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12.04.08 / Nato in der Krise / Europa zweifelt an der neuen Ausrichtung des Bündnisses

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-08 vom 12. April 2008

Nato in der Krise
Europa zweifelt an der neuen Ausrichtung des Bündnisses
von Klaus D. Voss

Die Nato-Karawane ist längst weiter gezogen – nach Südosten. In Westeuropa, vor allem in Deutschland, ist inzwischen ein Problem unübersehbar gewordenen: Das Nordatlantische Verteidigungsbündnis hat kaum noch eine realistische Chance, seinen Auftrag zu rechtfertigen. Die Erinnerung an den Kalten Krieg ist vergangen, besonders die Deutschen wollen sich nicht aus dem Gefühl vertreiben lassen, hier im Herzen Europas im friedlichsten Eck der Welt leben zu können. Niemand will wirklich erklären, an welchem Hindukusch dieser Frieden verteidigt werden muß.

Auf dem Nato-Gipfel in Bukarest ist jedenfalls mit einer schlechten Tradition des Bündnisses gebrochen worden, nämlich sich die Probleme schönzureden. Die Nato steckt in ihrer tiefsten Krise, worauf die diplomatische Posse um einen früheren oder späteren Beitrittstermin der Ukraine und Georgiens nur ein Hinweis ist. Die westeuropäischen Stammländer der Nato stehen vor der Entscheidung, ob sie die Verschiebung der Nato-Interessenszone nach Südosten mittragen wollen oder nicht.

Die Entscheidungen müssen fallen. Die Weltmacht USA, im engen Bündnis mit Kanada und Großbritannien, wollen die Kontrollzone des Bündnisses ausweiten. Auf dem Kontinent halten nur Nato-Neustaaten wie Polen, Tschechien und die drei baltischen Länder unverbrüchlich an dem Bündnis fest, in erster Linie um die Grenzen zu Rußland zu zementieren.

Tatsächlich wächst die neue Nato auf Drängen Washingtons an jene Zone heran, die Geopolitiker die „Strategische Ellipse“ nennen: Sie zieht sich vom Nahen Osten bis nach Sibirien, umfaßt auch große Teile Zentral- und Südasiens und damit den Kernbereich der von islamistischen Entwick­lungen bedrohten Regionen. Die Strategische Ellipse trägt, wie Sicherheitsexperten lapidar feststellen, 70 Prozent der Welt-Energievorräte, dabei „90 Prozent aller Konfliktherde“. Man muß kein politischer Prophet sein um zu erkennen, daß militärische Einsätze zum Alltag der neuen Nato gehören werden.

Rußland muß sich von dieser strategischen Ausrichtung militärisch umzingelt fühlen, auch wenn Moskau in Einzelfällen zu Kooperationen wie in Afghanistan bereit ist. Die Unterstützung der Nato-Truppen dort beschränkt sich nicht nur auf den beschlossenen Versorgungsweg über Land. Was Rußland wirklich fürchten muß, ist, daß diese neue Nato sich mehr und mehr zu einer Weltorganisation entwickelt, die die in den USA höchst unbeliebte Uno an die Wand drängen wird: Eine neue Weltorganisation unter Waffen, mit der eingebauten Gefahr, allein wegen ihrer Größe ihr Handeln stets selbst legitimieren zu können. Rußland muß sich dagegen stemmen, wenn es auf der Welt mitbestimmen will.

Die europäischen Nato-Staaten sind bisher jeder Entscheidung für die Zukunft ausgewichen, besonders in Berlin gibt es keinerlei politische Ideen, wie eine europäische Verteidigung in Zukunft organisiert sein muß. Kanzlerin Angela Merkel muß sich endlich trauen zu formulieren, in welchem Fokus deutsche Interessen liegen: bestimmt nicht am Hindukusch.


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