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29.03.08 / Olympia bedeutet Frieden / Wie die Praxis der Theorie gerecht wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-08 vom 29. März 2008

Olympia bedeutet Frieden
Wie die Praxis der Theorie gerecht wird
von Manuel Ruoff

Andreas Höfer reduziert in seinem Standardwerk „Der Olympische Friede – Anspruch und Wirklichkeit einer Idee“ den Olympismus, die Olympische Idee, den Olympischen Gedanken mehr oder weniger rabiat auf den Olympischen Frieden. Er begründet das damit, daß letzterer „doch das Charakteristische und Bleibende des Olympismus schlechthin“ repräsentiere. „Das Bemühen um eine ,bessere und friedlichere Welt‘“ sei „bei genauerer Betrachtung der einzige Aspekt des olympischen Zielspektrums, der seit 1894 als solcher nie ernsthaft in Frage gestellt wurde und der auch in der Zukunft Bestand haben dürfte.“

Höfer ist nach einem Blick in die Olympische Charta schwer zu widersprechen. Das Streben nach Frieden und Völkerverständigung findet sich außer in dem Werk des Vaters der Olympischen Bewegung, Pierre de Coubertin, auch in der Symbolik Olympias. Seit den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit 1896 in Athen sind Friedens­tauben fester Bestandteil des Eröffnungszeremoniells.

Mutmaßlich zwischen 1911 und 1913 entwarf Coubertin für die in Paris geplante Feier aus Anlaß des 20. Geburtstages der Olympischen Bewegung deren Logo und Flagge. Sie zeigen die (erstrebte) Verbundenheit der fünf Kontinente, und durch die fünf Farben der fünf Ringe soll die Flagge jeder Nation mit zumindest einer Farbe im Symbol der Bewegung vertreten sein.

1936 kam als weiterer fester Bestandteil der Olympischen Spiele der Fackelstaffellauf hinzu. Sein Urheber Carl Diem schreibt in der Broschüre mit dem vielsagenden Titel „Läufer des Friedens“ hierzu: „Die Lage Berlins im Herzen Europas hat die Durchführung des Gedankens ermöglicht, das Olympische Feuer von der klassischen Stätte der Spiele, dem Geburtsort des athletischen Sportes, von Hand zu Hand durch die Länder Europas zu dem Ort zu reichen, an dem es als läuternde Flamme dem Frieden dienen soll. So wie sich in zehn Tagen durch Tag und Nacht, über Täler und Höhen, von Volksstamm zu Volksstamm die Läufer das Olympische Feuer gereicht und weitergegeben haben, so werden durch diesen gemeinsamen Lauf symbolisch Gegensätze überbrückt und alle Völker auf die Olympische Idee als Sinnbild des Friedens ausgerichtet.“

Zur Erreichung seines Zieles setzt die Olympische Bewegung auf die drei Prinzipien Internationalität, Kontinuität und Unabhängigkeit. Während die Unabhängigkeit schwer zu quantifizieren ist, ist das bei der Internationalität und erst recht bei der Kontinuität schon leichter.

Bei der Zahl der Staaten, aus denen Bürger teilnehmen, ist der Trend trotz Rückschlägen steigend. Die Olympischen Spiele der Neuzeit fingen 1896 in Athen mit rund 280 Athleten aus 13 Ländern an. Abgesehen von zwei Spielen in der Neuen Welt 1904 in St. Louis und 1932 in Los Angeles ging es seitdem mit der Zahl der vertretenen Länder bei den (Som-

mer-)Spielen stetig bergauf bis einschließlich der Spiele von 1972 in München, an denen Sportler aus 121 Staaten teilnahmen. Die drei folgenden Spiele in Melbourne, Moskau und Los Angeles waren vom Kampf gegen die Apartheid und dem Kalten Krieg überschattet. Trotz der Teilung Koreas in Nord und Süd zwischen Westen und Osten nahmen an den Spielen in Seoul wieder Ost wie West teil. 159 Teilnehmerstaaten waren ein neuer Rekord. Und der positive Trend ist ungebrochen. 1992 nahmen Sportler aus 169 Staaten teil, 1996 197, 2000 199 und 2004 gar 202.

