20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.04.08 / Indirekte Entmachtung der Wähler / Rot-Rot-Grün, Schwarz-Gelb-Grün: Neue Koalitionen machen Parteienprogramme überflüssig

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-08 vom 05. April 2008

Indirekte Entmachtung der Wähler
Rot-Rot-Grün, Schwarz-Gelb-Grün: Neue Koalitionen machen Parteienprogramme überflüssig
von Hans Heckel

Das Wort hat etwas Abschreckendes, klingt nach Unversöhnlichkeit um jeden Preis, nach ideologischer Verbohrtheit. Wenn je ein Wahlkampf zum „Lagerwahlkampf“ erklärt wurde, wußte jeder: Jetzt wird es ungemütlich, jetzt kommen die harten Bandagen raus.

Das scheint lange her, die Koalitionsmöglichkeiten haben fast keine Kombinationsgrenzen mehr. Schwarz-Grün, Schwarz-Rot, Schwarz-Gelb-Grün, Rot-Grün-Gelb – nahezu jede Konstellation wird mittlerweile verhandelt. Was von Parteistrategen heute stolz präsentiert wird als „Politik der Öffnung“, als „neue Perspektiven“ oder „strategische Option“, das nimmt eine wachsende Zahl von Wahlberechtigten allerdings nur mehr als Koalitionsbasar wahr.

Zudem nimmt in dem Maße, wie den Parteien neue Bündnisoptionen zuwachsen, der Einfluß der Bürger auf die Politik ab. Der Wähler kann durch seine Stimme den Lauf der Dinge kaum noch beeinflussen, denn: Egal wo er sein Kreuz macht – an den Tischen der Koalitionsverhandler werden die Karten später neu gemischt, werden angebliche Grundpositionen feilgeboten und gegen andere eingetauscht.

Längst deuten jedoch alle Zeichen darauf hin, daß diese Beliebigkeit der Bündnisse nur einen Übergangszeitraum markiert, an dessen Ende eine im politischen Koordinatensystem von grundauf veränderte Republik stehen wird. Mag SPD-Chef Kurt Beck derzeit eine alles andere als glückliche Figur machen; er hat das Tor zur „linken Mehrheit“ aus SPD, Grünen und Linkspartei aufgestoßen.

Für die bürgerlichen Parteien, die Union zumal, müßte das, was sich da links zusammenbraut, der Weckruf zum Sturm sein. Doch es geschieht nichts. Die Union agiert, als sei der derzeitige Reigen der zahllosen Koalitionsmöglichkeiten das Modell der Zukunft. In Hamburg schmiedet CDU-Chef Ole von Beust lächelnd am ersten schwarz-grünen Bündnis, während sich die Bundesgrünen unter der Anleitung von Jürgen Trittin gerade auf die Suche nach ihren ökosozialistischen Wurzeln gemacht und die „Realos“ kaltgestellt haben. Der Fall des Oswald Metzger ist da nur die Spitze des Eisbergs.

Trotz erbärmlicher Umfragewerte der SPD und noch schreck-licherer Zahlen für ihren Chef Kurt Beck vermag es die CDU-Vorsitzende Merkel nicht, ihre Partei über die Marke von 40 Prozent zu hieven. Während sich das linke Lager sichtbar um die Fahne der „sozialen Gerechtigkeit“ sammelt, fehlt der Union sowohl das große Thema als auch der Wille, den heraufdämmernden Lagerkampf gegen links offensiv zu bestehen. Orientierungslos taktieren Unionspolitiker um Pendlerpauschale, Rentenerhöhung und ähnliches herum.

Kanzlerin Merkel ist in ihrer Rolle als CDU-Chefin kaum spürbar. Sie übt sich in berührungsloser Parteiführung.

Und: Nicht einmal die CSU schafft es, ihre alte Kraft zur Bündelung breiter Mehrheiten neu zu mobilisieren. Erstmals seit Jahrzehnten droht den Christsozialen gar der Verlust der absoluten Mehrheit in Bayern. Das Führungsduo Beckstein / Huber hat seinen Anfangskredit innerhalb von nur sechs Monaten rettungslos verspielt, es rumort vernehmlich in der Bayernunion.

Die Krise der Landesbank und die Transrapid-Pleite geronnen sofort zur Führungskrise der Stoiber-Nachfolger. Selbst einstige Erzrivalen wie der frühere Generalsekretär Markus Söder und Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer verbünden sich bereits hinter dem Rücken von Ministerpräsident Beckstein und CSU-Chef Huber, deren angeblich harmonisches Verhältnis darüber hinaus deutliche Risse zeigt.

Nach einer desaströsen Kommunalwahl und wenige Monate vor der bayerischen Landtagswahl kommenden September steht die CSU wie gelähmt da.

Auch die Zahl ihrer Mitglieder schrumpft. Jahrzehntelang konnte sich die Bayernunion dem Abwärtstrend, der CDU und SPD schon seit den 80er Jahren erfaßt hatte, entziehen und ihre Mitgliederzahl stabil bei knapp 180000 halten. Nun liegt sie bereits bei unter 170000.

Wenn Führungsschwäche, Mitgliederschwund und die Erosion der kommunalen Basis tatsächlich in ein Wahlergebnis von unter 50 Prozent münden sollten – vor kurzem noch ein undenkbares Horrorszenario für die CSU – dann geht der Union die letzte Bastion verloren, in der sie noch unangefochten als Volkspartei auf allen Ebenen dominiert hat.

Wenn dann nach 2009 Rote, Grüne und Dunkelrote den Block ihrer Träume schmieden, steht ihnen eine personell wie konzeptionell ausgezehrte Union gegen-über, flankiert von Liberalen, denen es in keiner Hinsicht besser geht.

Noch versucht die CDU, jenen Linksblock durch jene „neuen Optionen“ wie in Hamburg zu unterlaufen. Doch dies dürfte langfristig nur zur Folge haben, daß die Union ihr Programm weiter nach links verwässert. Unter dem Druck der Grünen ließen sich die Christdemokraten an der Elbe bereits zu einem industriepolitischen Amoklauf verleiten.

Als Reaktion auf derlei taktische Anbiederei bleiben künftig wohl noch mehr bürgerliche Wähler, verwirrt von „ihrer“ Partei, einfach zu Hause. Die Stimmenverluste der Union an die „Partei der Nichtwähler“ waren schon bei den jüngsten Urnengängen dramatisch.

Links hingegen wird das Potential vom gemäßigten Sozialdemokraten über den gutverdienenden Grünen bis zum protestwählenden Ultralinken voll abgedeckt und in Parlamentsmacht umgesetzt.

So unterstützt die Union letztlich selbst die Bildung jener „strukturellen linken Mehrheit“ in Bundestag und Landtagen.

Foto: Derzeit geht Kurt Beck wieder auf Distanz: Der Flirt mit Lafontaines Linker pausiert.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren