20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.04.08 / Wie ein schwarzes Loch / Vom US-Hypothekenmarkt ausgelöste Finanzkrise soll fast eine Billion Dollar vernichtet haben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-08 vom 19. April 2008

Wie ein schwarzes Loch
Vom US-Hypothekenmarkt ausgelöste Finanzkrise soll fast eine Billion Dollar vernichtet haben
von R. G. Kerschhofer

Wenige Tage vor seiner Frühjahrstagung am vergangenen Wochenende hat der Internationale Währungsfonds (IWF) für die Verluste aus der amerikanischen Hypothekenkrise eine neue Horror-Zahl genannt: 945 Milliarden Dollar. Davon sollen 565 Milliarden auf Wohnungsfinanzierung entfallen, der Rest auf Geschäftsimmobilien und Konsumentenkredite. Da laut IWF weitere „Belastungen“ drohen, kann der Gesamtschaden ohne Übertreibung mit einer Billion Dollar angesetzt werden.

Was soll man sich unter diesen Zahlen vorstellen, und was bedeuten sie für die Banken, aber auch für die Volkswirtschaften und damit für jeden Staatsbürger und jeden Steuerzahler? Zum Vergleich: Das Brutto-Inlandsprodukt (BIP) der USA liegt bei 14 Billionen Dollar, das BIP der übrigen Welt bei 40 Billionen. Die US-Staatsschuld beträgt etwa neun Billionen. Die Netto-Auslandsschulden der USA – Staat und Private zusammen, Schulden abzüglich Guthaben – machen 2,5 Billionen aus.

Man könnte natürlich sagen, die mit faulen Hypotheken finanzierten Objekte seien ja nicht zerstört worden, und real habe sich nichts geändert. Doch wie alle Handelsobjekte sind auch Realitäten nur das wert, was bei einem Verkauf erlöst werden kann, und die massenhaften Zwangsversteigerungen haben zu einem allgemeinen Preisverfall geführt. Wer verkaufen will oder muß, hat einen realen Verlust, und wer wartet, bis die Preise wieder steigen, hat real nur Kosten ohne Erträge. Dazu kommt, daß eine Wohngegend mit vielen Leerständen rasch zur Geistersiedlung wird – die Objekte verfallen, werden geplündert und verwüstet.

Man könnte auch sagen, die Banken hätten bislang genug an diesen Krediten verdient und müßten nun eben Verluste einstecken. Bei regulärer Kreditvergabe träfe das zu, denn die Banken betreiben Risikostreuung: Wenn einzelne Kredite uneinbringlich werden, ist das einkalkuliert – die schlechten Schuldner werden gleichsam von den guten mitfinanziert.

Die von der Krise betroffenen Banken haben aber nicht Hypothekardarlehen an US-Bürger gegeben. Vielmehr haben US-Banken ihre Hypothekarforderungen an Zwischenhändler weiterverkauft, die oft nur zum Zweck der Zwischenfinanzierung gegründet wurden. Von diesen wurden die Hypothekarforderungen in gebündelter Form „verbrieft“, und jene europäischen Banken, die heute mit Problemen dastehen, haben in großem Umfang solches „Papier“ gekauft – ohne Risikostreuung! Da die Zwischenhändler in Konkurs sind und ein Rückgriff auf die ursprünglichen Schuldner schon allein wegen der exorbitanten Anwaltskosten in den USA illusorisch ist, müssen diese „Hypothekardarlehen aus dritter oder vierter Hand“ abgeschrieben werden.

Das Abschreiben einer Forderung bedeutet Verlust, also Verringerung des Eigenkapitals. Große Verluste können bei Banken, vor allem bei kleineren, eine Flucht verängstigter Kunden auslösen und dazu führen, daß das Eigenkapital nicht mehr für die gesetzlich vorgeschriebenen Quoten ausreicht. Wenn in dieser Not ein „Gönner“ einspringt, ist das meist das Ende der Selbständigkeit, siehe Sachsen LB, und wenn keiner einspringt, das Ende überhaupt. Verluste lösen „Einsparungen“ aus, was den Arbeitsmarkt und das BIP belastet, und alles zusammen bewirkt Steuerausfälle, was in den meisten Staaten auf eine Erhöhung der Staatsschulden hinausläuft. Die gesamte Volkswirtschaft leidet.

Das Abschreiben einer Forderung bedeutet aber auch, daß ein Schuldner weniger Schulden hat. Wenn man annimmt, daß die Hälfte der Kreditverluste auf Gläubiger außerhalb der USA entfällt, hätte die Hypothekenkrise die Netto-Verschuldung der USA um 500 Milliarden Dollar oder ein Fünftel verringert! In den USA real profitiert haben jedenfalls Grundstücksmakler, die verantwortungslose Geschäfte einfädelten, und Wirtschaftsanwälte, welche die abenteuerlichen Finanzkonstruktionen ausheckten oder nun mit Konkursverfahren ausgelastet sind.

Der IWF und die Großen Sieben (G7) orten jetzt „Handlungsbedarf“ und appellieren an die Banken, alle faulen Kredite offenzulegen – bisher haben sie erst etwa ein Viertel der vom IWF genannten Summe zugegeben. Noch ist man sich uneins, ob die Hypothekenkrise nur eine Reduzierung des Wirtschaftswachstums oder doch eine Rezession bringen wird. Auf jeden Fall kommen aber weitere Reglementierungen – die mit bürokratischem Aufwand verbunden sind und natürlich vom Steuerzahler getragen werden.

 

Forderungen aus zweiter Hand

Der Weiterverkauf von Forderungen – eine für die amerikanische Hypothekenkrise mitverantwortliche Geschäftspraxis – ist auch auf einem anderen Gebiet ein Bombengeschäft, nämlich bei Lebensversicherungen: Wer Geld braucht, kann seine Lebensversicherung stornieren, also an den Versicherer zurückverkaufen, erhält aber in der Regel weit weniger dafür, als er eingezahlt hat. Besser dran ist er, die Police an Dritte zu verkaufen, die für ihn die Prämien weiterzahlen, aber dann auch die Versicherungssumme kassieren. In den USA haben sich nun „Spezialisten“ darauf verlegt, Policen von Todkranken zu kaufen, die mit dem Erlös etwa ihre Behandlungskosten bestreiten wollen. Das Makabre daran: Je früher der Betreffende stirbt, umso mehr Profit hat der Käufer.              RGK


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren