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26.04.08 / Ein Gang durch Insterburg / Die Sehnsucht nach der Heimat läßt einen nie los

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-08 vom 26. April 2008

Ein Gang durch Insterburg
Die Sehnsucht nach der Heimat läßt einen nie los
von Heinz Walendy

Als vor über 600 Jahren der deutsche Ritterorden von Marienburg aus weiter nach dem Osten vorstieß, um das Land urbar zu machen, baute er unter anderem an zwei wichtigen Stellen – jenseits der Inster und diesseits der Angerapp, kurz vor dem Zusammenfluß dieser Flüsse – je eine Burg.

Die Georgenburg und die Insterburg; allerdings stimmen die Namen mit den geographischen Begriffen nicht ganz überein; denn die Georgenburg liegt am rechten Ufer der Inster, während die Insterburg am linken Ufer der Angerapp liegt. Beide Burgen waren für den Fall einer Belagerung durch einen unterirdischen Gang, der unter beiden Flüssen hindurchführte, verbunden. Im Laufe der Zeit siedelten sich die nachfolgenden Kolonisten um diese Burg herum an, und es entstand einmal das Kirchdorf Georgenburg, das Pferdezüchtern durch sein großes Gestüt bekannt ist, zum andern am Ufer der Angerapp der Marktflecken Insterburg.

Durch seine überaus günstige Lage wurde Insterburg bald der Hauptknotenpunkt für den gesamten Warenverkehr mit dem Osten und schnell wurde aus dem ehemaligen Marktflecken eine aufstrebende Stadt. Als später preußische Heerführer ihre günstige strategische Lage erkannten, wurde Insterburg die Soldatenstadt des Ostens und zählte vor dem Kriege zirka 60000 Einwohner ohne Militär.

Von Georgenburg kommend bietet Insterburg auf dem ziemlich hohen und steil abfallenden linken Ufer der Angerapp dem Beschauer ein überaus malerisches Bild; alles überragend und weit ins Land schauend der mit Kupfer beschlagene Turm der Lutherkirche: das Wahrzeichen Insterburgs. Nachdem man auf einer gewaltigen Eisenbetonbrücke die Angerapp überquert hat, gelangt man in die Altstadt, die seinerzeit unmittelbar am Flußufer gebaut wurde und bis in die Jetztzeit alljährlich während der Schneeschmelze von Hochwasser bedroht wird. Wandert man durch die schmalen und krummen Gassen, die von alten, schiefwinkligen Häusern eingesäumt sind, wähnt man sich in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückversetzt. Und wenn man bei Nacht durch die dunklen Gassen geht, vernimmt man nichts als das Echo der eigenen Schritte, das sich an den Häuservorsprüngen tausendfach bricht. Bleibt man stehen, um zu lauschen, glaubt man, längst vergangenes Waffengeklirr zu vernehmen, aber es ist nur der Wind, der mit den alten, losen Dachpfannen und Fensterläden spielt. Geht man weiter, werden die Straßen etwas breiter, steigen an, um schließlich auf den alten Markt einzumünden. Und nun erstreckt sich vor den erstaunten Augen des Wanderers, ohne Übergang, das moderne Zentrum der Stadt. Große, neuzeitlich eingerichtete Kaufhäuser und Hotels umsäumen den Platz. Schutzleute haben Mühe, den gewaltigen Verkehr in die richtige Bahn zu lenken, dicht besetzte Oberleitungsomnibusse finden ihren Weg durch die unzähligen Autos, Wagen und Fußgänger. Zwei große, breite Straßen, die wiederum berg­an steigen, führen vom Marktplatz in Richtung Bahnhof in die sogenannte Neustadt. Im Schatten riesiger Lindenbäume wandern wir auf einer dieser Straßen – der Wilhelmstraße – weiter, passieren die Post, den Markgrafenplatz mit der Melanchthonkirche und stoßen da, wo die Straße in die zum Bahnhof führende Ludendorffstraße mündet, auf ein gewaltiges, mit großen, zur Straße gelegenen Glasveranden ausgestattetes Gebäude: der „Dessauer Hof“. Dieses Hotel diente 1914 nicht nur Hindenburg als Hauptquartier, sondern wenig später auch dem russischen Befehlshaber General Rennenkamp.

