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22.03.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-08 vom 22. März 2008

Magie / ... und Schabernack liegen eng beieinander, die Alten werden gefährlich, und die SPD verschafft der Union ein Schlummerstündchen
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

An Ostern feiern die Christen die Auferstehung ihres Heilands von den Toten. Staunend stehen sie noch heute vor dem Wunder, daß die Bibel erzählt: Wie der geschundenen Jesus noch einmal in Fleisch und Blut vor seine Jünger trat.

Der Glaube an Wunder ist uralt und hat sich längst in die profansten Dinge vorgearbeitet. Allerdings treffen religiöse Wunder  eher auf Mißtrauen bei „modernen“ Menschen. Sie lassen sich viel lieber von schnödem Schabernack davontragen. Je dreister der daherkommt, desto bereitwilliger wird er geglaubt. Selbst dort durchweht er die Köpfe, wo man eigentlich nur kühles Rechnen, die eisige „Macht der Fakten“ am Ruder wähnt.

Groß und häßlich ist indes der Fleck, der bleibt, wenn sich das angebliche Wunder als Seifenblase entpuppt, hinausgepustet von Phantasten, Investment-Bänkern und anderen Spinnern. An den Kapitalmärkten der Welt wischen sich gerade alle den Fettfilm von den Revers und wollen gar nicht fassen, wie sehr sie sich verrechnet haben.

Dabei ist es schon das zweite Mal in wenigen Jahren, daß von den sagenhaften Versprechen auf das goldene (Börsen-) Zeitalter nichts als Schulden und schlechte Laune bleibt.

Ende der 90er Jahre waren wir schon einmal soweit: Damals versprachen uns kreative Experten, daß die alte Regel, wonach der Börsenwert eines Unternehmens zumindest ein wenig mit seinem tatsächlichen Wert zusammenhängen sollte, von gestern sei. Nein, nein, alles alter Kram, ließen wir uns einreden: Wir hatten damals nämlich alle hergebrachten Regeln hinter uns gelassen und waren in den Märchenwald der „Neuen Ökonomie“ oder „new economy“ aufgebrochen, wie der amerikanische Originalbegriff lautete.

Dort wurden 20-Mann-Klitschen der aufstrebenden Internet-Branche wie milliardenschwere Industrie-Giganten gehandelt. Smarte junge Männer präsentierten sagenhafte Gewinnchancen aus dem Nichts und verkündeten das Ende der Schwerkraft – ihre Welt war, wie sich später herausstellte, allerdings kaum realer als die Zeichentrick­filme, mit denen sie aufgewachsen waren.

Eines bösen Tages machte dann jemand das Licht an, und was man sah, war erschreckend: Nichts nämlich, nur heiße Luft.

Panik setzte ein, die „new economy“ hatte sich als gewaltige Geldverbrennungsmaschine erwiesen, und alle versprachen sich, nie wieder auf so einen faulen Zauber hereinzufallen, nie, nie!

Nie? Das Versprechen hielt so lange wie gute Vorsätze zu Neujahr. 2001 schon schlüpfte US-Notenbankchef Alan Greenspan  in den Zaubermantel und setzte mal eben die Gesetze der Zinspolitik außer Kraft. Nach diesen Gesetzen müssen die Zinsen eigentlich hochgesetzt werden, wenn die Wirtschaft boomt, damit sich die Konjunktur im kreditgierigen Aufschwung nicht überhitzt, weil das wiederum der Erfahrung nach zu einem Schwall heikler, leichtsinniger Investitionen führen würde.

Aber diese Erfahrung war nun nichts mehr wert, jetzt herrschte die „Magie des Marktes“, mit  „Magier“ Greenspan als großem Zampano vorneweg. Zocken ohne Risiko lautete sein Versprechen.

Banken, Spekulanten und Kreditnehmer gerieten abermals in Rausch und vergaßen nur zu gerne, daß sie sich immer noch auf einem Markt befanden, der seine eigenen Regeln hat. Wer schon mal auf so einem bunten, lauten Markt war, der weiß eigentlich, was die dort in halbdunklen Zelten feilgebotene „Magie“ in Wirklichkeit ist: Schmierentheater.

Es kam, wie zu erwarten: Seit vergangenem Sommer gehen die Zaubertricks allesamt in die Hose, die nun prallvoll ist. Der US-Immobilien­krach gebar die Kreditkrise wegen lauter „Schrottkrediten“. Aus der Kreditkrise quoll die Bankenkrise hervor, und nun verklumpt sich der ganze Morast zur veritablen Wirtschaftskrise.

