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26.04.08 / Gemüse oder Porträt? / Das Kunsthistorische Museum Wien zeigt Werke des Renaissance-Malers Arcimboldo

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-08 vom 26. April 2008

Gemüse oder Porträt?
Das Kunsthistorische Museum Wien zeigt Werke des Renaissance-Malers Arcimboldo
von Silke Osman

Soll man sich mit Schaudern abwenden, oder doch einmal genauer hinsehen? Das wird sich der eine oder andere Besucher einer Ausstellung  im Kunsthistorischen Museum in Wien fragen. Die meisten Kunstfreunde jedoch werden fasziniert sein von den Bildern, die in der dortigen Gemäldegalerie gezeigt werden. Der Name Arcimboldo bürgt schließlich für ein „wonnevolles gruseliges Wohlbehagen“, das er mit seinen bizarren Kompositionen aus Blumen, Früchten, Tieren und Gegenständen des täglichen Lebens hervorruft. Mit seinen außergewöhnlichen Werken ist er für manche Kunstkritiker bereits zu einem Popstar geworden. Dabei ist der Maler kein Kind dieses Jahrhunderts, sondern war einst ein gefeierter Künstler der italienischen Spätrenaissance.

Guiseppe Arcimboldo (1526–1593), geschätzt als langjähriger Hofmaler der Habsburger Kaiser Maximilian II. und Rudolf II., ist vor allem durch seine „scherzi“, „grilli“ und „capricci“, wie seine Zeitgenossen die absonderlichen Kompositionen nannten, noch heute bekannt. Man müßte allerdings sagen, wieder bekannt. Denn nach seinem Tod war Arcimboldo schnell vergessen. Erst das frühe 20. Jahrhundert holte den Künstler, besser seine Werke, aus dem Dunkel der Vergessenheit, und die Surrealisten nahmen sich ein Beispiel an ihm. Eine Ausstellung 1987 in Venedig stellte ihn schließlich gar als einen Vorläufer der Moderne dar. Die Wiener Ausstellung nun, die zuvor mit großem Erfolg und regem Publikumsinteresse in Paris gezeigt wurde, will „die Geschichte des Künstlers im Kontext seiner Zeit erzählen“, so die Kuratorin Sylvia Ferino-Pagden. Nicht zuletzt wolle man auch „Impulse zu einer neuen Sicht der Zeit geben, in der er aktiv war, um damit auch zu erklären, warum seine Schöpfungen gerade heute so stark auf uns wirken“. Ein Band aus dem Verlag Hatje Cantz zeigt parallel zur Ausstellung die ganze Spannweite seines Schaffens, darunter auch die weniger bekannten Facetten (Arcimboldo 1526–1593. Hrsg. Sylvia Ferino-Pagden, 320 Seiten, 385 Abb., davon 345 farbig, geb. mit Schutzumschlag, 39,80 Euro). In fundierten Textbeiträgen werden die berühmten Komposit- und Umkehrköpfe ebenso erläutert wie Arcimboldos künstlerische Anfänge in seiner Geburtsstadt Mailand und seine 25jährige Tätigkeit als Hofmaler. Vor allem aber werden die Naturstudien des Italieners dem Leser nahegebracht. So auch in der Wiener Ausstellung. Dort interessiert man sich besonders für „die Komponenten, aus denen diese Kompositköpfe zusammengefügt sind. Denn die Blumen, Früchte, Tiere, Fische und Vögel studierte Arcimboldo nach der Natur, und er gilt damit als einer der ersten Künstler nach Dürer, die mit ihren akuten Beobachtungsgaben die naturwissenschaftlichen Forschungen unterstützten“. „Im Spannungsfeld zwischen Kunst und Natur spielte Archimboldo eine wesentliche Rolle in der Entwicklung der modernen wissenschaftlichen Illustration auf höchster künstlerischer Ebene.“ Und so wirken seine Naturstudien auch heute noch besonders realistisch und verblüffend naturnah. Selbst wenn er diese Studien als Vorlage für seine  bizarren Köpfe nimmt. Vieles erschließt sich nicht auf den ersten Blick, und so ist der Betrachter aufgefordert, ganz genau hinzusehen und sich auf eine Entdeckungsreise der besonderen Art einzulassen. Ob man allerdings jeder Nuance auf die Spur kommt, bleibt dahingestellt. So hat Arcimboldo in dem Kompositkopf „Der Frühling“ allein 80 verschiedene Blütenpflanzen dargestellt, im Kopf „Das Wasser“ sind es immerhin 60 verschiedene Wassertiere.

„Vielleicht“, so räumen die Ausstellungsmacher ein, „ist es nicht allein der Aspekt der Kompositköpfe Arcimboldos, der seine Kunst bis heute so aufregend erscheinen läßt, als vielmehr die unglaubliche und bezaubernde Vielfalt der so genau studierten, in ihrer species erkennbaren Naturobjekte, die uns fesselt und genauer hinsehen läßt: der Wiedererkennungs- beziehungsweise  neue Erkenntniseffekt von Pflanzen und Tieren, der uns damals wie heute den unendlichen Reichtum der Natur vor Augen hält. Besonders aber ist es der einzigartige Einfall, daraus menschliche Köpfe zu komponieren.“

Die Ausstellung „Arcimboldo“ im Kunsthistorischen Museum, Gemäldegalerie, Maria-Theresien-Platz, 1010 Wien, ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 10 / 7,50 Euro, bis 1. Juni.

Foto: Guiseppe Arcimboldo: Umkehrbild Früchtekorb und Gesicht (Öl, um 1590; bitte einmal drehen)


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