Da das übrige Stadtbild sich im allgemeinen nicht wesentlich von dem anderer Städte unterscheidet, besuchen wir zunächst den Stadtpark, auch Schützenpark genannt. Was hier zuerst auffällt, ist die Pflege, welche die Stadt diesem Park angedeihen läßt. Bunt schillernde Blumenbeete umgeben kurzgeschnittene Rasenflächen, dazwischen führen trockene, saubere Wege mit unzähligen Bänken, die, umgeben von Ziersträuchern, zur Ruhe einladen. Gehen wir weiter, so teilen sich an einer Seite plötzlich die Sträucher und herrliche Blumenbeete, terrassenförmig angelegt, lassen unsern Blick nach oben schweifen. In etwa 30 Metern Höhe sehen wir ein überlebensgroßes Standbild, in der Linken ein mächtiges Schwert, in der Rechten ein Eichenkranz: die Germania. Weiter wandernd gelangen wir zu dem Schwanenteich, auf dem die weißen Schwäne gemächlich ihre Bahnen ziehen, und kurz dahinter zum Schloßteich, der am Fuße eines steil abfallenden Berges, auf dem die Burg des Ritterordens steht, liegt. Auf schmalen Wegen gelangen wir schließlich zur Angerapp und uns nach rechts wendend liegen die sogenannten Schluchten vor uns. Es ist dies das von der Stadt zum Fluß steil abfallende, von unzähligen Tälern oder Schluchten zerklüftete und mit hohen Bäumen bewaldete uralte Flußufer, das sich in etwa 400 – 500 Meter Breite kilometerweit hinzieht.

Reichen diese hohen Uferabhänge anfänglich fast bis an den Fluß heran, an dem nur ein schmaler Fußweg, der bei Hochwasser von Fluten überspült wird, entlangführt, treten sie später weiter zurück und geben ein gegen Norden geschütztes Gelände frei, auf dem die Stadt einen Sportplatz angelegt hat, wie wir keinen zweiten in Ostpreußen finden. Gegenüber dem grünen Rasen, der neben dem Fußballfeld Anlagen für alle leichtathletischen Wettkämpfe, sowie Turngeräte aufweist, erhebt sich eine massive Zuschauertribüne, die gleichzeitig ein großes Café mit zwei wunderschönen Dachgärten in sich aufnimmt. Auf der anderen Seite des Platzes reiht sich Tennisplatz an Tennisplatz, auf dem sich die Anhänger des „weißen Sports“ vergnügen. Dahinter schließen sich mehrere Fußballübungsplätze und der mit einer festen Kiesdecke versehene Wintersportplatz an. Keine fünf Minuten davon entfernt stoßen wir auf ein sehr geräumiges, modern eingerichtetes Schwimmbassin, wo sich die Freunde des Wassersports tummeln. Alles in allem ein sehr ideal und sinnvoll angelegtes Sportfeld, auf dem jede Sportart zu ihrem Recht kommt.

Wenn wir an der Angerapp entlang weiter wandern, treffen wir nach gut 15 Minuten auf die schwerste, und neben Karlshorst die größte Pferderennbahn Deutschlands. Hier traf sich alljährlich am Himmelfahrtstage alles, was über Deutschlands Grenzen hinaus Rang und Namen im Pferdesport hatte, um im friedlichen Wettkampf die besten Pferde Europas zu ermitteln. Führend bei diesen Rennen blieben jedoch stets die Pferde der ostpreußischen Trakehnerzucht. Da wir vom langen Laufen müde geworden sind, kehren wir in dem Café neben dem Rennplatz ein und lassen uns noch etwas von der Insterburger Industrie erzählen. Viel gibt es davon nicht zu berichten, denn die Industrie ist ziemlich unbedeutend und beschränkt sich vornehmlich auf Ziegeleien, Sägewerke und eine größere Reifenfabrik. Da diese Industrie jedoch keine weitere Bedeutung über die Grenzen Ostpreußens hinaus hatte, ist sie kaum erwähnenswert. Nur eine Firma hat es verstanden, ihren Namen in ganz Deutschland zu verewigen: die Kunststeinfabrik Bludau. Wenn wir zum Beispiel nach Porta (Westfalica) fahren, werden wir auf den aus Stein hergestellten Bahnhofsanlagen verschiedentlich folgende Tafeln finden: Erbaut von der Firma Bludau, Insterburg / Königsberg.

Ich selbst empfinde es jeden Morgen, wenn ich durch Bad Oeynhausen gehe, wie einen Gruß der Heimat, wenn mir inmitten der viereckigen Steinplatten des Bürgersteiges solche mit dem Namen „Bludau – Insterburg“ entgegen leuchten. Dann auch erfaßt mich doppelt die Sehnsucht nach dieser herrlichen, unvergeßlichen Stadt, und wenn ich sie heute auch in Schutt und Asche weiß, von Unkraut überwuchert, so ist und bleibt diese Stadt meine Heimatstadt, in der ich eine schöne Jugend verleben durfte, und ich weiß, einst wird sie wieder auferstehen, noch schöner und herrlicher als sie einmal war.


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