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12.04.08 / Neuer Glanz für alte Kunst / Sachsen-Anhalt läutet das Jahr der Domschätze ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-08 vom 12. April 2008

Neuer Glanz für alte Kunst
Sachsen-Anhalt läutet das Jahr der Domschätze ein
von Helga Schnehagen

Wenn sich am 13. April nach umfangreichen Umbau- und Sanierungsarbeiten die Pforten der Klausur des Halberstädter Domes wieder öffnen, wird sich einer der kostbarsten und umfangreichsten mittelalterlichen Kirchenschätze am alten Ort in neuem Glanz präsentieren. Denn neben dem Aachener gehört der Halberstädter Domschatz zusammen mit dem Quedlinburger Stiftsschatz zu den drei bedeutendsten Kirchenschätzen in Deutschland. Neu zu erleben sind auch die beiden Schätze der Vereinigten Domstifter im wiedererstandenen Naumburger Domschatzgewölbe, der größten romanischen Gewölbehalle Mitteldeutschlands, und im Merseburger Kapitelhaus, das seit seiner Eröffnung im August 2006 bereits viele tausend Besucher empfangen konnte.

Jeder Standort repräsentiert eine besondere Blütezeit der deutschen Geschichte. Wie kein anderer Ort steht Quedlinburg für die Anfänge des ottonischen Königshauses unter Heinrich I., Merseburg für einen Neubeginn unter Kaiser Heinrich dem Heiligen. Halberstadt, um 804 unter Karl dem Großen gegründet und damit Mitteldeutschlands ältestes Bistum, erhielt seinen größten „Schatzzuwachs“ unter Konrad von Krosigk zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Im Naumburger Dom bildet Uta von Ballenstedt im Verbund mit den übrigen Stifterfiguren aus der Mitte des 13. Jahrhunderts den Höhepunkt der staufischen Plastik.

Der Halberstädter Domschatz umfaßt über 650 Kunstwerke aus dem 5. bis 18. Jahrhundert. Mehr als 360 davon sind in der rund 1000 Quadratmeter großen Präsentation zu sehen. Darunter alle im Mittelalter gebräuchlichen Kunstgattungen: Altarbilder und Skulpturen, Handschriften und Mobiliar, Bronzewerke und Goldschmiedearbeiten. Auffällig ist die Verbindung zu Byzanz. Beutestücke der Kreuzzüge und Teile des Brautschatzes der byzantinischen Prinzessin Theophanu, die 972 mit Otto II. verheiratet wurde, liefern dafür die Erklärung. Byzantinisch ist auch das älteste Exponat, zwei spätantike Schreibtafeln aus Elfenbein aus dem Jahr 414. Sie zeigen Konsul Konstantinus neben Senatoren und darunter die von ihm unterworfenen Westgoten.

Solche Tafeln verschenkten die Konsuln zu ihrem Amtsantritt. Im Mittelalter dienten sie hier als Buchdeckel für ein Chorbuch. Besonderer Schatz unter den zahllosen Schätzen ist das große Tafelreliquiar von 1225. Hinter geschliffenen Bergkristallen bewahrt es in der Mitte Partikel des Heiligen Kreuzes und in zwölf Feldern Reliquien einiger Apostel und Heiliger auf. Das rahmende Goldfiligran ist mit über 200 Edelsteinen, Perlen und Gold-emaillen besetzt. „Holz vom Kreuz Christi, also vom Marterwerkzeug des Gottessohnes, galt als kostbarste Reliquie überhaupt“, erläutert Pfarrer Martin Eberle, Koordinator des Domschatzjahres. Das wußte auch Bischof Konrad von Krosigk, der die Kreuzsplitter 1204 bei der Plünderung Konstantinopels mitgehen ließ. Als einmalig zu betrachten ist die über 300 Stücke umfassende Textilsammlung. „Allein 90 Gewänder der Bischöfe und Domherren sind heute noch vorhanden“, erklärt Eberle mit Blick auf die liturgische Garderobe.

Optisch wie kunsthistorisch am außergewöhnlichsten sind jedoch die beiden monumentalen romanischen Webteppiche. Die Teppiche aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, die einst wohl im Chor des Domes aufgehängt waren, nicht zuletzt, um die Chorherren während der Messe zu wärmen, gelten als die größten und ältesten Bildwirkereien Europas.

In Quedlinburg bestechen neben den Evangeliaren besonders die Reliquiare, kostbarste Hüllen für Reliquien, deren erste Heinrich I. in die Kirche brachte. Das ungewöhnlichste Stück aber ist Heinrichs Kamm. Das 13 bis 14 Jahrhunderte alte Kleinod aus Elfenbein mit Edelstein-Besatz stammt aus Syrien. Möglicherweise wurde es vor Heinrichs Krönung zum König der Ostfranken im Jahr 919 sogar rituell genutzt.

Im Naumburger Domschatzgewölbe trifft der Besucher nicht nur auf über 30 erlesene Kostbarkeiten des Mittelalters, sondern auch auf solche der Renaissance. Dabei wird er sich der Anmut und Grazie Maria Magdalenas nur schwer entziehen können. Die heilige Sünderin und spätere Büßerin ziert einen der beiden erhaltenen Altarflügel aus der Cranach-Werkstatt.

In Merseburg lohnt alleine das spätgotische Kapitelhaus den Besuch. Legenden ranken sich um den Mantel Ottos des Großen, der dort ausgestellt ist. Auch wenn ihn der Kaiser nie getragen hat – der Mantel ist bis zu 200 Jahre jünger – soll er ihn vor der Vernichtung bewahrt haben. Zu sehen sind natürlich auch die berühmten Merseburger Zaubersprüche, eine über 1000 Jahre alte Handschrift, die hier als hochwertige Kopie nicht minder beeindruckt.

Der Bedeutung der Schätze angemessen ist der vom Fernsehen übertragene ökumenische Gottesdienst am 13. April in Halberstadt. Die Eröffnung des Domschatzjahres übernehmen Bundespräsident Horst Köhler und Wolfgang Böhmer, Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt.

Foto: Domschatz zu Halberstadt: Nicht nur der kostbare Christus-Apostel-Teppich wird viele Besucher in seinen Bann ziehen.


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