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19.04.08 / Triumphzug des Cavaliere / Berlusconis Mitte-Rechts-Bündnis gewinnt mit klarem Vorsprung die Parlamentswahlen in Italien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-08 vom 19. April 2008

Triumphzug des Cavaliere
Berlusconis Mitte-Rechts-Bündnis gewinnt mit klarem Vorsprung die Parlamentswahlen in Italien
von Sophia E. Gerber

Er hat es wieder geschafft. Medienzar und Großunternehmer Silvio Berlusconi konnte nach 1994 und 2001 zum dritten Mal die Parlamentswahlen für sich entscheiden. Knapp 50 Millionen Italiener waren am vergangenen Sonntag und Montag dazu aufgerufen, 630 Abgeordnete und 315 Senatoren zu wählen und damit den Nachfolger des Ende Januar zurückgetretenen Ministerpräsidenten Romano Prodi zu bestimmen. Gleichzeitig wurde in vielen Regionen, Provinzen und Städten votiert, darunter über eine neue Regierung in Sizilien oder den künftigen Bürgermeister von Rom. Im Vorfeld gab es einige Unregelmäßigkeiten, etwa Streitereien über die Gestaltung der Wahlzettel oder den Manipulationsverdacht bei der Briefwahl von Auslandsitalienern. Die Bürger hatten die Qual der Wahl zwischen einer bunten Parteienmischung, von denen jedoch die meisten in einer Koalition beziehungsweise Listenverbindung eingebunden waren. Stärkste Kraft wurde Berlusconis Mitte-Rechts-Bewegung „Volk der Freiheit“. Ihm gehören die liberal-konservative Forza Italia, die rechtskonservative Nationale Allianz, die separatistische Lega Nord sowie einige kleinere Gruppierungen an. Der Cavaliere erzielte in beiden Parlamentskammern die nötige Stimmenmehrheit (46,8 Prozent im Abgeordnetenhaus, 47,3 Prozent im Senat), um eine neue Regierung zu bilden.

Gemäß dem gültigen Wahlgesetz vom Dezember 2005 erhält er 340 Sitze in der Abgeordnetenkammer, das entspricht 55 Prozent der Gesamtanzahl. Die restlichen Sitze werden nach dem Proporzsystem verteilt. Im Senat wird ein Mehrheitsbonus auf regionaler Ebene vergeben. Zudem sind verschiedene Sperrklauseln vorgesehen. Für die Abgeordnetenkammer gelten national zehn Prozent für Listenverbindungen, vier Prozent für Einzelparteien und zwei Prozent für Parteien, die einem Wahlbündnis angeschlossen sind.

Die Hürden für den Senat betragen in jeder Region 20 Prozent für Listenverbindungen, acht Prozent für einzelne Parteien und drei Prozent für Parteien, die sich mit anderen verbündet haben. Ausnahmen bestehen für die Parteien von Minderheiten, wie Südtirol und Aostatal.

Berlusconis Hauptgegner Walter Veltroni kam mit seiner Mitte-Links-Koalition aus der moderaten Demokratischen Partei, dem liberalen „Italien der Werte“ und den Radikalen auf 37,6 Prozent im Abgeordnetenhaus und 38 Prozent im Senat. Im Unterschied zum kompakten Lagerwahlkampf 2006 lösten sich die großen Parteien aus ihren jeweiligen breitgefächerten Allianzen, um keine Kompromisse mit den Splittergruppen einzugehen. So fehlte in Berlusconis Bündnis die christdemokratische UDC. Spitzenkandidat Pier Ferdinando Casini führte eine eigene Listenverbindung der politischen Mitte an und erzielte in beiden Kammern knapp über fünf Prozent. Der ehemalige Kulturminister und Bürgermeister von Rom, Veltroni, verzichtete auf eine Zusammenarbeit mit den ewigen Neinsagern der radikalen Linken. Kommunisten und Grüne, die sich daraufhin als Regenbogen-Linke unter Parlamentspräsident Fausto Bertinotti zusammenschlossen, sowie die Sozialisten verpaßten überraschenderweise den Einzug ins Parlament. Auch die rechtsextreme Gruppierung La Destra scheiterte an der Sperrklausel. Damit vereinfacht sich Italiens Parteienwelt radikal. Schluß mit dem politischen Gemischtwarenladen einer Vielparteienkoalition, die eine effiziente Regierungs- und Parlamentsarbeit unmöglich machten. Es bleibt zu hoffen, daß die neuen Formationen auch nach der Wahl geschlossen agieren und Abspaltungen ausbleiben.

In seinem Wahlprogramm verspricht Berlusconi Steuersenkungen für Privatpersonen und Unternehmen, etwa indem er die Grundsteuer für die selbstgenutzte Wohnung und die Kfz-Steuer abschaffen oder die Steuerfreiheit für Überstunden und Prämien durchsetzen will. Geplant sind zudem die Erhöhung der Renten je nach Inflationsrate, niedrigere Hypothekenzinsen, Infrastrukturmaßnahmen, Familienhilfen, eine verbesserte Bürgersicherheit und die Bekämpfung illegaler Einwanderung. Ferner hat Berlusconi angekündigt, gemeinsam mit der Opposition ein neues Wahlrecht auszuarbeiten sowie föderale und präsidentielle Verfassungselemente zu stärken. Anstelle liberaler Reformen unterbreitet der Cavaliere jedoch populistische Vorschläge, zum Beispiel die Rettung der maroden, staatlich subventionierten Fluglinie Alitalia. Zur Frage, wie das alles finanziert werden soll, hüllt sich der künftige Premier in tiefes Schweigen.

Auch seine polarisierenden Aussagen und Privatfehden mit der Justiz haben der Wählergunst keinen Abbruch getan. Dies verdankt der 71jährige vor allem der Dauerberieselung durch sein Fernsehimperium, seinem Image als erfolgreicher Macher der Geschäftswelt und Politszene, der traditionell rechten Anhängerschaft des konservativen Bildungsbürgertums sowie der wirtschaftsliberalen Gruppe der Selbständigen.

Das ohnehin niedrige Vertrauen der Bürger in Staat und Politik sollte Berlusconi künftig nicht weiter mißbrauchen. Stattdessen muß sich die neue Regierung den Mißständen im Land zuwenden, die sich wie die Müllberge in Neapel anhäufen und die Lage wie das Dioxin in der Büffelmilch vergiften. Italien leidet unter einem geringen Wirtschaftswachstum, einer hohen Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung sowie einem ineffizienten Bürokratie- und Justizapparat. Weitere Probleme sind die Überalterung der Bevölkerung, das massenhafte Prekariat und die besonders in Süditalien verbreitete Vetternwirtschaft und organisierte Kriminalität.

Für die mangelnde Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt hat der Cavaliere jedenfalls schon eine Lösung parat: In einer Fernsehsendung riet er einer jungen Frau ohne festen Job, die eine Familie gründen wollte, einfach einen seiner Söhne zu heiraten. Pier Silvio Berlusconi bekam daraufhin mehrere hundert Anträge.

Foto: Aller guten Dinge sind drei? Silvio Berlusconi wurde erneut Regierungschef.


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