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26.04.08 / Die eigene Klientel befriedigen / Die Reform des Erbschaftssteuer- und Schenkungsgesetzes zeigt, wie in Deutschland Gesetze gemacht werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-08 vom 26. April 2008

Die eigene Klientel befriedigen
Die Reform des Erbschaftssteuer- und Schenkungsgesetzes zeigt, wie in Deutschland Gesetze gemacht werden
von Rebecca Bellano

Ob ein Gesetz gut gemacht ist, ist stets Ansichtssache. Derzeit prallen in Berlin zahlreiche Ansichten aufeinander. Es geht schon seit Monaten, nein, eigentlich seit Ende 2006 um die Reform des Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetzes. Damals legten die Richter des Bundesverfassungsgerichtes fest, daß die Erbschaftssteuer künftig Grund-, Geld- und Betriebsvermögen gleich belasten solle und somit Immobilien und Betriebsvermögen nicht mehr nur zu 60 Prozent ihres tatsächlichen Wertes besteuern dürfe. Seitdem wird diskutiert.

Als „Neidsteuer“ bezeichnen die einen das Streitobjekt, für die anderen ist es das geeignetste Instrument, um die Verteilung der Vermögen zwischen Arm und Reich zu gewährleisten. Dazwischen stehen nun die Union und die SPD und müssen bis Ende des Jahres ein fertiges Gesetz vorlegen, das rückwirkend zum 1. Januar 2007 geltend gemacht werden kann. Gibt es bis zum 31. Dezember 2008 kein neues Gesetz, entfällt die Erbschaftssteuer ganz. Das würde manchem Erben gefallen, doch vor allem das linke politische Spektrum wird es nie zulassen, daß seine Lieblings-Steuer wegfällt.

Mit quälender Langsamkeit nimmt sich die Bundesregierung der Sache an. Immerhin hat die Große Koalition ihren Gesetzesentwurf schon im Finanzausschuß zur Diskussion gestellt. Aber das war Anfang März. Auf Anfrage, wann denn dem Bundestag ein Gesetz zur Abstimmung vorliegen wird, will man bei der CDU keinen Termin nennen. Von Seiten der SPD heißt es: „Wir sind noch mitten in strittigen Beratungen. Wir, das heißt die SPD-Seite, sind gewillt, bis zur Sommerpause fertig zu sein.“ 

Während derzeit Steuerberater nicht wissen, was sie ihren Klienten raten sollen und Bürger und Unternehmen unter mangelnder Planungssicherheit leiden, ist in der Großen Koalition keiner bereit, von seinen Standpunkten abzurücken, da jeder gewisse Klientel befriedigen will.

Besonders die mittelständischen Unternehmen klagen äußerst laut. Denn bei den Privat-Erben wie Ehegatten, Kindern und Enkeln werden höhere Erbschaftssteuern durch eine höhere Bewertung von Immobilien von höheren Freibeträgen kompensiert. Zugegeben, Nichten, Neffen und Geschwister sind laut neuem Gesetzentwurf nicht privilegiert, was angesichts der zu erwartenden Erbanfälle von kinderlosen Paaren in großer Anzahl für den Fiskus von Bedeutung ist. Allerdings haben Nichten und Neffen sowie Geschwister keine Lobby, die für ihre Interessen kämpft. Diese haben Unternehmen und Gewerkschaften dafür zu Genüge.

