19.04.2024

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19.04.08 / Ost-Deutsch (62): Tuch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-08 vom 19. April 2008

Ost-Deutsch (62):
Tuch
von Wolf Oschlies

Der tschechische Kirchenreformer Jan Hus war auch ein sprachlicher Meister, dem wir die diakritischen Zeichen verdanken, also die Häkchen und Strichlein über Konsonanten, die uns deren Aussprache verraten. Als wortmächtiger Streiter für seine Muttersprache wütete Hus im November 1412 gegen „Prazane i jini Cechove jenz mluvie odpoly cesky a odpoly nemecky“ – Prager und andere Tschechen, die halb tschechisch, halb deutsch sprechen, wie er mit ellenlanger Wortliste nachwies. Vergeblich war’s dennoch: Die Prager und alle Tschechen blieben bei ihrem Wortgut, weswegen auf ihren Speisekarten der Knödel nach wie vor „knedlik“ heißt.

Auch das „hantuch“ hatte Magister Hus mißfallen, was Tschechen egal war, obwohl sie es mittlerweile nur noch selten schwenken. Das unterscheidet das „hantuch“ vom  „fortuch, fartuch, fertuch“, also Vortuch respektive Schürze. Ein (kyrillisch geschriebenes) „fartuk“ erleben auch Russen bei alten Frauen oder kleinen Mädchen (bei denen es zur Schuluniform gehört).

Im gebirgigen Dreiländereck Tschechien – Polen – Slowakei ist es Teil der regionalen Tracht und der grenzüberschreitenden schlesischen Mundart, die von ihren Sprechern selbstbewußt „ponaszimu“ (auf Heimisch) genannt wird.

Woher das althochdeutsche „tuoch“ stammt, wissen wir nicht. Dafür kennen wir die vielgestaltige Karriere des Worts bei Polen. In gebirgigen Dialektregionen ist ein „fortuch“ ein Dachgiebel, klanglich und etymologisch vom deutschen Vordach stammend. Hochsprachlich bezeichnet „fartuch“ eine blecherne Abdeckung für hervorstehende Gebäudeteile, gewissermaßen eine Schürze. Auf das deutsche Vortuch gehen dann auch zurück „fartuch, chwartuch, fertuch“, wie grobe oder feierliche Schürzen bei Polen heißen.

In der modernen polnischen Hochsprache finden wir „fartuch roboczy“ (Arbeitsschürze), „fartzuch ochronny“ (Schutzkittel) und immer wieder „bialy fartuch“, den „weißen Kittel“. Der ist Berufskleidung, beispielsweise für „upiory w bialych fartuchach“ (Gespenster in weißen Gewändern), oder gleich ein Synonym für „Arzt“: Die „biale fortuchy“ (Weißkittel) sind die besten Kämpfer für die Reform des schlechten Gesundheitswesens in Polen.


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