29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
29.03.08 / Wider »Unwissenheit und Dummheit« / Friedrich der Große stützte sich beim Aufbau des Volksschulwesens auf Johann Julius Hecker und Johann Ignaz Felbiger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-08 vom 29. März 2008

Wider »Unwissenheit und Dummheit«
Friedrich der Große stützte sich beim Aufbau des Volksschulwesens auf Johann Julius Hecker und Johann Ignaz Felbiger
von Jürgen Ziechmann

Zu Unserem höchsten Mißfallen haben Wir selbst wahrgenommen, daß das Schulwesen und die Erziehung der Jugend auf dem Lande bisher in äußersten Verfall gerathen und in Sonderheit durch die Unerfahrenheit der mehresten Küster und Schulmeister die jungen Leute auf den Dörfen in Unwissenheit und Dummheit aufwachsen.“

Diese Bemerkung des Königs Friedrich II. in Preußen leitet ein höchst bemerkenswertes Reformdokument in Preußen ein, nämlich das sogenannte „Generallandschulreglement“ vom 16. August 1763. Mit dieser Verordnung hatte der König zwar noch nicht die allgemeine Schulpflicht eingeführt, regelte aber eindeutig den Schulbesuch der Landkinder und bestimmte, wie der Schulunterricht auf dem Lande abzuhalten sei.

Merkwürdigerweise staffelte sich das von den Eltern zu zahlende Schulgeld nach den im Lesen erreichten Fähigkeiten des Kindes. Je weiter diese im Lesen kamen, desto teurer wurde der Schulbesuch. Das war insofern kontraproduktiv, als bei dieser Regelung die Eltern nicht am Schulerfolg ihrer Kinder interessiert sein konnten. Damit auch die Kinder der Armen, die das Geld für den Küster oder Lehrer nicht aufbringen konnten, die Schule besuchten, wurde für die das Schulgeld aus der Armenkasse oder aus dem Klingelbeutel genommen, was der zuständige Beamte, der Patron (also der Grundherr), die Prediger oder der Kirchenvorsteher in die Praxis umzusetzen hatten.

Man kann davon ausgehen, daß Friedrich der Große jeden Satz des 26 zum Teil sehr umfangreiche Paragraphen umfassenden Generallandschulreglements vor seinem Inkrafttreten gelesen und gegebenenfalls korrigiert hat. Allerdings hat er sich auf den Sachverstand eines Experten verlassen, der ihm vorher half, die einzelnen Bestimmungen zu entwerfen – Johann Julius Hecker.

Der Vater des Generallandschulreglements wurde am 2. November 1707 in Werden an der Ruhr geboren. Er besuchte zunächst das Gymnasium in Essen und studierte dann ab 1726 an der Universität in Halle an der Saale, wo er mit den pädagogischen Ideen von August Hermann Francke bekannt wurde. Nach dem Abschluß seines Studiums wurde Hecker 1729 am „Pädagogikum“, der Schule der Stiftungen Franckes in Halle, als Lehrer angestellt. 1733 gab er Lehrbücher über Botanik und Anatomie heraus. König Friedrich Wilhelm I. berief ihn im Jahre 1735 zum Lehrer und Inspektor des Militärwaisenhauses in Potsdam. Hecker unterrichtete die Söhne des Königs – also auch den späteren König Friedrich II. – in Naturgeschichte. Außerdem berief das Berliner Konsistorium ihn im Jahre 1739 zum Ersten Prediger an der Dreifaltigkeitskirche in der Friedrichsstadt.

Hecker vermehrte zunächst die Elementarschulen, um dem Bevölkerungsteil, den man später „städtisches Proletariat“ genannt hat, bessere Zukunftschancen anzubieten. Insbesondere gründete Hecker 1747 einen Typ Schule, der sich insbesondere der Erziehung der begabten bürgerlichen Jugend, die später nicht studieren wollte, widmete: die Realschule. Hecker wollte die Schüler nicht wegen ihrer Herkunft, sondern aufgrund ihrer Begabung in die Schule aufnehmen und war deswegen auf Spenden angewiesen, die ihm auch tatsächlich zuflossen. Geradezu revolutionär war seine Absicht, auch Mädchen in die Schule (selbstverständlich in eigenen Klassen) aufzunehmen. Hecker konnte die Schule immer mehr erweitern und auch zahlreiche Kinder von Armen aufnehmen. 1771 war er in der Lage, 4000 Taler für arme Kinder bereitzustellen. Nahezu gleichzeitig rief Hecker ein Lehrerseminar ins Leben, denn die Lehrkräfte seiner Anstalt mußten inhaltlich und methodisch auf die Realien, die sie unterrichten sollten, vorbereitet werden. Hecker organisierte Praktika in Handwerksbetrieben und legte einen Schulgarten an.

