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26.04.08 / Ein großer Schritt in Richtung Rechtsstaat / Das Allgemeinen Landrecht war nicht zuletzt das Werk des Carl Gottlieb Svarez, der vor 210 Jahren in Berlin starb

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-08 vom 26. April 2008

Ein großer Schritt in Richtung Rechtsstaat
Das Allgemeinen Landrecht war nicht zuletzt das Werk des Carl Gottlieb Svarez, der vor 210 Jahren in Berlin starb
von Jürgen Ziechmann

Das 1794 erlassene Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) geht auf die erste Justizreform im friderizianischen Preußen aus den Jahren 1748/1749 zurück. Letztere wurde auf Veranlassung des Königs durch Großkanzler Samuel von Coceji durchgeführt. Sie umfaßte im sogenannten „Corporis Iuris Fridericianum“ in drei Bänden bereits eine für alle Länder des Staates einheitliche Prozeßordnung und eine inhaltliche Sammlung aller denkbaren zivilrechtlichen Vorschriften. Im Verlauf der Regierungszeit war aber ein gewisser Schlendrian eingetreten, der dazu geführt hatte, daß die Bestimmungen nicht mehr nach dem Wortlaut des Gesetzes angewandt wurden.

Der Prozeß des Müllers Arnold um seine Wassermühle, der sich über mehrere Instanzen hingezogen hatte und der Friedrich dem Großen 1779 bekannt wurde, war der direkte Anlaß für den König, eine zweite Reform des Justizwesens in seinen Landen zu veranlassen, die im Allgemeinen Landrecht mündete. Am 14. April 1780 setzte der König per Kabinetsordre diese zweite Justizreform in Gang und am 27. Juli 1780 übermittelte er dem Großkanzler Johann Heinrich von Carmer den „Plan nach welchem bey Ausarbeitung des neuen Gesetzbuchs verfahren werden soll“. Darin gab der König in 27 Punkten genaue Anweisungen. Friedrich wollte keine neuen Gesetze, sondern eine Sammlung der bestehenden Gesetze, die „den gegenwärtigen Zeiten, Sitten; Gebräuchen, Religions- und Landes-Verfassungen … gemäßer eingerichtet werden sollen“. Friedrich drückte sich ziemlich drastisch aus, denn er wollte „die weitläufigen, mehrenteils aus leerem Gewäsch bestehenden Prologen und Eingänge vieler Gesetze“ ausgeschlossen wissen. Friedrich hoffte auf diese Weise, die Willkür der Juristen, die in Preußen ein lächerlich wirkendes graues Mäntelchen tragen mußten, einzudämmen und einen Rechtsfrieden herzustellen, der von der ersten Justizreform noch nicht gewährleistet wurde. Zudem sollte die Justizreform jedem preußischen Bürger die Möglichkeit geben, das Recht selbst nachzulesen.

Carmer beauftragte zwei Justizräte mit der Bearbeitung: Carl Gottlieb Svarez (Zivilrecht) und Ernst Ferdinand Klein (Strafrecht). Der Vater von Carl Gottlieb Svarez hieß Gottlieb Schwartz; er nannte sich aber „Schwaretzius“, später „Schwaretz“. Carl Gottlieb, der am 27. Februar 1746 in Schweidnitz geboren wurde, machte daraus Svarez. Er studierte in Frankfurt / Oder Rechtswissenschaft und legte 1766 in Breslau bei der Oberamtsregierung das Referendarexamen ab. Seine Vorgesetzten wurden auf ihn aufmerksam. 1771 wurde er Oberamtsregierungsrat und enger Mitarbeiter des damaligen Ministers für Schlesien, Johann Heinrich Casimir Carmer. Als dieser nach der im Zusammenhang mit dem Müller-Arnold-Prozeß stehenden Entlassung des bisherigen Großkanzlers von Fürst zu dessen Nachfolger ernannt wurde, folgte ihm Svarez nach Berlin.

Wie bei der ersten Justizreform wurde die Zivilprozeßordnung zuerst fertig; sie wurde unter der Bezeichnung „Corpus Iuris Fridericianum“ am 26. April 1781 verkündet. Die älteren Gesetze, Verordnungen oder Rescripte wurden aufgehoben und Zweifelsfälle sollten einer dafür eingesetzten Geset­zes­kommission vorgelegt werden. Aufgrund von Angriffen zweier Jura-Professoren in Göttingen und Gießen verteidigte Svarez das neue Reformwerk, indem er es mit dem damals noch bestehenden verglich und die Mängel des alten beschrieb.

