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12.04.08 / Vom Winde verweht / Vor 100 Jahren löste ein Fund in Deutsch-Südwestafrika einen Diamantenrausch aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-08 vom 12. April 2008

Vom Winde verweht
Vor 100 Jahren löste ein Fund in Deutsch-Südwestafrika einen Diamantenrausch aus
von Wolfgang Reith

Während Kalifornien ab 1848 seinen „Gold Rush“ hatte, war das heutige Namibia als seinerzeitige deutsche Kolonie Südwestafrika ab 1908 einem entsprechenden „Diamond Rush“ ausgesetzt. Doch dem jeweiligen Boom folgte schon nach wenigen Jahrzehnten das abrupte Ende, nachdem die Bodenschätze erschöpft waren; und so erinnern heute nur noch stumme Zeugen in verlassenen Geisterstädten an die einstigen Minen-Siedlungen.

Ausgelöst wurde die Entwicklung im damaligen Deutsch-Südwestafrika dadurch, daß der Vorarbeiter Zacharias Lewala am 14. April 1908 – und damit vor genau 100 Jahren – dem Eisenbahn-Inspektor August Stauch einen glitzernden Stein brachte, den er im Sand der Namib gefunden hatte. Der Vorfall ereignete sich an der Bahnlinie Keetmanshoop-Lüderitzbucht bei der Station Grasplatz, wo Stauch als Bahnmeister dafür verantwortlich war, die Schienen vom Flugsand freizuhalten. Seine Arbeiter hatte er stets ermahnt, auf schimmernde Steine im Sand zu achten, waren doch schon in den Jahren 1897/98 und 1905/06 vereinzelt Diamanten in der Namib gefunden worden. Und weil Lewala zuvor bereits auf den Diamantfeldern bei Kimberley in Südafrika gearbeitet hatte, wußte er sogleich, worum es sich bei seinem Fund handelte.

Schon wenige Wochen später erhielt Stauch die erste Schürflizenz, und im September desselben Jahres proklamierte die deutsche Kolonialregierung das Gebiet zwischen dem Oranje und dem 26. Grad südlicher Breite (bei Hottentot Bay nördlich von Lüderitzbucht) von der Küste aus 100 Kilometer landeinwärts zum „Sperrgebiet“, das heißt zu einem für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglichen beziehungsweise verbotenen Territorium. Bald darauf begann ein wahrer „Wettlauf“: 1909 wurden die Siedlungen Stauchslager (umbenannt in Idatal), Kolmanskuppe, Charlottental und Bogenfels gegründet, 1911 Elisabethbucht und Pomona. Minengesellschaften entstanden wie die „Deutsche Diamanten Gesellschaft“, die „Koloniale Bergbau Gesellschaft“ oder die „Kolmanskop Diamond Mines“. Die Orte waren untereinander durch ein Schienennetz der „Grubenbahn Gesellschaft“ verbunden. In den Minenstädten selbst entwickelte sich ein gesellschaftliches Leben von höchster Blüte. Mittelpunkte bildeten dabei die großen „Kasinos“, in denen neben Sport- und Freizeitaktivitäten auch Konzerte, Theaterveranstaltungen und Tanzbälle, manchmal gar von Weltklasseformat, stattfanden.

Bis zum Ende der deutschen Kolonialzeit 1915 förderte man insgesamt 5369814 Karat Diamanten zutage; dann wurde der Abbau reduziert. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm Sir Ernest Oppenheimer für die „Anglo American Corporation of South Africa Limited“ die meisten Minen der Deutschen und vereinigte sie 1920 unter dem Namen „The Consolidated Diamond Mines of South West Africa“ (CDM). Diese errichtete ihr Hauptquartier in Kolmanskuppe, der größten und bedeutendsten der Diamantenstädte. Wieder blühte die Arbeit auf, wieder pulsierte das kulturelle Leben – aber nur noch für ein Jahrzehnt. Inzwischen hatte man nämlich weiter südlich am Oranje wesentlich ergiebigere Diamantvorkommen entdeckt, und so verlagerte sich der Abbau dorthin.

1930 wurde die Förderung in Kolmanskuppe eingestellt, das aber gleichwohl Frachtzentrum für das Sperrgebiet blieb, von dem aus die anderen Minenorte versorgt wurden. Im Jahr darauf kam das Ende des Abbaus in Pomona und auch in Charlottental, dem Schürfgebiet der „Kolmanskop Diamond Mines“, die als eine der wenigen Gesellschaften von Bedeutung nicht in der CDM aufgegangen war. In Elisabethbucht wurde noch bis 1948 gefördert, in Bogenfels bis 1952. Beschleunigt wurde die Entwicklung durch die Weltwirtschaftskrise, unter deren Auswirkungen Südafrika in den Jahren 1931 bis 1934 zu leiden hatte. Erst 1935 wurde wieder in vollem Umfang gefördert, dann aber die Förderung während des Zweiten Weltkriegs erneut zurück­gefahren. 1936 entstand an der Mündung des Oranje die neue Diamantenstadt Oranjemund, und schon bald verlegte die CDM ihren Verwaltungssitz von Lüderitzbucht dorthin.

Die einstigen „Boom Towns“ aber wurden allmählich vom Sand der Wüste zugeweht oder vom Wind des Atlantiks „zerlegt“. In Kolmanskuppe stellte man 1944 endgültig die Arbeiten ein, 1956 zog der letzte Bewohner von dort weg. Rund 20 Jahre später richtete man in einem der verlassenen Gebäude ein kleines Museum ein, das der Nachwelt die Geschichte des einst prosperierenden Lebens vor Ort überliefern soll, und mit Genehmigung der CDM werden seitdem auch Führungen durch die Geisterstadt angeboten, die schon bald zum selbstverständlichen Begleitprogramm einer Lüderitzbucht-Reise gehörten. Zur 100-Jahr-Feier von Lüderitzbucht 1983 wurde das alte Kasinogebäude in Kolmanskuppe soweit instandgesetzt, daß nun gesellschaftliche Großveranstaltungen wie Silvesterbälle dort stattfinden können.

Die Tourismus-Industrie des unabhängigen Namibia entdeckte rasch die Bedeutung der Diamanten-Geisterstädte inmitten der Namib, und so betrieb sie von Beginn der 90er Jahre an konsequent die allmähliche Öffnung des Sperrgebiets für Besucher. Heute kann man deshalb neben Kolmanskuppe einen Großteil der übrigen ehemaligen Diamantfelder und -siedlungen besichtigen, die damit für Generationen als Erbe beziehungsweise Hinterlassenschaft einer Industriekultur erhalten bleiben. In Elisabethbucht, dessen alte Bausubstanz ebenso wie in Pomona und Bogenfels im Laufe der Zeit mehr den Winden des angrenzenden Atlantischen Ozeans denn dem Sand der Wüste ausgesetzt war, wird zudem seit einigen Jahren auch wieder gefördert, so daß man dort sogar dem modernen Abbau zuschauen kann.

Foto: Haus in der Siedlung Kolmanskuppe: Die Natur erobert sich das Gebiet zurück.


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