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22.03.08 / Späte Hilfe für die Opfer / Uniklinik Hamburg-Eppendorf will Langzeitbelastung durch Flucht und Vertreibung erforschen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-08 vom 22. März 2008

Späte Hilfe für die Opfer
Uniklinik Hamburg-Eppendorf will Langzeitbelastung durch Flucht und Vertreibung erforschen
von Klaus D. Voss

Viel zu spät hat sich die Wissenschaft darum gekümmert, welche starken psychischen Belastungen die Menschen bei Flucht und Vertreibung erlitten haben, unter denen sie bis heute noch leiden.

Jetzt will das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf in einem groß angelegten Projekt systematisch die seelischen und körperlichen Folgen von Flucht und Vertreibung erforschen. Dr. Christoph Muhtz, Arzt und Projektleiter dieser Untersuchung an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, hofft, daß sich gezielte Behandlungsmöglichkeiten entwickeln lassen für jene Menschen, die heute noch unter den schweren Belastungen leiden und ärztliche Hilfe brauchen.

Dieser Ansatz hatte Muhtz und seine sechs Mitarbeiter aus dem Team von Prof. Dr. Michael Kellner zu diesem Forschungsprojekt gebracht. Schon seit Jahren müssen die Ärzte der Eppendorfer Uniklinik in ihrer Spezialambulanz für traumatisierte Menschen immer wieder Patienten betreuen, die unter starken akuten psychischen Belastungen stehen und die ein gemeinsames Schicksal haben: Flucht und Vertreibung.

Die Behandlung dieser Menschen hat dem Wissenschaftler klar gemacht, wie schwer die Leiden der Fluchtopfer waren und wie lange anhaltend sie auch heute noch sind.

Insbesondere über die Auswirkungen bei Vertriebenen und Flüchtlingen, die damals Kinder waren, weiß man wenig, und es gibt kaum systematische Forschung über die Langzeitfolgen bei diesem Personenkreis.

Konkret soll erforscht werden, ob und unter welchen körperlichen und seelischen Veränderungen Menschen leiden, die als Kinder in und nach dem Zweiten Weltkrieg aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien und dem Sudetenland vertrieben wurden oder geflüchtet sind. Konkret sind Muhtz und Mitarbeiter auf der Suche nach Menschen aus den Geburtsjahrgängen 1933 bis 1940. Außerdem wollen die Wissenschaftler der Frage nachgehen, ob die später geborenen Kinder dieser Flüchtlingsgeneration ebenfalls durch das Fluchtschicksal geprägt worden sind.

Die Untersuchung ist auf 1000 Fälle angelegt; alle Teilnehmer erhalten ausführliche Fragebögen, die man in aller Ruhe ausfüllen kann. Der Arzt Muhtz ist sich bewußt, daß viele Menschen bei der Bearbeitung dieser Unterlagen wieder mit einem schweren Abschnitt in ihrem Leben konfrontiert werden. Er bittet um Mitarbeit, um verbesserte Behandlungsmöglichkeiten entwickeln zu können.

Ein kleinerer Teil der Befragten soll später zu einer vertieften Untersuchung eingeladen werden. Dabei soll auch mit einem speziellen Bluttest erforscht werden, ob die Opfer von Flucht und Vertreibung wegen der extremen Belastungen eine besondere Form von Streßverarbeitung entwickelt haben.

Es sei viel Arbeit, die Fragebögen auszufüllen, sagt Muhtz. Aber es gibt dafür auch eine kleine Entschädigung von 15 Euro. Die Teilnehmer, die zu späteren Untersuchung eingeladen werden, erhalten 30 Euro und die Reisekosten.

Interessenten wenden sich bitte an Dr. med. C. Muhtz, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Martinistraße 52, 20246 Hamburg, Telefon (0 40) 4 28 03 - 47 91, E-Mail: vertriebenprojekt@ uni-hamburg.de.

 

Die Universitätsklinik Eppendorf

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), das zwischen 1884 und 1889 als allgemeines Krankenhaus am Stadtrand Hamburgs errichtet wurde, nimmt unter den Krankenhäusern der Hansestadt eine besondere Stellung ein. Es hat über die Krankenversorgung hinaus auch die Aufgabe, Forschung zu betreiben und als Medizinische Fakultät der Universität Hamburg Studierende in den Fächern Medizin und Zahnmedizin auszubilden. Ein interdisziplinärer Grund- und ein Aufbaustudiengang Biochemie / Molekularbiologie ergänzen das wissenschaftliche Ausbildungsangebot.

Von den rund 6000 Beschäftigten des UKE sind 1140 Ärzte und Naturwissenschaftler. 2900 Menschen arbeiten als Krankenschwestern und -pfleger oder Therapeuten. Rund 1000 Mitarbeiter sind in den Laboren und Untersuchungsbereichen beschäftigt, während mehr als 1000 in der Technik, der Verwaltung und den Betriebsdiensten tätig sind. Dazu kommen noch rund 500 Ausbildungsplätze.

Mit rund 1430 Betten ist das Universitätsklinikum Eppendorf das größte unter den Hamburger Krankenhäusern. Im Jahr nimmt das Klinikum rund 50000 Patienten stationär auf. Hinzu kommen 70000 ambulante Behandlungen und 40000 Notfälle.

Das Spektrum medizinischer Betreuung reicht von einer umfassenden Diagnostik bis hin zu den hochspezialisierten und aufwendigen Behandlungsverfahren, die vor allem auch bei seltenen Erkrankungen eine wichtige Rolle spielen. Eine Vielzahl von Therapien und komplizierten operativen Eingriffen – insbesondere die Transplantationen von Herz, Leber und Nieren sowie die Knochenmarktransplantationen – sind in Hamburg und Umgebung nur im UKE möglich.

Behandelt werden alle bekannten und verbreiteten Krankheiten. Daneben verfügt das UKE über mehr als 160 Spezialsprechstunden für besonders schwierige oder chronische Fälle – wie die Behandlung von Herzrhythmusstörungen, Sehstörungen, Schwerhörigkeit, Muskelerkrankungen oder bei psychischen Krankheiten. Bei Stoffwechselstörungen im Kindes- und Erwachsenenalter, bei Allergien und Nervenkrankheiten gibt es ein umfangreiches diagnostisches und therapeutisches Repertoire. Eine sogenannte Stroke-Unit mit acht Betten bietet Versorgung beim akuten Schlaganfall.


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