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05.04.08 / Türkei exportiert ihr Probleme / Erdogan fördert bewußt türkische Parallelgesellschaft in Deutschland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-08 vom 05. April 2008

Türkei exportiert ihr Probleme
Erdogan fördert bewußt türkische Parallelgesellschaft in Deutschland
von Klaus Hornung

Die geschichtliche und politische Erfahrung zeigt: Probleme können oft lange vor sich hin dümpeln, auf kleiner Flamme kochen. Dann aber, wie von einem Blitz erhellt, offenbaren sie schlagartig ihr wahres Gesicht und Gewicht, stellen sie die Beteiligten vor Entscheidungen. Ein solcher Blitz war die Rede des türkischen Ministerpräsidenten Tayib Erdogan vor 20000 seiner Landsleute in Köln. Der türkische Spitzenmann, der Architekt des Exports des türkischen Bevölkerungsüberschusses nach Europa und vor allem nach Deutschland, ließ keinen Zweifel an seinem Ziel: Nicht Integration der Türken in Deutschland, sondern die Errichtung einer türkischen Parallelgesellschaft soll schon mittelfristig die Mehrheitsverhältnisse einschneidend verändern.

Kurz zuvor hatte auch die deutsche rot-rot-grüne Gesamtlinke im hessischen Wahlkampf und danach ihre Position zur gleichen Frage bezogen: Das Thema Einwanderungs- und Ausländerpolitik soll in Deutschland weiterhin mit allen Mitteln unter der Decke gehalten und schon gar nicht in die „Niederungen“ von Wahlkämpfen gezogen werden. Frei nach Bert Brecht: Wenn das Volk nicht mit der Meinung der linken Kommandohöhen in Politik und Medien übereinstimmt, muß man ein anderes Volk wählen, die Widerspenstigen aus der demokratischen Willensbildung ausschalten. Und wenn der demokratische Souverän auch dann noch starrköpfig bleibt, dann knüppelt man seine Meinungen und Interessen mit den bekannten wirksamen Propagandakeulen der Fremdenfeindlichkeit, des Rassismus und Populismus nieder nach dem Motto: Wir wollen doch mal sehen, wer hier recht hat und recht behält.

Eigentlich sollten die Deutschen, das wirkliche Volk, dankbar sein, daß der türkische Ministerpräsident selbst die Schleier weggerissen hat, die man bei uns seit Jahrzehnten gerade über die türkische Einwanderung in Europa und Deutschland gebreitet hat. Der türkische „lider“ (Führer) sieht offensichtlich die Zeit gekommen, sein Grand Design nicht mehr vor der deutschen und europäischen Öffentlichkeit verbergen zu müssen. Sein Plan besteht schlicht darin, die Probleme seines Landes nicht zuletzt durch den Export von vor allem unqualifizierten Teilen der rasant wachsenden türkischen Bevölkerung, die sich zwischen 1961 und 2001 von 28 auf 68 Millionen mehr als verdoppelt hat, nach Deutschland und Europa zu lösen. Es geht der heutigen türkischen Führung um den berüchtigten dritten Anlauf gegen Europa nach 1529 und 1683, unter den heute günstigen Voraussetzungen: der türkischen Bevölkerungsexplosion seit der Mitte des 20. Jahrhunderts und der gleichzeitigen Bevölkerungsschrumpfung in Europa.

Und zu diesen Voraussetzungen gehört nicht zuletzt auch die erkennbar positive Haltung wesentlicher Teile der europäischen und insbesondere deutschen Funktionseliten in Politik, Wirtschaft und Medien gegenüber der türkischen Migration. Es zeigt sich ein tiefer Graben zwischen den deutschen und den türkischen Eliten. Erdogan hat in Köln mehrfach den Faktor der Geduld hervorgehoben, der seinem Plan zugrunde liegt und ihm seine Stoßkraft verleiht, ein langfristiges Geschichtsdenken, das die deutschen und europäischen Kommandohöhen in ihrer Geschichtsschwäche so sehr vermissen lassen.

Es gehört geradezu zu den Markenzeichen der türkischen und islamischen Kultur und Politik, in langen und historischen Fristen denken zu können, während die politischen Klassen in West- und Mitteleuropa weitgehend auf das Hier und Heute fixiert sind.

Das verweist auf die grundsätzliche Unterscheidung, die kein Geringerer als der deutsche Soziologe Max Weber in seinem berühmten Vortrag „Der Beruf zur Politik“ im Jahr 1919 zwischen gesinnungsethischer und verantwortungsethischer Politik getroffen hat. Die erstere glaubt an die „Flamme der reinen Gesinnung“, wenn sie gegen die Ungerechtigkeiten sozialer Ordnung protestiert und von der prinzipiellen Vollkommenheit, Güte und Rationalität der Menschen ausgeht. Im Zentrum verantwortungsethisch geprägter Politik steht hingegen die Maxime, daß man für die voraussehbaren Folgen seines Tuns, seiner Bewertungen und Entscheidungen „aufzukommen“ hat. Hier geht es zuvörderst um das Bewußtsein der historischen Zusammenhänge, um die Verantwortung gegenüber der Vergangenheit und Zukunft des eigenen Gemeinwesens in der Kette der Generationen. In dieser Typologie des Politischen Max Webers ist die Unterscheidung eines liberal-progressiven und eines konservativ-realistischen Politikstils enthalten, kurzfristig-punktuellen und langfristig-historischen politischen Denkens und Handelns.

In diesem Licht bezieht der türkische Ministerpräsident seine unzweifelhafte Stärke aus seinem Vermögen, in historisch langfristigen Dimensionen zu denken und zu handeln, während die Schwäche der Mehrheit der heutigen Politischen Klasse in Europa vor allem darin begründet ist, daß sich ihr Zeit- und Handlungshorizont bestenfalls auf Haushaltsjahre und Wahlperioden erstreckt und ihr Nutzenkalkül sich in Wahlerfolgen und der Befriedigung der individuellen und gruppenmäßigen Wünsche ihrer jeweiligen Wählerklientel erschöpft.

Die Zeiten scheinen weit zurück-zuliegen, als Europa noch Staatsmänner und Staatsdenker aufzuweisen hatte, die sich an historische und überzeitliche Maßstäbe gebunden wußten, in Frankreich Richelieu oder Alexis de Tocqueville, in England etwa William Pitt der Jüngere und Edmund Burke in ihrem Kampf gegen französische Revolution und Hegemonie, in Deutschland Otto von Bismarck, der die Grundlagen der bis heute gültigen deutschen Staatlichkeit schuf. Noch in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts verkörperten Konrad Adenauer und Charles de Gaulle diesen staatsmännischen Typus.

Vom deutschen und europäischen Standpunkt aus wird man Tayib Erdogan als Gegner empfinden, doch auch er repräsentiert mit seinem historisch-politischen Selbstbewußtsein und seiner Vision einen Staatsmann türkisch-islamischer Prägung, während im heutigen Europa ihm vor allem Gesinnungsideologen, kurzatmige Politiktechniker und Parteipolitiker gegenüberstehen, denen es an der Kraft und Weite des historisch-politischen Bewußtseins fehlt.

Die europäische Antwort auf die türkisch-islamische Herausforderung, die Erdogans Kölner Rede wie ein Blitz erhellte, kann nur darin bestehen, die geistigen und kulturellen Grundlagen der personalen Freiheit und damit die Freiheit und Dauer des Gemeinwesens, die „Identität“ der eigenen europäischen und deutschen Kultur- und Lebensordnung zu stärken, soweit es menschliche Einsicht, Verantwortung und Kraft vermag.


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