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29.03.08 / Mit dem Rad auf die Nehrung / Das Königsberger Gebiet soll mit EU-Geldern drahteselfreundlicher werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-08 vom 29. März 2008

Mit dem Rad auf die Nehrung
Das Königsberger Gebiet soll mit EU-Geldern drahteselfreundlicher werden
von Jurij Tschernyschew

Auf der Kurischen Nehrung soll in naher Zukunft ein Fahrradweg entstehen, der das Königsberger Gebiet mit dem Umland verbindet. Das Königsberger ist bislang das einzige Gebiet in der Region, das noch nicht über Fahrradwege verfügt. Radtouristen, die aus Regionen Litauens oder Polens einreisen wollen, wo es schon seit langem ein ausgebautes Radwegenetz gibt, müssen auf die normalen Straßen ausweichen, was nicht nur unbequem, sondern auch gefährlich ist.

Das Radwegeprojekt wurde Ende 2006 von der Europäischen Union positiv beschieden und im April 2007 wurde seine Finanzierung im Rahmen des Nachbarschaftsprogramms zwischen Litauen, Polen und dem Königsberger Gebiet geplant. Das Königsberger Gebiet soll von den zur Verfügung gestellten 224000 Euro etwa 15000 Euro erhalten. Einige weitere tausend Euro erhalten die Kommunalverwaltung des Niddener Gebiets und der Kreis Cranz.

In Cranz fand im Februar dieses Jahres eine Konferenz statt, auf der Teilnehmer aus dem zur Russischen Föderation gehörenden Königsberger Gebiet und anderer Staaten über die Details des Projekts „Eurovelo“ berieten. Vor allem über die möglichen Varianten des Trassenverlaufs. Bei der Ausarbeitung wurden Übergänge über Fernstraßen, attraktive Haltepunkte und Rastplätze sowie der Streckenverlauf, der an besonders interessanten und außergewöhnlichen Punkten der Kurischen Nehrung vorbeiführen soll, beraten. Bei der Routenplanung nutzt man vor allem die Empfehlungen der Förster des Nationalparks, die darauf achten, daß die Radfahrer alle Sehenswürdigkeiten der Kurischen Nehrung besuchen können.

Wie wird die Route aussehen? Wahrscheinlich wird ein Radweg von Cranz aus entlang der Küste nach Sarkau führen. Weiter verläuft er über den Touristenpunkt „Dünen“ (Kilometer 16) auf die Straße. Dann gelangen die Radfahrer auf die Weiße Düne und fahren an der Vogelstation bei Kilometer 23 vorbei. Danach ist vorgesehen, daß die Radtouristen sich wieder am Wasser entlang bewegen auf die Wikinger-Siedlung „Korallenberg“ zu. Von der Höhe des „Müllers“ haben die Reisenden dann eine herrliche Aussicht auf Rossitten. Wahrscheinlich wird der Radwanderweg an Rossitten vorbei nach Pillkoppen und in den „Tanzenden Wald“ führen, der zwischen diesen beiden Orten liegt.

Teilweise verfolgt der Weg die Route des ehemaligen Postwegs, über den im 17. und 18. Jahrhundert alle Post nach St. Petersburg befördert wurde. Über diesen Weg reisten mehrfach bekannte Größen, unter ihnen auch Königin Luise.

Es ist vorgesehen, daß der Radweg Teil des internationalen Radwegnetzes wird, das alle europäischen Länder miteinander verbindet. Er wird sich zunächst über 50 Kilometer und weiter von Cranz bis Pillkoppen erstrecken und – das sieht zumindest die längerfristige Planung vor – sogar bis zum unter litauischer Souveränität stehenden Nidden. Um der Ökologie nicht zu schaden, soll der Weg teilweise ein hölzerner sein. Der Fahrradweg auf dem unter russischer Souveränität stehenden Teil der Kurischen Nehrung wird vielerorts die Straße kreuzen müssen. Deshalb sorgen sich die Organisatoren um die Sicherheit der Radfahrer. Um sie vor Verkehrsrowdies zu schützen, werden sehr wahrscheinlich an den Übergangsstellen Polizisten postiert.