Vor allem Die Linke kritisierte bei der Anhörung im Finanzausschuß, daß bei der Erbschaftssteuerreform viel zu viele Ausnahmen vorhanden seien. „Den Reichtum umverteilen – für eine sozial gerechte Reform der Erbschaftsbesteuerung“ lautete ihre Devise. Und auch die Gewerkschaft ver.di klagte, daß das Steueraufkommen auf bis zu zehn Milliarden jährlich erhöht werden könnte, stattdessen sollen wie bisher vier Milliarden Euro in die Staatskasse fließen. Zudem ist ver.di der Meinung, daß die deutschen Unternehmen auch nach der geplanten neuen Regelung fair behandelt werden. Denn dafür, daß ihr Betriebsvermögen jetzt nicht mehr zu 60 Prozent, sondern voll bewertet werden muß, müssen sie bei Erbschaftsannahme nur auf 15 Prozent des Wertes sofort Erbschaftssteuer zahlen. Die übrigen 85 Prozent müssen nicht versteuert werden, wenn über zehn Jahre die Personalkosten mindestens 70 Prozent des Wertes bei Firmenübernahme betragen und der Betrieb für die nächsten 15 Jahre nicht veräußert wird. Was ver.di und die SPD als freundliches Entgegenkommen werten, läßt Familienunternehmen Sturm laufen. Medienwirksam verkünden sie, daß sie bei einer derartigen Regelung ihren Firmensitz ins Ausland verlegen müssen, da eine derartige Bestimmung hanebüchen sei. Wer könne schon zehn oder gar 15 Jahre im Voraus erahnen, wie es seinem Unternehmen dann gehen könnte. Manchmal seien Kündigungen das einzige Mittel, um einen angeschlagenen Betrieb vor der Insolvenz zu retten. Wenn dann der Betrieb damit bestraft wird, daß nach wirtschaftlich erzwungener Halbierung des Personals auch noch das Finanzamt vor der Tür steht und die Erbschaftssteuer einfordert, wäre dies der Todesstoß und somit alle Arbeitsplätze weg. Daher fordern sie eine anteilige Versteuerung je nach Haltedauer des Unternehmens.

Zugegeben, daß Firmen wegen der Erbschaftssteuer ins Ausland abwandern, ist eher unwahrscheinlich. Der Aufwand ist viel zu groß. Zumal nicht nur der Unternehmer und das Unternehmen, sondern auch die Erben auswandern müßten. Trotzdem sind die Argumente nicht ganz von der Hand zu weisen. Außerdem klagen die Mittelständler, daß kein Dax-Konzern die Belastung durch Erbschaftssteuern tragen müsse, der inhabergeführte Mittelstand jedoch schon. Die Union erkennt diese Argumente durchaus an, zudem sind Unternehmer tendenziell eher CDU-Wähler und damit stets zu berück-sichtigende Klientel. Die SPD ist aus ideologischer Sicht jedoch gelähmt. Würde sie den „reichen“ Unternehmern die Erbschaftssteuer erlassen, würde sie ihr Gesicht verlieren. Allenfalls wenn die CDU in anderen Punkten entgegekäme, könnte man über das Thema einer anteiligen Versteuerung oder eine Reduzierung der Fristen reden. Ob sich die Union auf den Kuhhandel einläßt, denn nichts anderes ist der SPD-Vorschlag, läuft derzeit hinter den Kulissen.

Im Grunde ist die Diskussion vom finanziellen Wert betrachtet lächerlich. Von den vier Milliarden Euro Erbschaftssteuer-Einnahmen jährlich entfallen nur 575 Millionen Euro auf Firmenerben. Den Rest überweisen Geld- und Aktien-erben. Trotzdem blockiert gerade der Aspekt Unternehmensbesteuerung eine Vollendung des Gesetzes. Aber es müssen Wählergruppen befriedigt, Lobbyisten gehört und Kompromisse gefunden werden. Momentan sieht es so aus, daß auf die letzte Minute ein Gesetz zusammengeschustert wird, das aufgrund der Berücksichtigung lautstarker Interessenvertreter zahlreiche Ausnahmen bietet. Die Stellungnahme des Bundes der Steuerzahler scheint realistisch. „Der Gesetzentwurf bestätigt unsere Befürchtungen, daß das geplante Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht sehr verwaltungsaufwendig, streitanfällig und verfassungsrechtlich bedenklich sein wird.“


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