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05.04.08 / »Englischer Harem« / Perser will Engländerin heiraten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-08 vom 05. April 2008

»Englischer Harem«
Perser will Engländerin heiraten

Ein untersetzter älterer persischer Restaurantbesitzer, drei Ehefrauen und vier Kinder – mal ehrlich, wessen moralischer Zeigefinger würde sich bei so einer Vorstellung nicht gleich senkrecht in die Höhe heben? Doch ist häufig vieles harmloser als unsere Vorstellungskraft es sich auszumalen vermag. So auch bei dem in London lebenden Saaman Sahar. Daß seine „Vielweiberei“ lediglich das Ausmaß seiner großen Güte ist, will zunächst jedoch niemand wahrhaben.

Tracy Pringle ist nicht nur eine arbeitslose Kassiererin, die noch bei ihren Eltern Monica und Eric im 23. Stock eines mehr als baufälligen Hochhauses lebt, sondern auch eine intelligente, phantasievolle hübsche junge Frau. Dies bleibt auch dem persischen Restaurantbesitzer Sam, der sie zunächst eher widerwillig als Kellnerin einstellt, nicht lange verborgen. Begeistert von ihrem unerschöpflichen Wissensdurst und ihrer Bewunderung für ihn, verliert Sam sehr schnell sein Herz an das hübsche Mädchen und er beschließt, sie zu heiraten. Zusammen stapfen sie zu Mr. und Mrs. Pringle, die vor kurzem noch so angetan von dem neuen Arbeitgeber ihrer Tochter waren, um ihnen die frohe Botschaft zu verkünden.

„,Mum, Dad, Sam hat mich wieder nach Hause gebracht.‘ Sam war außer Atem, die Nasenflügel gebläht, puterrot von dem Aufstieg … Eric entschuldigte sich, daß der Lift nicht fuhr, als sei es seine persönliche Schuld, und begrüßte Sam wie einen alten Freund … Auf der Couch brach Tracy das Eis der vierfachen Beklommenheit. ,Mum, Dad, ihr wundert euch vielleicht, wieso wir herkommen und mit euch reden wollen. Also, Sam hat mich gefragt, ob ich seine Frau werden will. Und ich hab Ja gesagt.‘ … Monica und Eric saßen wie versteinert. ,Aber da ist noch was‘, sagte Tracy. ,Das habe ich euch noch nicht gesagt und es klingt viel schlimmer als es ist. Sam hat schon zwei Frauen. Ich werde die dritte.‘“

Daß Tracys Eltern über diese Nachricht gelinde gesagt alles andere als erfreut sind, mag sich der Leser vorstellen. Zu nahe liegen die Klischees und Vorurteile, die sich den gesellschaftlich eingefahrenen Köpfen bei solchen Äußerungen aufdrängen. Wie lebt man denn da zusammen? Ist der Mann der Herrscher im Haus über drei bildschöne Frauen, ein „Englischer Harem“ gar? Und dann die alles überschattenden Fragen in Bezug auf Sex: Schlafen alle in einem Bett, treiben es womöglich alle vier zusammen oder sucht sich der Herr des Hauses jeden Abend eine andere seiner Damen aus, um diese zu beglücken?

All diese Fragen beschäftigen nicht nur Tracys Eltern und ihren zwielichtigen Ex-Freund Ricky, sondern auch die britischen Behörden. Wenn auch bei letzteren unter dem Vorwand, daß die vier Kinder, die nebenbei bemerkt nicht von Sam, sondern von seinem Bruder stammen, und dessen Frau er aus „Bruderpflicht“ nach dessen Tod nur der Form halber als „Ehefrau“ in seinem Haushalt aufnahm, in einem solch moralisch verkommenen Haus nicht leben und aufwachsen dürften.

Der Roman „Englischer Harem“ ist eine gesellschaftliche Satire, die ihresgleichen sucht. Hier rechnet der Autor McCarten mit unserer moralisch manchmal intoleranten Gesellschaft ab und zeigt, daß der unmoralische Sumpf häufig nur in unseren Köpfen existiert.             A. Ney

Anthony McCarten: „Englischer Harem“, Diogenes, Zürich 2008, geb., 581 Seiten, 21,90 Euro


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