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26.04.08 / Liebevoll »Papa Heuss« genannt / Der erste Bundespräsident setzte die Maßstäbe für das Amt – und verteidigte es gegen Adenauer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-08 vom 26. April 2008

Liebevoll »Papa Heuss« genannt
Der erste Bundespräsident setzte die Maßstäbe für das Amt – und verteidigte es gegen Adenauer
von Klaus D. Voss

Am Ende der 50er Jahre war der Mann in der Villa Hammerschmidt so populär, daß viele Politiker in Bonn das Grundgesetz ändern wollten, um Theodor Heuss doch noch eine dritte Amtszeit zu ermöglichen. Doch er bedachte sein Alter von mittlerweile 75 Jahren und lehnte ab. Zehn Jahre hatten ihm auch gereicht vorzuleben, wie die „Nummer eins im Staate“ seine Aufgabe zu versehen hat. Bis heute folgt das mittlerweile nach Berlin verlagerte Staatsprotokoll seinem Amtsverständnis.

1949, bei der ersten Wahl zum Bundespräsidenten, war noch fast jede Frage offen – nur eines durfte nicht sein: Er sollte keine Macht mehr haben. Kein Recht, Notverordnungen zu erlassen, kein Recht, den Kanzler nach eigenem Entschluß zu ernennen. Der lange Schatten aus Weimarer Republik und Drittem Reich lag auf dem Neubeginn in Bonn. Für Konrad Adenauer war das Amt bei diesem Zuschnitt nicht mehr interessant; er „begnügte“ sich 1949 noch als Bundeskanzler – protokollarisch die Nummer drei – und machte den Weg frei für den FDP-Politiker.

Theodor Heuss setzte sich gegen sechs Mitbewerber durch; eine realistische Chance hatte keiner gegen den liberal-konservativen Kandidaten, auch der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher nicht.

Bundeskanzler Adenauer war klug genug, Heuss in seine Beratungen einzubeziehen. Zwischen den beiden Männern entwickelte sich eine Art von Freundschaft. An Popularität hängte Heuss den Kanzler um eine ganze Länge ab, vom Prof. Heuss mutierte sein Name in den höchsten Grad der Anerkennung zum „Papa Heuss“.

Wertschätzung hatte sich Heuss gerade mit seiner Wesensart verschafft, als eine Mischung aus Staatsmann und jovialem Mitbürger war er für Anekdoten gut. Jeder wußte, daß Heuss jene Form der Unterhaltung schätzte, die man damals noch arglos einen Herrenabend nennen durfte. Er pflegte den gemütlichen Teil mit einem Satz wie diesem zu eröffnen: „Der Bundespräsident verabschiedet sich jetzt, der Heuss bleibt hocke.“

Daß im Nachkriegsdeutschland fast alles „an der Vergangenheit“ gemessen wurde, dafür hatte Heuss mehr Gespür als viele andere, auch bei den kleinsten Dingen: Briefmarken zum Beispiel. Erst 1954, als der Abstand zu Hitler groß genug geworden war, ließ er es zu, daß sein Porträt das Motiv der Standard-Briefmarken wurde – einen Heuss gab’s später dann in allen Preislagen, von zwei Pfennigen hinauf bis drei D-Mark. Erst Walter Scheel machte mit dieser eigentlich selbstverständlichen Tradition aller Staatsoberhäupter Schluß.

Im Frühjahr 1959 stand dann vieles auf der Kippe: Adenauer wollte selbst Bundespräsident werden, das Amt aber mit Macht wie in einer Präsidialdemokratie auffüllen. Durch eine Fernsehrede riskierte er sogar den Bruch mit Heuss: „Die Stellung, die Aufgabe und die Arbeit des Bundespräsidenten werden in der deutschen Öffentlichkeit und damit auch in der internationalen Öffentlichkeit zu gering eingeschätzt. Sie ist viel größer, als man eigentlich glaubt.“ Diesen Satz konnte man nur so verstehen, daß Adenauer sich zutraute, viel mehr aus dem Amt machen zu können, wenn man es nur anders anpacken würde als Heuss. Die Machtverteilung blieb aber wie sie war – und nach einem Briefwechsel auch die Freundschaft zwischen Heuss und Adenauer.


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