Bei der Kontinuität ist die Bilanz weniger erfreulich. Davon, daß wegen der Spiele Kriege ausgesetzt worden wären, kann keine Rede sein. Vielmehr fielen sowohl während des Ersten als auch während des Zweiten Weltkrieges die Spiele aus. Obwohl die Olympische Bewegung der Neuzeit mit ihrer Friedensidee auf diesem Gebiete ungleich ambitionierter ist als die Antike (siehe unten), war man also noch nicht einmal in der Lage, die Ekecheiria, den antiken Festfrieden durchzusetzen. Nicht weniger deprimierend ist, daß man nach den Kriegen nicht etwa unmittel­bar zur Normalität zurück­gekehrt ist, sondern sich vielmehr das offizielle Olympia opportunistisch auf die Seite der Kriegssieger geschlagen und Verlierer von Spielen ausgeschlossen hat, was ein klarer Verstoß gegen das Prinzip der Unabhängigkeit und Neutralität ist. Anders als während der Weltkriege fielen zwar 1972 die Olympischen Spiele nicht aus, doch kam es auch hier mit dem Terroranschlag auf die israelische Delegation zu einer eklatanten Verletzung des Festfriedens. In diesem Zusammenhang vielleicht noch schlimmer als die Verletzung der Ekecheiria ist die sich anschließende Uneinigkeit in der Olympischen Familie über die Beurteilung dieses Bruches des Festfriedens.

Vielleicht hat angesichts dieser Bilanz der ebenso bescheidene wie realitätsnahe Organisator der Münchner Spiele Willi Daume recht, wenn er sagt, daß die Olympischen Spiele ohnehin wichtiger seien als die Olympische Idee.

Foto: Weiße Taube bei der Entzündung des Olympischen Feuers: Seit Beginn der neuzeitlichen Spiele ist das Friedenssymbol ein fester Bestandteil des Olympischen Zeremoniells.

 

Zeitzeugen

Pierre de Coubertin – Schon ab 1880 trat Coubertin (1863–1937) für die Wiederbelebung der antiken Olympischen Spiele ein. Angeregt wurde er von archäologischen Ausgrabungen, die seinerzeit in ganz Europa für Aufsehen sorgten. 1896 kamen 60000 Zuschauer, um gerade einmal rund 280 Athleten aus 13 Nationen bei den ersten Neuzeit-Spielen in Athen zu sehen.

Jesse Owens – Der US-Amerikaner Owens (1913–1980) war der Star der Spiele von Berlin 1936. Als erster Leichtathlet überhaupt gewann er vier Goldmedaillen. Es heißt, Hitler habe sich maßlos geärgert, daß Owens als Schwarzer solchen Erfolg gehabt habe. Owens hat dies nach eigenen Worten anders erlebt: Der „Kanzler winkte mir zu und ich winkte zurück“. Brüskiert habe ihn US-Präsident Roosevelt, der ihm weder ein Glückwunschtelegramm noch eine Einladung ins Weiße Haus geschickt habe. Roosevelt fürchtete dem Vernehmen nach um Wähler in den US-Südstaaten.

Ulrike Meyfarth – 1972 in München wurde die 1956 geborene Meyfarth jüngste Leichtathletik-Olympiasiegerin aller Zeiten. Als ihr der Sieg bereits sicher war, ließ die 16jährige Hochspringerin die Latte noch einmal auf 1,92 Meter hochlegen und sprang Weltrekord. Nach einer sportlichen Krise holte sie 1984 in Los Angeles mit 2,02 Metern ihr zweites Olympia-Gold.

Juan Antonio Samaranch – Der 1920 geborene Spanier Samaranch war von 1980 bis 2001 Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Ihm wurde oft Arroganz vorgeworfen und daß die Korruption im IOC in seiner Amtszeit gewuchert habe. Außerdem habe er die Spiele maßlos kommerzialisiert. Andererseits halten ihm Kritiker zugute, die Spiele erfolgreich durch die Boykottkrisen von 1980 (Moskau) und 1984 (Los Angeles) gesteuert zu haben.

Thomas Bach – Der 1953 geborene Bach ist seit 2006 Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und als dritter Deutscher Vizepräsident des IOC. Da er den IOC-Posten schon zum zweiten Mal errang, gilt er als aussichtsreicher Nachfolgekandidat des amtierenden IOC-Präsidenten Jacques Rogge.


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