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19.04.08 / Kein Anzeichen für eine neue Strategie / Auf dem Nato-Gipfel in Bukarest gingen die USA und Rußland einen Schritt aufeinander zu

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-08 vom 19. April 2008

Kein Anzeichen für eine neue Strategie
Auf dem Nato-Gipfel in Bukarest gingen die USA und Rußland einen Schritt aufeinander zu
von Gert-H. Komossa

Freundschaftsbekundungen der Großmächte gab es und nicht den zeitweise befürchteten Eklat – die Tagung der Staats- und Regierungschefs der Nato, an welcher zeitweise auch der russische Präsident Wladimir Putin im Rahmen des Nato-Rußland-Paktes teilgenommen hatte, endete doch harmonischer als von vielen erwartet.

Oben auf der Tagesordnung standen die mögliche Erweiterung der Nato durch neue Mitglieder an Rußlands Grenzen und der Krieg in Afghanistan. Hinsichtlich des Beitritts neuer Mitglieder blieb Rußland bei seinem harten „Njet“. Dabei hatte Rußland signalisiert, daß es beim Beitritt von Kroatien, Albanien und Mazedonien unüberwindbare Hindernisse nicht geben würde. Die Aufnahme von Mazedonien wird allein vom Nato-Mitglied Griechenland blockiert. Anders ist die Situation hinsichtlich Georgiens und der Ukraine. Noch bevor Wladimir Putin in Bukarest eintraf, hatte der russische Vizeaußenminister Alexander Gruschko deutlich gemacht, „der Beitritt der neuen Mitglieder wäre ein strategischer Fehler, der die schlimmsten Folgen für die gesamteuropäische Sicherheit haben wird“. Zudem hat der ukrainische und westlich orientierte Staatspräsident Viktor Juschtschenko Schwierigkeiten mit dem Großteil ukrainischer Bürger russischer Nationalität in seinem Land.

Als Wladimir Putin mit der Gebärde eines Zaren den Sitzungssaal betrat, ging sein Blick an allen Teilnehmern vorbei ins Leere. Es konnte keinen Zweifel geben, daß hier ein Mann die Arena betrat, der sich selbst als einen der ganz Großen dieser Welt sieht. Vielleicht kann man ja Verständnis dafür aufbringen, daß Rußland an seinen Grenzen nicht gerne Panzerverbände von Nato-Staaten haben möchte, mag die Beteuerung auch noch so oft wiederholt werden, daß diese Staaten weiterhin Rußlands Freunde bleiben würden, nicht anders als die USA oder England auch.

Trotz aller Beteuerungen der Freundschaft hielt die Nato aber an ihrer Position fest, daß jedes Land das Recht habe, dem Bündnis beizutreten, wenn es der Wunsch der Bevölkerung sei.

Generalsekretär de Hoop Scheffer stellte in der Sitzung des Nato-Rußland-Rates, der seit sechs Jahren zum ersten Mal zusammentrat, kurz und bündig fest „Es könne nicht den Hauch eines Zweifels geben, daß der spätere Beitritt der Ukraine und Georgiens politisch von diesen Staaten gewollt ist“ – der spätere Beitritt also. Putins „Nein“ ändert also nichts an der generellen Beitrittsperspektive dieser Staaten. Die Nato setzte dem russischen Nein also ihr Nein entgegen, daß Rußland ein Mitspracherecht bei der möglichen Erweiterung der Nato habe.

Etwas Entgegenkommen zeigte Rußland in der Frage der Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Polen und der Tschechischen Republik. Das russisch-amerikanische Klima verbesserte sich schließlich beim Vieraugengespräch von Wladimir Putin mit

George W. Bush am Schwarzen Meer, welches auf die Tagung in Bukarest folgte. Hier wurde wieder häufiger die Freundschaft beider Länder und beider Staatsmänner betont. Beide besiegelten die „amerikanisch-russische strategische Partnerschaft“. Beim Abschied betonte Putin aber noch einmal die unterschiedlichen Auffassungen beider Staaten auf den wichtigen Feldern der strategischen Lage, sah aber doch mit Hoffnung auf positive Entwicklungen in der Zukunft.

Bei der nächsten Tagung des Nato-Rußland-Rates werden andere Präsidenten die Geschicke in Rußland und den USA lenken. Die Tagung von Bukarest hat keine grundlegende Veränderung der sicherheitspolitischen Lage gebracht, auch keinen Ansatz für eine neue Strategie. Befürchtete negative Entwicklungen aber zeichneten sich nicht ab. Und dies allein ist schon positiv zu bewerten.

Nichts Neues gab es zu Afghanistan: Deutschland blieb bei seinem Nein zum Einsatz deutscher Verbände im Süden des Landes. Kanzlerin Merkel blieb auch bei ihrer Ablehnung einer Aufstockung deutscher Kräfte – der US-Präsident Bush hatte ihr es auch leicht gemacht, als er vor dem Treffen meinte, man dürfe Deutschland nicht abverlangen, was es nicht leisten könne.

Michail Gorbatschow hatte einst in seinem Buch „Wie es war“ geschrieben, daß „man mit einem Deutschen über deutsche Politik nur reden könne, wenn er auch deutsch denkt“. Eine sehr interessante Feststellung. Es gab nach dem Zweiten Weltkrieg wohl Beispiele, wo deutsche Politiker nicht immer nur deutsche Interessen in ihrem Blick behielten wie etwa die Japaner es taten, die bis heute auf ihrem Rechtsanspruch an den Kurillen beharren. Deutschland hat – vielleicht? – zuweilen zu schnell deutsches Interesse zurückgestellt, wo man doch mit den Alliierten, die Verbündete und sogar Freunde waren, hätte verhandeln können. Die Gelegenheit dazu war mit Gorbatschow und Schewardnadse auf russischer Seite zumindest zeitweilig gegeben. Die USA sahen einmal die Bundesrepublik Deutschland als ihren wichtigsten und zuverlässigsten Partner in Europa an. Die jetzige Bundesregierung sollte hier nicht getadelt werden – Außenminister Franz-Walter Steinmeier erscheint in seinem Auftreten sachlicher als manche seiner Vorgänger, und Verteidigungsminister Franz Josef Jung hat nicht nur das Vertrauen in der Truppe, gleich wichtig ist sein Ansehen im Bündnis.


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