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22.03.08 / Lust und Schrecken / Eine Ausstellung im Hamburger Bucerius Kunstforum zeigt Bilder zu der Legende um den heiligen Antonius

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-08 vom 22. März 2008

Lust und Schrecken
Eine Ausstellung im Hamburger Bucerius Kunstforum zeigt Bilder zu der Legende um den heiligen Antonius
von Silke Osman

Sciene-fiction-Autoren und -zeichner mögen hellauf begeistert sein von den häßlichen Gestalten, bizarren und kuriosen Mischwesen, die sich derzeit im Hamburger Bucerius Kunstforum  auf den Leinwänden tummeln. Rund 80 Gemälde, Zeichnungen, Radierungen und illustrierte Bücher aus sieben Jahrhunderten zeigen Szenen aus der Legende um den Eremiten Antonius (um 251 bis 356). Die Versuchung des heiligen Antonius ist ein genau umrissenes Thema in der Religion wie auch in der Kunst mit festgelegten Episoden und Motiven wie der Peinigung durch Dämonen und der Versuchung durch die Frau. Der asketische Heilige, der bis zu seinem Tod im Jahr 356 in der ägyptischen Wüste lebte, gilt als Vater der Mönche und als glaubensstarker Überwinder aller Versuchungen. In der von Athanasios verfaßten „Vita Antonii“ wird geschildert, wie Antonius, der auch als Schutzpatron gegen die epidemische Krankheit der Mutterkornvergiftung (Antoniusfeuer) gilt, sich erfolgreich gegen die Versuche des Teufels wehrte, ihn von seinem tugendhaften Leben abzubringen.

Obwohl sich im Laufe der Jahrhunderte die geschilderten Details und die künstlerische Formensprache erheblich gewandelt haben, bleibt das Thema dennoch stets erkennbar. Von Lucas Cranach über Hieronymus Bosch bis zu Max Ernst und Lovis Corinth haben sich Künstler aller Epochen dieses Themas angenommen. Die Schrecken und Ängste des Heiligen inspirierten manche Künstler derart, daß schon früh eine Art Surrealismus entstand. So ist es durchaus faszinierend, etwa das um 1650 entstandene Gemälde von Joos van Craesbeek eingehend zu betrachten. Während Antonius an einen alten Baum gelehnt sich selbst von einer schönen Frau nicht ablenken läßt, tobt um ihn herum das absonderlichste Geschehen. Nur ja nicht beirren lassen. Denn in dem überdimensionalen Kopf sieht man einen Maler vor der Staffelei – alles geschieht demnach nur im Kopf des Künstlers.

Unabhängig von seinem religiösen Ursprung ist das Thema der Versuchung des Antonius noch heute durchaus bedeutsam, denn anders als andere großen Motive der christlichen Tradition wirkt dieses Thema bis jetzt auf den Betrachter, ganz gleich wie dieser religiös eingestellt sein mag. Warum?

„Die Darstellungen des Schreck-lichen aus der Zeit Boschs ,funktionieren‘ auch heute noch“, erläutert Michael Philipp, Kurator der Hamburger Ausstellung. „Von diesen Werken geht eine unmittelbare Ansprache aus, die eine Auseinandersetzung fordert oder eine Reaktion hervorruft. Darüber hinaus kann der geprüfte Antonius als Bild – oder auch als Zerrbild – eines Menschen angesehen werden, der sich im schmerzhaften Konflikt zwischen seinen eigenen Ansprüchen und der Realität befindet. In einer säkularisierten Form hat diese Konstellation nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Die Versuchungen sind eine Metapher für Begehren, die Dämonen ein Sinnbild der Angst. Die Bilder berühren uns, weil sie elementare Empfindungen darstellen, die jeder hat, Grundkonstanten des menschlichen Daseins.“

Die Ausstellung „Schrecken und Lust. Die Versuchung des heiligen Antonius von Hieronymus Bosch bis Max Ernst“ im Bucerius Kunstforum, Rathausmarkt 2, 20095 Hamburg, ist täglich von 11 bis 19 Uhr geöffnet, donnerstags bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 5 / 3 Euro, bis 18. Mai.

 

Kleines Einmaleins der Symbole

Hohler Baum: Gelegentlich als Klause von Antonius dargestellt. Er steht für die Abtötung der Sinnlichkeit. Die Spalte des Baumes kann auch ein Symbol der Vagina sein, manche Hexen schmückt ein Baum als Kopfbedeckung.

Ei: Ein altes Fruchtbarkeitssymbol, das aber auch magisch-dämonische Züge hat. Es steht hier für Triebhaftigkeit.

Eule: In der Antike Sinnbild für Weisheit, in der christlichen Symbolik meint die lichtscheue Eule das Dunkle, Böse. Wegen ihrer scheinbar eingeschränkten Sehfähigkeit steht sie für geistige Blindheit, wegen ihres Tagesschlafs für das Sündige und Verstockte.

Fisch: In der alten christlichen Symbolik das Zeichen für Christus, hier wird er zum Sinnbild der Gier, weil ihm unbegrenzte Freßsucht zugeschrieben wird.

Krallenfuß: Typisches, erst bei genauem Hinsehen auffallendes Erkennungsmerkmal einer teuflischen Frau, das verräterisch unter dem Kleid hervorschaut.

Mischwesen: Absonderliche Erscheinungen, die reale Elemente von Menschen und verschiedenen Tieren kombiniert.

Monster: Widerliche Phantasiewesen, die Antonius peinigen oder ängstigen. Entweder sind sie aus verschiedenen Elementen tierischer Natur zusammengesetzt oder eine Kombination aus natürlichen und mechanischen Teilen.

Schwein: Es steht allgemein für Wollust und für Faulheit, für Unreinheit und für das Schlechte.  Bei den Antonius-Darstellungen ist es lediglich ein friedfertiger Begleiter. Schweinartige Wesen mit einem Keilerkopf symbolisieren allerdings die Triebhaftigkeit und die Gier.

Trichter: Wird wie ein Helm umgekehrt auf dem Kopf getragen, manchmal brennt eine Kerze darin. Steht wegen seiner Inkontinenz als Symbol für Verschwendung, mangelnde Gewissenhaftigkeit und Leichtsinn, ebenso für Unmäßigkeit und Trunksucht.

Nach einer Zusammenstellung von Michael Philipp

Foto: Joos van Craesbeeck: Die Versuchung des heiligen Antonius (Öl auf Leinwand, um 1650, im Besitz der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe). Der abgetrennte Kopf ist ein Sinnbild für den Eingang zur Hölle. Im geöffneten Kopf ist ein Maler mit einer Staffelei zu sehen, ein Zeichen, daß sich das ganze Geschehen im Kopf des Künstlers abspielt.


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