Dem König gefiel insbesondere, daß Hecker sich der Aufzucht und Wartung von Maulbeerbäumen widmete, denn er wollte Preußen in die Lage versetzen, seine benötigten Seidenwaren selbst herzustellen. Friedrich II. zog Hecker als Berater bei der Abfassung des Generallandschulreglements hinzu und beauftragte ihn im Jahre 1764 auch noch mit der Reorganisation des Waisenhauses in Frankfurt an der Oder. Hecker war in seinen vielfältigen Aktivitäten sehr nachhaltig. Im Privatleben zeugte er in zwei Ehen mehrere Kinder. Er starb am 24. Juni 1768 in Berlin.

Während Hecker für den evangelischen Teil der Schulkinder zuständig war, schien es dem König Fried­rich II. notwendig zu sein, auch für die katholischen Landkinder ein Schulreglement einzuführen. Da wurde er auf den Abt des Stiftes zu Sagan, Johann Ignaz Felbiger, aufmerksam. Felbiger wurde am 6. Januar 1724 in Großglogau in Schlesien geboren. Nach Beendigung seiner theologischen Studien in Breslau trat er in das Augustiner Chorherrenstift zu Sagan ein. Kurz nach 1758 wurde er dessen Abt. Sein pädagogisches Interesse führte ihn 1762 nach Berlin, wo er inkognito die Realschule von Hecker besuchte. Nach seiner Rückkehr finanzierte er zwei jungen Männern, die ihm dafür geeignet erschienen, das Studium an dem Kurmärkischen Landschullehrerseminar von Hecker in Köpenik bei Berlin.

Er erzielte in den neu im Sprengel um Sagan gegründeten Katholischen Volksschulen große Erfolge, so daß König Friedrich II. ihn 1765 aufforderte, ein katholisches Landschulreglement zu entwerfen, das die für die katholischen Landkinder wichtigen Inhalte umriß, aber auch hinsichtlich der Lernmethode wesentliche Impulse gab. In fast allen katholischen Territorien der Umgebung wurden die Landschulen nach diesem Vorbild eingerichtet.

1774 ging Felbiger mit der Erlaubnis des Königs nach Wien, wo er im Auftrag von Maria Theresia die Reform des österreichischen Schulwesens übernehmen sollte. Er erhielt als „General-Director des Schulwesens für die österreichischen Staaten“ weitreichende Vollmachten, die zunächst für Wien und die österreichischen Erblande galten, danach aber auch in Böhmen und Ungarn eingeführt werden sollten.

Der Beginn des Bayerischen Erbfolgekriegs im Frühjahr 1778 stellte für die Arbeit Felbigers insofern eine Zäsur dar, als König Friedrich ihn aufforderte, zurück­zukehren oder auf seine Position im Stift zu verzichten. Felbiger wählte den weiteren Aufenthalt in Wien, um seine Arbeit nicht zu gefährden. Maria Theresia gab ihm dafür die Propstei Preßburg und ein jährliches Gehalt von 6000 Gulden (etwa 2000 Reichsthaler), was für damalige Verhältnisse ein überaus großzügiges Salär darstellte. Aber schon kurze Zeit später wurde Felbiger nach dem Tode Maria Theresias am 29. November 1780 von deren Nachfolger Joseph II. mit dem Auftrag, sich um das ungarische Schulwesen zu kümmern, nach Preßburg geschickt, wo er am 17. Mai 1788 starb.

Foto: Johann Julius Hecker: Der reformorientierte Theologe und Pädagoge gilt als der Vater des Generallandschulreglements, das die Grundlage für die Entwicklung des Volksschulwesens in Preußen bildete.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren