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22.03.08 / »Sind wir schon wieder so reich …?« / Bereits 1949 wurde ein Bundespolitiker gemahnt, öffentliche Verkehrsmittel stärker zu nutzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-08 vom 22. März 2008

»Sind wir schon wieder so reich …?«
Bereits 1949 wurde ein Bundespolitiker gemahnt, öffentliche Verkehrsmittel stärker zu nutzen
von Manuel Ruoff

Warum benutzt der Bundespräsident nicht den fahrplanmäßig fahrenden Schnellzug? Sind wir schon wieder so reich geworden, daß wir derartige Ausgaben machen können? Wie mögen die Millionen Flüchtlinge und Arbeitslosen hierüber denken?“

Diese Fragen eines Hamburgers anläßlich einer Fahrt von Theodor Heuss nach München im Gründungsjahr der Bundesrepublik Deutschland zeigt, daß die Mahnung an die Politiker, mehr öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, in diesem unserem Lande durchaus Tradition hat.

Im Vergleich zu heute ist in den Anfangsjahren unserer Republik die politische Führung – wie auch die Gesamtbevölkerung – sehr viel weniger geflogen und dafür mehr mit der Bahn gefahren. Analog zur heutigen Flugbereitschaft der Bundeswehr verfügte die Führung der Bundesrepublik dabei schon frühzeitig über besonderes, nur für sie bestimmtes Material.

Anfänglich wurde auf die Sonderzüge des preußischen Hofes sowie Adolf Hitlers und Hermann Görings zurückgegriffen. Zu Beginn der Bundesrepublik und seiner Amtszeit benutzte Bundespräsident Heuss den Wagen 10375, bei dem es sich um den früheren Wagen 20 des deutschen Kronprinzen aus dem preußischen Hofzugpark handelte, sowie den Wagen 10366. Noch im Gründungsjahr der Bundesrepublik wurde für das Staatsoberhaupt ein Packwagen aus dem Jahre 1934 zum Salonwagen 11845 umgebaut. Dieser Wagen wurde am 26. November 1949 in Dienst gestellt und unternahm vier Tage später seine „Jungfernfahrt“ zur niedersächsischen Hauptstadt Hannover.

Bundeskanzler Konrad Adenauer benutzte zu Beginn seiner Kanzlerschaft die Wagen 10205 und 10241 aus den Jahren 1937 beziehungsweise 1943. Hinzu kamen die Wagen der Reihe 10221 von 1937 als Gefolgewagen.

Im Dezember 1950 stellte die Deutsche Bundesbahn der Bundesregierung zehn Salonwagen Hitlers und Görings zur Verfügung, die bis dahin von den Besatzungsbehörden genutzt worden waren. Sie hatten sich als unverkäuflich erwiesen, was angesichts ihrer Vorbesitzer nicht verwundert.

Als im Jahre 1958 der damalige Erste Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrats der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Anastas Hovhannessi Mikojan der Bundesrepublik einen Staatsbesuch abstattete, erfuhr die interessierte Öffentlichkeit im Rahmen der Berichterstattung über diesen Besuch erstmals, daß einer der Salonwagen des Sonderzuges für ausländische Gäste einen Geschwindigkeitsanzeiger besaß. Wenn die Politiker sich gar nichts mehr zu sagen hatten, konnten sie so immer noch Wetten abschließen, wie schnell der Zug wohl gerade fahre.

Ein Fahrzeug, in dem sich der Fahrgast nicht nur über die Fahrgeschwindigkeit informieren, sondern diese auch beeinflussen konnte, besaß Wilhelm II. Hierbei handelte es sich allerdings nicht um einen Sonderzug, sondern um ein besonderes Auto. Sein Mercedes-Benz 770K besaß als Sonderausstattung eine kleine Schaltleiste rechts hinter dem Chauffeurssitz, die per Knopfdruck auf einer runden Anzeige den gedrückten Befehl im Armaturenbrett aufleuchten ließ. Sieben Orders standen zur Wahl: links, rechts, schnell, langsam, kehrt, Haus, halt. Heute ist das gute Stück im Mercedes-Benz Museum zu bewundern.


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