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26.04.08 / Generalsekretär à la KPdSU / Putin will als Parteibürokrat die Regierungspartei »Einiges Rußland« anführen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-08 vom 26. April 2008

Generalsekretär à la KPdSU
Putin will als Parteibürokrat die Regierungspartei »Einiges Rußland« anführen
von M. Rosenthal-Kappi

Die Operation „Nachfolger“ nähert sich ihrem Ende. Womit sich Putin in Zukunft beschäftigen wird, ist entschieden. Er wird Ministerpräsident. In den kommenden drei Wochen wird eine andere Frage die Gemüter beschäftigen, und zwar die in russischen Medien immer häufiger auftauchende Frage, wer künftig die Macht hat.

Wer wird ab Mai im großen weiten Rußland das Sagen haben, wenn Wladimir Putin das Amt des Präsidenten offiziell seinem Nachfolger Dmitrij Medwedjew überträgt. Von Gesetzes wegen ist die Sache eindeutig: Der neu gewählte Präsident heißt Dmitrij Medwedjew. Beobachter und Experten rästeln jedoch, wie dessen Regierung aussehen wird angesichts der allgegenwärtigen Präsenz des Alt-Präsidenten Wladimir Putin, der während seiner Amtszeit die Macht des Präsidenten zielstrebig ausgebaut, Widersacher ins Exil verbannt  hat oder ins Gefängnis stecken ließ, und der auch jetzt nicht vorhat, sich von der politischen Bühne zu verabschieden.

Da in Putins „gelenkter Demokratie“ eine unabhängige Bericht-erstattung schwierig geworden ist, gelangen nur solche Informationen in die Öffentlichkeit, die von oben abgesegnet wurden. Deshalb ist es selbst für Rußlandkenner unmöglich, verläßliche Voraussagen zu treffen. Wie zu Zeiten der Sowjetunion bleibt nur, zwischen den Zeilen zu lesen und zu interpretieren. Die Experten warten auf Signale des Präsidenten, wie die russische Politik nach seiner Amtsniederlegung aussehen wird.

Signale hat es in der Vergangenheit viele gegeben, doch sie führten in die Irre. Als mögliche Nachfolgekandidaten wurde neben dem energischen Verteidigungsminister Sergej Iwanow der ziemlich unbekannte ehemalige KP-Parteifunktionär Viktor Subkow gehandelt. Die Kandidatur Medwedjews für das Präsidentenamt kam ebenso überraschend wie die Ankündigung Wladimir Putins auf dem Parteitag der Kreml-Partei „Einiges Rußland“ im Oktober 2007, er könne sich vorstellen, Ministerpräsident zu werden. Daran, daß Wladimir Putin im Mai tatsächlich Ministerpräsident wird, zweifelt niemand mehr. Eine neue Überraschung meldeten Mitte April die Agenturen, als bekannt wurde, daß Wladimir Putin einstimmig zum Vorsitzenden der Partei „Einiges Rußland“ gewählt wurde. Einen Tag zuvor erst hatte die Partei eine Änderung ihrer Statuten vorgenommen, damit Putin als Parteiloser, der er geblieben ist, überhaupt Vorsitzender werden konnte. „Einiges Rußland“ verfügt über eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der Staatsduma. Putin wird als eine Art Generalsekretär nach dem Vorbild der KPdSU mit erweiterten Kompetenzen ausgestattet. Er erhält die volle Kontrolle über die strategische Ausrichtung seines Landes und wird als Parteichef die örtlichen Regierungen in den Regionen überwachen. Mithilfe der Mehrheit ist es möglich, Gesetzesänderungen durchzusetzen.

Ein genialer Schachzug zur Machtsicherung Putins. Mit der Auflösung beinahe aller demokratischen Institutionen hatte Putin eine Situation geschaffen, die zwar seine Macht als Präsident untermauerte, ihm aber nun nach seinem verfassungsgemäßen Rücktritt gefährlich werden könnte. Putin selbst hatte den Spielraum des Ministerpräsidenten eng eingeschränkt. Obwohl die Beobachter dies für unwahrscheinlich halten, könnte Medwedjew Putin jederzeit ohne Angabe von Gründen entlassen. Putins einzige Möglichkeit, politisch zu überleben, ist daher der Machterhalt. Es wird damit gerechnet, daß Putin unmittelbar nach Amtsantritt die  Partei von unliebsamen Beamten säubern wird. Die Furcht greift bereits um sich.

So unwirklich eine Doppelspitze Putin-Medwedjew zur Zeit auch erscheinen mag, so sicher ist es, daß beide die russische Politik in naher Zukunft bestimmen werden. Daß Putin die Zügel auch weiter in der Hand halten wird, ist zweifelsfrei. Fraglich bleibt, ob er mit Hilfe seiner Parteienmehrheit eine Verfassungsänderung durchsetzen wird, und sich somit weitere Optionen offen halten kann. Zwei Möglichkeiten werden dis-kutiert: Medwedjew regiert als inszenierter Präsident aus Putins Gnaden bis 2012, dann darf Putin laut Verfassung wieder kandidieren, oder die Verfassung wird nach deutschem Vorbild umgeschrieben, so daß der Ministerpräsident zum Regierenden des Staates wird. Letztere Möglichkeit würde Putin allerdings nur dann Einfluß sichern, wenn er vorhätte, für längere Zeit Ministerpräsident zu bleiben.

Foto: Generalsekretär Putin: Er behält Macht und Einfluß dank der Zwei-Drittel-Mehrheit


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