Handlungsbedarf besteht in der Tat, war doch bislang der Radtourismus bei russischen Reisenden und den Bewohnern der Region nicht besonders populär. Befuhren den unter litauischer Souveränität stehenden Teil der Kurischen Nehrung schon 400000 Radwanderer jährlich, gab es im zum Königsberger Gebiet gehörenden Teil praktisch gar keine. Und wenn in einem Dorf einmal eine Gruppe ausländischer Radtouristen aufgetaucht ist, haben die Dorfbewohner sie meist ironisch und verständnislos betrachtet, da die Exklavenbewohner daran gewöhnt sind, ausschließlich mit dem Auto Ausflüge zu machen, die Städter genauso wie die Dorfbewohner. Deshalb ist die Kurische Nehrung auch ständig mit Autos überfüllt, so daß es schon seit Jahren ein Problem mit Parkplätzen gibt. Um neue Parkmöglichkeiten zu schaffen, hat die Verwaltung des Nationalparks in den vergangenen Jahren immer wieder neue Plätze zur Verfügung gestellt. Dabei fielen immer neue Bäume und Sträucher dem Autoverkehr zum Opfer. Die begrenzte Zufahrt zur Nehrung und das erhöhte Eintrittsgeld brachten kaum Resultate. Vor zehn bis 15 Jahren konnte man auf der Kurischen Nehrung ohne Mühe noch viele wild lebende Tiere antreffen: Wildschweine, Elche, Hasen und Rehe. Heute ist das fast unmöglich geworden, Ökologen berichten, daß die Tiere sich fürchten, die Wege zu betreten oder sich Orten mit Menschenansammlungen zu nähern.

Die wenigen russischen Radtouristen lieben es, auf der Straße von Cranz in Richtung Nehrung zu radeln. Meistens begegnen ihnen auf ihrer Tour Radfahrer aus dem Westen, hauptsächlich Deutsche, deren Ziel Nidden, die „Hauptstadt des Radtourismus“ in der Region ist. Dort gibt es auch viele Läden für Fahrräder und Zubehör.

Für das Königsberger Gebiet ist das Projekt einzigartig. Im Westen gibt es vielfach speziell markierte Radwege auf Straßen, im Königsberger Gebiet kennt man so etwas gar nicht. Besonders in Königsberg wurde bei der Gestaltung der Wege den Autofahrern gegenüber den Radfahrern absolute Priorität eingeräumt. Doch nicht nur die Priorität der Interessen der Autofahrer macht den Radfahrern in der ostpreußischen Hauptstadt das Leben schwer. Die Erdgeschoßwohnungen in den Häusern der Chruschtschow-Ära wurden meist zu Läden umgebaut, deren Treppenaufgänge soviel Platz einnehmen, daß es schon für Fußgänger eng wird. Für Fahrradwege bleibt da erst recht kein Platz.

Im Oktober 2008 soll die Planung für das Radwegeprojekt beendet sein. Es wäre wünschenswert, wenn nicht nur auf der Kurischen Nehrung Radwege entstünden, sondern im gesamten Königsberger Gebiet. Das würde allerdings rund zwei Millionen Euro kosten. Wie gewohnt setzt man an verantwortlicher Stelle auch hier wieder auf großzügige finanzielle Unterstützung aus Brüssel. Auch wenn also einmal wieder die EU-Steuerzahler zur Kasse gebeten werden sollen, so wäre es nichtsdestotrotz wünschenswert, wenn nicht nur auf der Kurischen Nehrung Radwege entstünden, sondern in der gesamten Region, so wie im übrigen Europa.

Foto: Aussichtspunkt auf der Kurischen Nehrung: Möglichst viele Sehenswürdigkeiten sollen zukünftig an einem Radweg liegen und bequem per Fahrrad zu erreichen sein.


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