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19.04.08 / Begegnungen mit Aphrodite / Zypern: Eindrucksvolle Zeugnisse einer jahrtausendealten Kultur und eine faszinierende Natur

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-08 vom 19. April 2008

Begegnungen mit Aphrodite
Zypern: Eindrucksvolle Zeugnisse einer jahrtausendealten Kultur und eine faszinierende Natur
von Thomas Winzker

Feinsandige Strände, kristallklares Meer, eine Landschaft der Gegensätze und eindrucksvolle Zeugnisse jahrtausender alter Geschichte: kein Wunder, daß Aphrodite gerade an den Gestaden dieser Insel den schäumenden Fluten entstieg, die so mancher für die schönste des Mittelmeers hält: Zypern. Es gibt viele Gründe, den Inselstaat am Kreuzungspunkt dreier Kontinente zu lieben – nicht nur der zuverlässigen Sonne wegen, die 340 Tage im Jahr zu genießen ist. Einzig daß dieses schöne Land seit 1974 geteilt ist, ist ein trauriger Wermutstropfen. Doch sollte der Reisende sich davon nicht abhalten lassen. Die Zyprer können wenig für die Weltpolitik, unter der sie selbst am meisten leiden. Und so bleibt zu hoffen, daß die jüngsten Bemühungen um Verständigung endlich Früchte tragen.

Da klimatisch außerordentlich begünstigt, ist Zypern schon früh im Jahr ein ideales Reiseziel. Dann ist die frisch ergrünte Landschaft mit Blütenteppichen aus rosa Zyklamen und hellblauen Adonisröschen übersät und der Ginster beginnt leuchtend gelb zu blühen. Schon vom Mietwagen aus prägt sich dieser Eindruck tief in unser Herz, das noch vom Grau der winterlichen Heimat getrübt ist. Unser Ziel ist, so viel wie möglich von Natur und Kultur des griechischen Teils zu ergründen, der zwei Drittel der Inselfläche ausmacht.

Einen ersten Stop machen wir bei den ältesten Zeugnissen zypriotischer Geschichte: den Ausgrabungen einer jungsteinzeitlichen Siedlung in Khirokitia. Die rekonstruierten Rundbauten, Tholoi aus einem Meter dicken Feldsteinmauern, zeigen, wie die Menschen vor etwa 6500 Jahren in stadtähnlichen Siedlungen gelebt haben. Das nahe gelegene quirlige Limassol weist Spuren einer ganz anderen Epoche auf, die deutlich machen, daß Zypern einst eine wichtige Bastion der Kreuzritter war: Die Templer erbauten im 13. Jahrhundert eine Burg, die trotz der Zerstörungen noch heute beeindruckt. Kein Geringerer als Richard Löwenherz gab seiner Braut Berengaria von Navarra während des 3. Kreuzzugs hier das Ja-Wort. Nicht versäumen sollte man, in der Stadt auch die Markthalle zu besuchen, eine perfekt erhaltene Eisenkonstruktion aus der Zeit der britischen Okkupation.

Wenig außerhalb von Limassol überrascht die Akrotiri-Halbinsel mit arkadischem Flair: Lady’s Mile Beach mit drei Kilometern feinstem Sandstrand. Orangen, Grapefruits, Limonen, Avocados und Kiwis reifen entlang der schmalen Straße, die von den dunkelgrünen Säulen der Zypressen gesäumt ist. Unterkunft beziehen wir jedoch an der Governor’s Beach in einem sehr familiär geführten Hotel. Ein schöner Ausklang des ersten Abends ist der Spaziergang entlang der schneeweißen Hohlkehlfelsen. Im Abendlicht leuchten sie in Rosa-, Gold- und Orangetönen auf und bilden einen wundervollen Kontrast zum schwarzen Sand der kleinen Buchten.

Von Governor’s Beach aus unternehmen wir einen Tagesausflug nach Nikosia – Symbol der schicksalhaften Teilung. Zunächst machen wir die Runde durch den griechischen Teil der Stadt: das prachtvolle Famagusta-Tor aus venezianischer Zeit und die gänzlich mit Fresken ausgemalte Johannes-Kathedrale aus dem 17. Jahrhundert. Höhepunkt ist jedoch das Zypern-Museum: Einzigartig ist seine Sammlung von Terrakotta-Votivfiguren – Krieger, Kentauren, menschengesichtige Löwen –, die zu Kultzwecken vor einem Altar aufgestellt wurden. Trauriger Teil des Besuchs ist hingegen der Blick über die Grenzmauer. Ebenfalls einen Tagesausflug vom Governor’s Beach entfernt liegt nahe der Demarkationslinie das venezianische Kloster Agia Napa aus dem 16. Jahrhundert. Sein malerischer palmen- und olivenbestandener Arkadenhof ist Traum eines jeden Fotografen. Auf dem Weg in den äußersten Osten des griechischen Inselteils sollte man unbedingt in Kíti anhalten. Das unscheinbare Dorf birgt in seiner Kirche Panagía Angelóktistos einen der bedeutendsten Schätze zyprischer Mosaikkunst: das von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärte Marienmosaik aus dem 6. Jahrhundert. Auch die Besichtigung von Kolossi kann mit dem Ausflug gut verbunden werden. Sein mächtiges Johanniter-Kastell aus dem 14. Jahrhundert liegt einsam inmitten von Obstplantagen.

Ebenfalls in romantischer Umgebung liegt Curium hoch über einem einladenden Strand, der – welch Wunder – noch hotelfrei ist. Amerikanische Archäologen legten hier wundervolle Fußbodenmosaiken frei, so im „Haus der Gladiatoren“ Kampfdarstellungen voller Dynamik. In bukolische Landschaft eingebettet liegt das einen halbstündigen Fußmarsch entfernte Apollon-Hylates-Heiligtum mit seinen wieder aufgerichteten schlanken Säulen. Diese Gottheit wurde als Schützer der Wälder verehrt. Viel bescheidener präsentieren sich da die Überreste des Aphrodite-Heiligtums in Palaia Paphos nahebei – auch wenn der Name klangvoller ist. Im dazugehörigen Dorf Kouklia werden der „lieblichen Göttin“ zu Ehren alljährlich im Frühjahr die Aphrodite-Feste abgehalten. Die Bewohner stören sich offensichtlich nicht daran, daß sie an anderer Stelle „Schaumgeboren“ wurde: Pétra tou Romioú heißt der Felsen, an dem sie an wilder Steilküste erstmals irdischen Boden betreten haben soll.

Um Aphrodite näher zu sein, nehmen wir Quartier in Paphos. Krasser könnte der Gegensatz wohl nicht sein: Hotelburgen allenthalben, Vergnügungsparks und Fastfood-Ketten. Kein Zweifel: Paphos ist Zyperns Urlaubsort Nummer 1 – mit all den Schattenseiten. Der weite Strand kann uns darüber nicht hinwegtrösten. Das tut nur der einzigartige archäologische Park in der Unterstadt, den wir tags darauf besichtigen. Die Bodenmosaike im Haus des Dionysos, des Orpheus und des Theseus zählen zu den schönsten und besterhaltenen der Welt.

Und erst die vielen auf wundersame Weise erhaltenen hellenistischen „Königsgräber“ aus dem 3. und 2. Jahrhundert v. Chr., die aus dem Fels in die Tiefe geschlagen wurden. Könige wurden hier allerdings nie bestattet, vielmehr ptolemäische Statthalter.

Auf dem Weg nach Polis an der Nordwestküste Polís machen wir Halt beim Neophytos-Kloster. Die wundervoll ausgemalte Wohnhöhle des frommen Einsiedlers wird ergänzt durch ein venezianisches Kloster. Die Fresken sind repräsentativ für die byzantinische Malerei, die es in entlegeneren Kirchen zu bestaunen gibt, ob jene im Marathasa-Tal, in Kakopetria und Galata oder in Asinou. Der Weg führt durch eine satte grüne Berglandschaft wieder hinunter zur Küste nach Polís.

Sofort merkt man, daß dieser Ort nicht auf Massentourismus eingestellt ist. Was nur daran liegen kann, daß die Bucht von Chrysochou weit abseits der üblichen Pfade liegt. Daß die Küstenlandschaft hier besonders reizvoll ist, steht außer Frage.

Lange Wanderungen durch die Einsamkeit kann man entlang der Steilküste unternehmen. Stets mit Blick weit hinaus aufs Meer, das hier noch klarer und blauer wirkt als anderswo auf der Insel.

Einer der Fußmärsche könnte zum Bad der Aphrodite führen. An dem idyllischen Quellteich in einer baumumstandenen Grotte, so erzählt die Sage, sei Aphrodite von Akamas, dem Sohn König Theseus’, beim Baden überrascht worden.

Eine unglückliche Liebesgeschichte entspann sich, da die Göttin auf Geheiß von Zeus wieder auf den Olymp zurückkehren mußte, zu ihrem Gemahl, dem Feuergott Hephaistos.

Zwei weitere Wandermöglichkeiten bietet die noch gänzlich unentdeckte Akamas-Halbinsel. Beide, der nördliche „Aphrodite“- und der südliche „Adonis“-Weg, starten an dem legendären „Liebesbad“ der Göttin.

Schade, daß wir im Nordwesten der Insel nicht länger verweilen können. Doch unsere Zeit auf Zypern ist fast um. Auf der Paßstraße legen wir einen Stop ein, um noch einen letzten Blick auf die Bucht von Chrysochou werfen zu können.

Gottlob hatten uns die Wirtsleute unseres Hotels am Governor’s Beach auf dieses noch kaum entdeckte Landschaftsjuwel aufmerksam gemacht. Wir danken es ihnen von Herzen, als wir dort unsere letzte Nacht verbringen.

Aber psst – nicht weitersagen. Wir wollen dort kein zweites Paphos!

Foto: Pétra tou Romioú: An dieser Stelle der Küste Zyperns soll die sagenhafte Aphrodite an Land gegangen sein.


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