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12.04.08 / Teuer erkaufter Frieden / Nur der Bund und Ver.di profitieren vom Tarifabschluß im Öffentlichen Dienst

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-08 vom 12. April 2008

Teuer erkaufter Frieden
Nur der Bund und Ver.di profitieren vom Tarifabschluß im Öffentlichen Dienst
von Ansgar Lange

Sind Sie nicht auch der Meinung, daß Krankenschwestern, Erzieherinnen und Müllmänner mehr verdienen sollten? Wer wird diese Frage schon mit einem kaltherzigen Nein beantworten wollen? Sind Sie aber auch der Meinung, daß Städte und Gemeinden höhere Gebühren erheben, Personal einsparen und stärker als bisher privatisieren sollen? Diese Frage werden schon weit weniger Menschen mit einem klaren Ja beantworten, obwohl beide Fragen unmittelbar miteinander zusammenhängen.

Um mit dem Positiven zu beginnen: Mit der Einigung im Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen haben Arbeitgeber und die Gewerkschaft Ver.di neue Streiks abgewendet. Die rund 1,3 Millionen Beschäftigten dürfen sich überdies über eine in zwei Schritten erfolgende Entgelterhöhung freuen. Außerdem werden die Monatsgehälter pauschal um 50 Euro erhöht. Und im kommenden Jahr gibt es eine Einmalzahlung von 225 Euro obendrauf. Die in Potsdam erzielte Einigung ergibt eine lineare Steigerung von bis zu 8,7 Prozent. Die Vergütungen der Auszubildenden steigen rückwirkend zum 1. Januar 2008 um 70 Euro. Und die Arbeitszeit steigt im gesamten Tarifgebiet West auf 39 Wochenstunden. Schon scharren die 600000 Beamten bei Bund und Kommunen mit den Hufen und hoffen auf einen ähnlich satten Abschluß.

Der Verdacht ist nicht ganz unbegründet, daß der Bund als Verhandlungsführer wieder einmal Politik auf Kosten der untergeordneten Ebenen gemacht hat. Gegenüber der „Rheinischen Post“ brachte dies der Bürgermeister der Stadt Wermelskirchen, Eric Weik, auf den Punkt: „Der Bund verdient nur an dieser Tariferhöhung.“ Und zwar über die Lohnsteuer. Die führen die Kommunen wie auch die Arbeitgeber ab. „Und je höher der Abschluß, um so mehr verdient der Bund.“ Außerdem beschäftigt er kaum Angestellte im öffentlichen Dienst.

Sicher, nach Jahren der Reallohnverluste war ein Ende der Bescheidenheit angesagt. Aber mußten es gleich 8,9 Prozent mehr Lohn sein? Aus Angst streckten die Arbeitgeber frühzeitig die Waffen, denn sie fürchteten geschlossene Kitas und Müllberge und die Solidarität der Bürger mit den Strei-kenden, denen erst in Zukunft dämmern dürfte, was sie dieser Abschluß wirklich gekostet hat. Wenn wenig genutzte Hallenbäder geschlossen werden, dann ist dies noch zu verschmerzen. Doch unmittelbar nach der Tarifeinigung wurde ein Personalabbau für die kommunalen Krankenhäuser angekündigt. Keine gute Nachricht für eine alternde Gesellschaft, die schon jetzt eine Zwei-Klassen-Medizin beklagt, weil die Gesundheit ganz in Finanznot und Bürokratie erstickt. Der Direktor der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft prophezeite  langfristig Klinikschließungen – dies träfe insbesondere nicht so mobile Menschen wie Senioren oder Arme.

Der Kostendruck wird vermutlich zu einer verstärkten Privatisierung führen. Es wird genau geprüft werden, wo Bund, Länder und Kommunen selbst Arbeitgeber sein müssen – und wo vielleicht private Dienstleister effektiver, besser und kostengünstiger zum Einsatz kommen könnten. Allerdings läßt die Ankündigung der Arbeitgeberverbände des öffentlichen Dienstes in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, Stellenabbau und Privatisierungen würden vor allem auf untere Entgeltgruppen wie etwa Reinigungs- und Küchenkräfte zukommen, befürchten, daß mal wieder der viel zitierte „kleine Mann“ das Opfer, der Leidtragende sein wird.

Mißt man die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände an ihrem Zehn-Punkte-Plan zur Tarifrunde 2008 vom 16. November 2007, dann haben sie auf ganzer Linie versagt. Denn ist es denn heute nicht mehr richtig, daß der kommunale öffentliche Dienst nach wie vor „von einer soliden Finanzausstattung weit entfernt“ ist? Liegt die Verschuldung der Kommunen im April 2008 viel niedriger als bei den damals angegebenen 80 Milliarden Euro? Die Folgen der Finanzknappheit können wir jeden Tag betrachten, wenn wir uns den Zustand von Schulen, Schwimmbädern, der Straßen, der öffentlichen Einrichtungen und Gebäude anschauen.

Da der jetzt erzielte Abschluß die Kommunen in diesem und im nächsten Jahr mit 9,5 Milliarden Euro zusätzlich belasten dürfte, werden weniger Zuschüsse für das Vereinsleben, höhere Gebühren und Einsparungen bei der Kultur unausweichlich sein. Sind Sie immer noch der Meinung, daß Verwaltungsangestellte und Kindergärtnerinnen in Deutschland zu wenig Geld verdienen? Vielleicht sollte man aber auch zu der Frage kommen, ob eine gerechtere Lastenverteilung von Bund, Ländern und Kommunen nicht endlich angepackt werden müßte.


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