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19.04.08 / Auf schmalem Grat / Schwarz-Grün in Hamburg verstört viele traditionelle GAL-Anhänger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-08 vom 19. April 2008

Auf schmalem Grat
Schwarz-Grün in Hamburg verstört viele traditionelle GAL-Anhänger
von Hans Heckel

Die freundlichen Signale gingen von beiden Seiten aus: Die grüne Ex-Senatorin und profilierte Bundestagsabgeordnete Krista Sager bezeichnete eine schwarz-grüne Liaison in Hamburg schon im September 2007 als eine „sehr realistische Option“. CDU-Bürgermeister Ole von Beust signalisierte ebenfalls Interesse. Auf ihrem Parteitag im Oktober 2007 ließen Hamburgs Grüne die Frage immerhin offen, grenzten sich dafür strikt von der Linken ab.

In den deutschen Medien wird die Grün-Alternative Liste, wie sich die Grünen in Hamburg nennen, für das Betreten des schwarz-grünen Neulandes auf Landesebene als besonders pragmatisch gefeiert. Beide, Hamburgs Grüne wie die Union der Hansestadt, sollen auch stellvertretend für ihre Bundesparteien neue koalitionspolitische Optionen öffnen, nachdem sich die SPD immer unverhohlener auf Kurs Rot-Rot begibt.

Für die GAL ist das Hamburger Experiment von Risiken gezeichnet. Schon die ersten Avancen vom vergangenen Herbst haben  die linke Basis verunsichert. Gegenüber den vorigen Wahlen 2004 büßten die Alster-Grünen am 24. Februar schließlich über ein Viertel ihrer Stimmen ein. Der insgesamt geringeren Wahlbeteiligung verdanken sie es, daß sie in Prozenten „nur“ von 12,3 auf 9,6 rutschten.

Am Beispiel der GAL deutet sich ein Dilemma an, das den Grünen bundesweit noch schwer zu schaffen machen dürfte. In der Partei tut sich ein kultureller Graben auf, der sich als noch tiefer erweisen könnte als die alte Rivalität zwischen linken „Fundis“ und gemäßigten „Realos“. GAL-Parteichefin Anja Hajduk und die Fraktionsvorsitzende Christa Goetsch stießen erst 1995 zur GAL. Die Flügelkämpfe der 80er Jahre, an denen Krista Sager an vorderster Front beteiligt war, tobten vor ihrer Zeit – vielleicht auch daher die gewisse Leichtigkeit, mit der sie sich ins schwarz-grüne Abenteuer stürzen.

Die strukturellen Spannungen innerhalb der GAL indes sind in den grünen Hochburgen Hamburgs mit Händen zu greifen, etwa im westlichen Zentrum der 1,8-Millionen-Stadt, von St. Pauli über das Schanzenviertel und Altona bis nach Ottensen.

Neben winzigen Hinterhofwerkstätten, bunten bis düsteren Szenelokalen und wild verschmierten Treffs des angejahrten Hausbesetzermilieus stechen hier längst die schicken Domizile einer neuen Mittelschicht ins Auge: oft ehemalige „Spontis“ oder K-Gruppen-Aktivisten, Veteranen der Öko- und Friedensbewegung, die als Geschäftsleute, Ärzte, Anwälte oder gut bezahlte Angestellte ihren Weg ins Zentrum der Gesellschaft gemacht haben. Die sich aber immer noch „dazugehörig“ fühlen und den quirligen Charme der einst heruntergekommenen Viertel genießen.

Ihr Leben hat sich von dem der übriggebliebenen oder nachgewachsenen „Aussteiger“ weit entfernt, und damit auch ihr Blick auf die Welt. Wem vor Jahrzehnten zu „Besitz“ nur „Enteignung“ einfiel, weil „Besitz“ an sich schon „Diebstahl“ bedeute, der ändert seine Meinung eben mit dem Wachstum seines Einkommens. Wem „Unternehmer“ als 25jähriger nur als Schimpfwort über die Lippen kam, der sieht dies als 50jähriger, der nunmehr selbst einen Betrieb unterhält, naturgemäß anders.

Da kam es für die GAL immerhin günstig, daß die Elb-FDP nach jahrelangem inneren Zank derart ausgelaugt erschien, daß sie den Grünen die klassisch linksliberale Wählerschaft kaum streitig machen konnte. 17 Prozent der Selbständigen Hamburgs haben nach einer Wahlanalyse GAL gewählt, nur zehn die Liberalen.

Doch zur GAL-Klientel zählen nach wie vor auch jene, denen gesellschaftlicher Aufstieg als Anpassung verdächtig ist, die dahinter Korrumpierung wittern, ja Verrat. Jene, die Wörter wie „Sachzwang“ und „Realismus“ nie akzeptieren werden.

Noch einmal schaffte es die GAL, im Februar ihre unangefochtene Spitzenstellung in den alten Hochburgen zu verteidigen, die derart heterogen gewordene Traditions-Anhängerschaft einigermaßen an sich zu binden.

Angesichts eines schwarz-grünen Senats, der linksgrünen Dogmatikern als Kulturbruch schlechthin erscheint, könnte die Integrationsfähigkeit jedoch schnell nachlassen. Die Linkspartei, die in Hamburg den Einzug ins Parlament sofort schaffte, hält ihre Netze weit geöffnet, um das einst auf Grün abonnierte Protestpotential aufzusammeln.

Die GAL-Führung ist sich der Gratwanderung wohl bewußt. Bei den Koalitionsverhandlungen mit der CDU ließ sie bei sensiblen Themen wie Elbvertiefung, Schul-, Bildungs- oder Energiepolitik heftig die Muskeln spielen. Sie weiß, daß sie ihrer Wählerschaft einiges bieten muß, um deren Ausfransung nach links zu begrenzen.

Doch wenn es darum geht, die anderen Parteien mit in bestimmten Kreisen populären Maximalforderungen zu übertrumpfen, haben die Grünen (in Hamburg wie anderswo) kaum eine Chance gegen die Linkspartei. Da geht es ihnen nicht viel besser als der SPD.

Foto: Muskelspiel: GAL-Fraktionschefin Goetsch mit Ole von Beust (CDU)


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