Auch bei der Abfassung des ALR gingen Carmer und Svarez Wege, wie sie schon Cocceji beschritten hatte. Sie beide bereisten in den Jahren 1781 und 1782 die brandenburg-preußischen Provinzen, sammelten soweit wie möglich Auskünfte über bestehende Pro­vin­­zialrechte ein und nahmen Monita (Einwände) der Gerichte und von Juristen entgegen. Svarez ließ alle eingereichten Materialien ordnen und nahm dann die Abfassung der Gesetze vor.

König Friedrich erlebte die Vollendung des ALR nicht mehr, aber Svarez blieb auch unter Friedrich Wilhelm II. federführender Bearbeiter. Svarez stellte sogar das her, was man heute „Öffentlichkeit“ nennen würde, denn er ließ jeden Rechtsgelehrten, der es wollte, an seinen Überlegungen teilhaben und sammelte alle Einwände und Anregungen in 38 Folianten, so daß neben dem eigentlichen Gesetzestext noch umfangreiches Material für Kommentare vorhanden war, das den Willen des Gesetzgebers zu illustrieren geeignet war.

Zusätzlich zu diesem aufwendigen Reformwerk wurde Svarez im Jahre 1791 noch damit betraut, die Rechtserziehung des Kronprinzen, des späteren Königs Friedrich Wilhelm III., zu übernehmen. Diese Vorträge dauerten bis in die ersten Monate des Jahres 1792, wobei Svarez bereits vom Inhalt des ALR ausging, das im Juli 1792 in Kraft treten sollte.

Aufgrund der politischen Ereignisse – zu nennen ist hier die sogenannte Zweite Teilung Polens – wurde 1793 die Notifizierung des ALR zunächst aufgeschoben, denn die neuen Gebiete sollten gesetzmäßig mit berücksichtigt werden. Tatsächlich aber gab diese Verzögerung Kräften, welche die liberalen Auffassungen von Svarez in der Frage der Position des Monarchen nicht teilten, die Möglichkeit, bei Friedrich Wilhelm II. zu intervenieren. Insbesondere monierten diese Gegner den Ausdruck „Machtspruch“, so daß der König schließlich Svarez anwies, die Beschränkungen der königlichen Einflußnahme auf das Rechtsleben zurückzunehmen.

Ob das auch unter Friedrich dem Großen geschehen wäre, scheint ausgeschlossen, bleibt aber Spekulation. Svarez kämpfte zwar um die Beibehaltung seiner liberalen Ansätze, wurde aber im Dezember 1793 von König Fried­rich Wilhelm II. endgültig zurückgepfiffen. Warum Svarez dann im Februar 1795 nicht Nachfolger des Großkanzlers Carmer wurde, sondern der hohe Justizbeamte Heinrich Julius Goldbeck, mag damit zusammengehangen haben, daß diese liberalen Passagen dem König nicht gefallen hatten.

Goldbeck hielt aber an Svarez fest und wußte die loyale und fleißige Arbeitseinstellung von Svarez auch für sich auszubeuten. Für das neue „Südpreußen“ genannte Gebiet mußten umfangreiche Justizregelungen vorbereitet und durchgeführt werden, was auch wieder Svarez ins Werk setzte. Wieder beschritt Svarez den altbewährten Weg. Er reiste mit Goldbeck nach Thorn und Posen, um sich über die Zweckmäßigkeit ihrer Vorschläge für die Reform der Justiz in Südpreußen konkrete Kenntnisse zu verschaffen. Svarez konnte seine diversen Aufgaben aus Krankheitsgründen dann allerdings nicht mehr zu Ende führen.

Als sein Schüler, der Kronprinz, als Friedrich Wilhelm III. am 17. November 1797 den Thron bestieg, hoffte Svarez auf eine aufgeklärtere Regierung in Preußen, konnte aber nicht mehr erleben, ob seine Hoffnungen sich wohl erfüllten. Er starb am 14. Mai 1798.

Foto: Friedrich Wilhelm II. und Friedrich der Große (v.l.n.r.): Was der Onkel in Auftrag gab, setzte der Neffe in verwässerter Form in Kraft.


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