld des Staates, mit ihrem Geld also, achten, sollten, einem Politiker eigentlich selbstverständlich sein.

Um eines klarzustellen: Rechtlich gesehen ist dem Minister nichts vorzuwerfen (siehe Kasten rechts). Unter dem Eindruck einer anderen, weit ausgedehnteren Flugaffäre der 90er Jahre brachte der damalige Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig jedoch auf den Punkt, worum es statt dessen geht: Den „Unterschied zwischen legal und legitim“. Mit anderen Worten: Nicht alles, was erlaubt ist, geschieht mit gutem Recht. Was angemessen sei, das sei letztlich eine „Sache des Gefühls“, gab der FDP-Minister seinerzeit zu bedenken. An eben jenem Gefühl mangelt es augenscheinlich, und auch die wiederkehrenden Flugaffären vermochten es bislang kaum zu wecken.

Als Schmidt-Jortzig seinen Mahnspruch tat, ärgerte sich die Republik gerade über die ausschweifende Flugreisetätigkeit der damaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth. Sie hatte die Flugbereitschaft der Bundeswehr in nur drei Jahren seit 1993 für 35 Flüge in die Schweiz genutzt. In kein anderes Land war die Parlamentspräsidentin derart oft in Staatsmaschinen gereist.

Ihre Rechtfertigung, es habe sich durchweg um „dienstliche Anlässe“ gehandelt, wurde von der Öffentlichkeit als absurd, ja als blanke Frechheit zurückgewiesen. Zu Recht: Seit wann pflegte der Bundestag derart enge Beziehungen zu dem Alpenland, daß seine Präsidentin ausgerechnet dorthin öfter fliegen mußte als irgendwoanders hin?

Eine andere Erklärung schien weit näher zu liegen: Süssmuths Tochter studierte in der Schweiz. Und natürlich fand die Politikerin neben all den „dienstlichen“ Verpflichtungen stets noch Zeit, sich mit dem Nachwuchs zu treffen.

Ein Kommentator der „Welt“ höhnte: „Kein normaler Steuerzahler erhielte bei einer entsprechenden Dienstreise nach einer ersten Prüfung durch das Finanzamt den Bescheid, die Sache sei in Ordnung. Der Bürger, der horrende Steuern zahlen muß und zu immer neuen Abgaben genötigt wird, unterliegt strengsten Kriterien.“

Nicht so Politiker: Nach einer Prüfung durch den Vizepräsidenten des Bundestages Hans-Ulrich Klose befand der Sozialdemokrat, es fänden sich keine Anhaltspunkte für die private Nutzung der Bundeswehrflugzeuge. Anfang 1997 folgte der Ältestenrat des Bundestages dieser milden Einschätzung.

Die Kritik der „Welt“ spielt auf einen sensiblen Punkt an, der heute noch aktueller scheint als damals: Unablässig fordern Politiker unter der Parole „mehr Steuergerechtigkeit“, „Steuerschlupflöcher“ für „Unternehmen und Besserverdienende“ zu stopfen. Damit sind all die Versuche von Steuerpflichtigen gemeint, private Aufwendungen als Betriebskosten zu deklarieren und entsprechend abzusetzen.

Es ist dieses Messen mit zweierlei Maß, das den Unmut zum Sieden bringt: die Strenge gegen das steuerzahlende Volk in Verbindung mit der Großzügigkeit gegen sich selbst und seinesgleichen.x

Von Unrechtsbewußtsein war übrigens auch bei Vielfliegerin Rita Süssmuth ebensowenig zu spüren wie beim Mallorca-Flieger Gabriel.

Eine „Kampagne“ werde gegen sie gefahren, schimpfte die damalige Bundestagschefin, da solle jemand „kaputtgemacht“ werden. Ganz ähnlich hören sich nun auch die Beschwerden aus dem Munde Sigmar Gabriels an.

Foto: Zu hoch geflogen: Sigmar Gabriel, hier im Flugsimulator

 

Zeitzeugen

Gregor Gysi – Der letzte SED / PDS-Vorsitzende Gregor Gysi trat schon nach gut sechs Monaten von seinem ersten und bislang einzigen Regierungsamt zurück, weil er dienstlich als Politiker erworbene „Bonusmeilen“ der Lufthansa privat verflogen hatte. Gysi war von Januar bis Juli 2002 Berliner Wirtschaftssenator. Gerüchte besagten indes, daß ihm der Rück-tritt im Grunde gelegen kam, weil er sich von der harten Senatsarbeit überfordert sah.

Cem Özdemir – Auch der Grüne Özdemir stolperte 2002 über die „Bonusmeilenaffäre“. Er war ab 1994 Mitglied des Bundestages gewesen und zog sich nun aus dem Parlament zurück. Seit 2004 sitzt der türkischstämmige Politiker für die Grünen im EU-Parlament.

Rita Süssmuth – Die damalige Bundestagspräsidentin Süssmuth (CDU) geriet 1996 in die Kritik, weil sie sich seit 1993 von der Flugbereitschaft 35mal in die Schweiz und 19mal in die Niederlande hatte fliegen lassen. In der Schweiz lebte ihre Tochter, in Holland stand das Ferienhaus der Süssmuths. Folgen hatte der großzügige Umgang mit Steuermitteln indes keine: Der Ältestenrat sprach Frau Süssmuth im Januar 1997 vom Vorwurf des Mißbrauchs der Flugbereitschaft für private Zwecke frei.

Johannes Rau – Noch als frisch gebackener Bundespräsident verfolgte im Jahre 2000 Johannes Rau eine „Flugaffäre“. In seiner Zeit als NRW-Ministerpräsident sollen jahrelang Privatflüge, auch von ihm selbst, von der Landesbank WestLB bezahlt worden sein. Seine Anhänger verwarfen jedoch alle Vorwürfe gegen Rau als Ablenkungsmanöver von der CDU-Spendenaffäre.

Rudolf Scharping – Der vormalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident und kurzzeitige SPD-Bundeschef Scharping stolperte als Bundesverteidigungsminister kurz vor der Bundestagswahl 2002 über die sogenannte „Mallorca-Affäre“. Er hatte sich von der Bundeswehr auf seine spanische Urlaubinsel fliegen lassen. Das Faß war schon vorher voll, da sich der Minister im Pool mit seiner Freundin während des Kosovokrieges hatte ablichten lassen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren