20.04.2024

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19.04.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-08 vom 19. April 2008

Mitschuld / Wieso wir so optimistisch sein sollen, warum Beck sich nicht zu sorgen braucht, und warum wir mit den Italienern fertig sind
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Es vergeht keine Woche mehr, in der uns nicht Politiker und Wirtschaftsexperten „vor Pessimismus warnen“. Die Konjunktur sei nämlich „robust“. Und das Gezappel an den Kapitalmärkten? Ach Gottchen – das lege sich schon „in der zweiten Jahreshälfte“, wo sich angeblich alles legt, was in der ersten partout keine Ruhe geben will. So erzählt man es uns in jedem (Krisen-)Jahr.

An den Deutschen würgt indes ein Gefühl, daß die Inflation solcher Warnungen einen trüben Grund haben muß. In der Inflation der Preise glauben wir ihn gefunden zu haben: Es sieht ganz und gar nicht so blendend aus, wie es nach dem Geschmack der Politiker aussehen sollte im Jahr vor dem Wahljahr. Aber die Politiker wären nicht die erfahrenen Strategen, die sie sind, wenn sie keinen Plan hätten, der bis zum Herbst 2009 hält – die „Warnungen“ sind ein wichtiger Teil dieses Plans.

Der geht so: Wenn die Deutschen trotz der stetig steigenden Preise gut gelaunt weiter konsumieren bis zum Wahltag, dann könnte die Binnennachfrage die Konjunktur noch bis zum Urnengang durchschleppen. Während die Sonne der Weltkonjunktur gerade im Sumpf fauler Kredite versinkt, schaltet Deutschland sozusagen für eine Weile auf Batteriebetrieb um. Wichtig ist dabei nur, daß uns der letzte Heller erst im Oktober 2009 ausgeht, wenn wahlmäßig alles gelaufen ist.

Danach ist natürlich Schluß mit der „Warnung vor Pessimismus“. Dann können die Politiker sich wieder „den Herausforderungen der Zukunft stellen“ und „den“ (also unseren) „Gürtel enger schnallen“. Sie werden dabei nicht versäumen, all jenen, die bis dahin tatsächlich optimistisch weiterkonsumiert haben, vorzuhalten, daß sie „trotz der Warnzeichen über ihre Verhältnisse gelebt haben“ und deshalb „Mitschuld tragen an der Zuspitzung der Lage“.

Ein guter Plan, sehr vorausschauend das Ganze, eigentlich. Ja, eigentlich, denn der Haken ist, daß viel zu viele Deutsche ihren letzten frei verfügbaren Heller längst zwischen Mehrwert-, Öko-. Mineralöl- oder sonst welcher Steuer verloren haben und trotz ihres Optimismus’ gar nicht mehr groß dazukonsumieren können. Die Batterien sind schon leer, bevor die konjunkturelle Dunkelheit zurückkehrt ins „vom Aufschwung verwöhnte Deutschland“.

Das sieht nicht gut aus, weshalb sich Nervosität breitmacht in den Reihen der Großen Koalition. Die bekämpft jeder der dortigen Akteure je nach Temperament auf seine eigene Weise. Nur die Kanzlerin strahlt eine beneidenswerte Ruhe aus. Ihr Verzicht auf inhaltliche Positionen zahlt sich für Angela Merkel in den Umfragen immer prächtiger aus.

Kurt Beck würde auch gern so hofhalten im Kanzleramt und übt das schon mal in seiner Rolle als SPD-Chef. Wobei er allerdings keine schöne Figur macht, alle lachen über ihn. Das braucht den Pfälzer aber nicht zu stören. Was halten sie ihm denn vor? Daß er „glück­los agiere“ und provinzielles Mittelmaß sei. Alles Rhabarber. Wer Glück hat, das kommt erst am Ziel heraus, und „provinziell“ nannten sie Helmut Kohl auch.

In Deutschland kommt so ein bißchen Kleinstadtmief nämlich gut an. Strahlende Überflieger werden von Gremien und Medien rechtzeitig ausgeschieden oder so lange durchgewalkt, bis sie geschmeidig geworden sind.

Von Grausen erfüllt blicken wir da nach Frankreich mit seinem Sarkozy. Und völlig aus der Fassung bringt uns, was wir da jetzt aus Italien vernehmen.

Die „Süddeutsche Zeitung“  (SZ) kann ihr Entsetzen darüber kaum zügeln, daß es dieser windige Silvio Berlusconi tatsächlich wieder geschafft hat. Wenn man den Kommentar aus München liest, fühlt man sich richtig wohl, im gutsortierten Deutschland zu leben und nicht in diesem verworfenen Italien.

Berlusconi ist ein bekannter Erzschuft, schon im Auftritt das exakte Gegenteil von Merkel, Beck und den übrigen routiniert-verantwortungsvollen Politikern in unserem Land.

Die „SZ“ konfrontiert uns mit dem unsagbaren Sündenregister des Italieners. Er habe, geißelt das Blatt, Gesetze erlassen, „die seinem eigenen Medienimperium genutzt haben“, als er das letzte Mal Ministerpräsident war. Gesetze zum eigenen Nutzen. Käme in unseren Parlamenten nie vor, wie wir immer aufs Neue zufrieden beobachten, wenn es um Politi­kerdiäten oder Altersbezüge geht, um Parteienfinanzierung oder Gelder für parteieigene Stiftungen.

Warum haben die Italiener Berlusconi überhaupt gewählt? Das liegt an seiner Macht als „Medienmogul“, die in der Tat beträchtlich ist. In Deutschland dagegen herrscht eine klare Trennung von Politiker- und Medienmacht. Die „Freundeskreise“ der großen Parteien in den aufsichtführenden Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Medien haben sich ja bekanntlich ganz von selbst gebildet. Darauf hatten unsere Parteien keinerlei Einfluß.

Und die „SZ“ hat noch mehr Widerwärtigkeiten über Berlusconi ans Licht gebracht. Er habe seine Partei „Forza Italia“ erst vor 15 Jahren „zum Zwecke des Wahlsieges“ geschaffen und dann „kurzer­hand“ im Bündnis „Volk der Freiheit“ aufgehen lassen.

Also: Berlusconis Partei ist nicht nur verdächtig jung, sie wurde überdies zu offenbar unlauteren Zwecken (Wahlsieg!) gegründet. Und dann rottet sie sich  „kurzerhand“ mit einer anderen zusammen, um den Kandidaten der Guten, den Ex-Kommunisten Walter Veltroni, auszustechen. Pfui Deibel!

Der „SZ“-Kommentator weiß nach dem italienischen Debakel („ein Schandfleck in der EU“) genau, wie und wodurch eine Demokratie verlottert: „Was zählen noch die Inhalte, die Fragen politischer Reformen, die Ernsthaftigkeit einer Idee, wenn doch schon die richtigen Vokabeln die Leute beflügeln und zum Kreuzchenmachen bewegen.“ Ja, eben! Aber Moment mal, hat er das jetzt in Rom oder in Berlin geschrieben? Oder von München aus nur die Blickrichtung verwechselt?

Egal, mit denen da unten sind wir fertig.

Genauso fühlten sich die Italiener allerdings auch, ziemlich fertig nämlich, weshalb sie dem „Populisten“ auf den Leim gegangen sind.

Erst die peinlichen Müllberge von Neapel, dann wollte die staatliche Fluggesellschaft Alitalia keiner haben und schließlich der Skandal mit der verseuchten Büffel-Mozarella. Da war kein Halten mehr und der Mittelinks-Premier Romani Prodi stürzte. Schade, das war ein Politiker, den wir mochten, weil er so gut zu den unsrigen paßte.

Aber vergiftete Lebensmittel, da geht selbst den besonnenen Deutschen die Geduld aus. Wie der „Focus“ berichtet, hat der TV-Journalist David Harnasch die Probe gemacht, wie sensibel wir in dieser Frage  sind. Er klärte die Menschen darüber auf, daß deutscher Babybrei flächendeckend mit Dihydrogenmonoxid versetzt sei. Das spritzten Bauern massenhaft auf die Felder, obwohl es beim Einatmen tödlich wirke. Dagegen sammelte Harnasch Unterschriften, mit Erfolg: „Viele besorgte Bürger zögerten keine Sekunde, ihren Namen unter den Aufruf zu setzen.“

Allein der ungemein giftig klingende Name der Substanz reichte, um das Engagement von Bürgern zu entfachen, die sich von diesen gewissenlosen Chemiegiganten nicht mehr alles bieten lassen wollen.

Indes, „Dihydrogenmonoxid“ ist nichts anderes als Wasser, H2O. Es ist in jedem Babybrei drin und wer es einatmet, kann daran zugrundegehen, man nennt das Ertrinken. Haben sich die Unterschreiber nun lächerlich gemacht, weil sie gar nicht fragten, was „Di...“ eigentlich ist? Ach nein, das ist nicht wichtig. Entscheidend ist, daß sie bereit waren, „ein Zeichen zu setzen“. Allein darauf kommt es an, wenn man das Interesse für Inhalte erfolgreich hinter sich gebracht hat, um sich desto leichter von „Vokabeln beflügeln“ zu lassen.


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