Wir verstehen nicht genau, was da eigentlich geschieht, sind aber doch erschrocken, wie leichthändig die Notenbanken den großen Kreditinstituten immerfort „Milliardenspritzen“ in die Venen pressen. Wer sein Leben lang Mark auf Mark, Euro auf Euro gewissenhaft gespart hat, den beschleicht da ein mulmiges Gefühl.

Die Altvorderen brachten das Wort „Papiergeld“ ja immer nur in einem Ton von Wut und Verachtung über die Lippen. Was, wenn sie recht hatten? Wir stellen uns die sogenannten Währungs-„Hüter“ vor, wie sie da im Schweiße ihres Angesichts an den Druckerpressen für die bunten Scheinchen stehen und wie besessen „frisches Geld in dem Markt pumpen“. So einfach ist das also? Für dieses Zeugs rackern wir uns ab?

Dabei kann man sich nicht einmal seines Wohlstands sicher sein, wenn das Rackern ein Ende hat. Selbst mit Tricks kamen die Politiker nur auf eine magere Rentenerhöhung von 1,1 Prozent, weniger als die Hälfte der Teuerung.

Was hat man denn noch von seinem Ruhestand? Gut, immerhin eine gewisse Freiheit, die nur der genießt, den keiner mehr rauswerfen kann. Das macht ältere Leute manchmal richtig gefährlich. Die können gefahrlos den Mund aufmachen, wo Jüngere, der Karriere wegen, lieber kleinlaut bleiben.

Peter Struck ist zwar noch nicht auf dem Altenteil, hat aber im politischen Leben nichts mehr vor, seine Karriere endet 2009. Das nutzt er jetzt hemmungslos aus.

Kurt Beck war sich ziemlich sicher, daß es für ihn nicht mehr schlimmer kommen konnte. Da hatte SPD-Fraktionschef Struck schon ausgeholt, um zu beweisen, daß man auch einer Stoppelhaarfrisur einen ordentlichen Scheitel ziehen kann. Der Vorschlag des Beinahe-Pensionärs, über andere SPD-Kanzlerkandidaten nachzudenken als Kurt Beck, traf den SPD-Chef wie ein Hieb mit der Plattschaufel.

Daß gleichzeitig über eine österliche Wiederauferstehung von Franz Müntefering als Übergangsvorsitzender der SPD spekuliert wird, macht ersichtlich, daß eine Riege prominenter Sozialdemokraten die Unfähigkeit des Pfälzers für umfassend hält.

Besonders abgefeimt ist Strucks Einschränkung, daß Beck als Parteichef aber der „natürliche Kanzlerkandidat der SPD mit dem Recht des ersten Zugriffs“ bleibe – solange man niemand weniger Erbärmliches gefunden habe, fügte er wortlos hinzu. So offen hat wohl noch kein Fraktionschef seinen eigenen Parteivorsitzenden in aller Öffentlichkeit zur dritten Wahl heruntergeputzt.

Ja, da geht es wirklich hoch her bei den Sozis. Am meisten freut das die Kanzlerin, die ja auch CDU-Chefin ist. Alle blicken hämisch auf das Geschubse bei der SPD, da fällt die andere Seite des Koalitionstisches gar nicht auf.

Wäre es anders, könnte es für Angela Merkel schnell ungemütlich werden.

Früher war es selbstverständlich, daß die Union groß aufholt bei Wahlen und Umfragen, wenn die SPD in der Grütze liegt. Umgekehrt war es genauso.

Doch allem Schabernack bei den Sozis zum Trotz dümpeln die Schwarzen bei trüben 37 bis 39 Umfrageprozenten vor sich hin. Vor 15 oder gar 20 Jahren hätten sie solche Zahlen als Desaster aufgenommen, die Funktionäre und Mitglieder von CDU und CSU. Und vom Desaster bis zur Frage, ob die eigene Führung womöglich gar nicht soviel taugt, wie sie selbst von sich meint, ist es nicht fern.

Davon jedoch ist in der Union derzeit nicht einmal im Ansatz die Rede. Sanft umhüllt von der immer etwas einschläfernden Atmosphäre, welche die Vorsitzende verströmt, kuscheln sich die Christdemokraten in ihrem 30-Prozent-Turm ein und blinzeln nur müde, wenn jemand etwas von ihnen will: Wie bitte? Eine klare Position für oder gegen den Mindestlohn erwartet ihr von uns? Viel zu anstrengend. Klare Kante bei der Wirtschaftspolitik? Lieber nicht, könnte sich einer dran stoßen, an so ’ner Kante.

So richtig wach werden die Schwarzen wohl erst, wenn sie im hohen Bogen auf die Oppositionsbänke geflogen sind.


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