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03.05.08 / Die rot-rote Angst vor Sarrazin / Berlins SPD-Finanzsenator reizt Genossen und Koalitionspartner regelmäßig bis aufs Blut

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-08 vom 03. Mai 2008

Die rot-rote Angst vor Sarrazin
Berlins SPD-Finanzsenator reizt Genossen und Koalitionspartner regelmäßig bis aufs Blut
von Patrick O’Brian

Am Sonntagabend bei „Anne Will“ legte Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ein erstaunliches Stück Zurückhaltung an den Tag. Ausnahmsweise. Er rechnete nüchtern vor: Von 4,25 Euro täglich könne man sich „sehr gut und ausgewogen“ ernähren. Müsli, Gemüsebrühe, ein Brot mit Käse und Schinken – was will man mehr?

Zur Erinnerung: Sarrazin hatte einen Proteststurm ausgelöst, als er einen Menüplan aufgestellt hatte, nur um zu beweisen, daß ein Hartz-IV-Empfänger nicht hungern muß.

Irgendetwas in Sarrazin zwingt ihn dazu, immer wieder solche Äußerungen zu tätigen, mit denen er bei den eigenen Leuten heftig aneckt. Als er den Hartz-IV-Speiseplan vorgestellt hatte, legte er noch nach: „Das kleinste Problem von Hartz-IV-Empfängern ist das Untergewicht.“

Eine SPD-Abgeordnete forderte daraufhin entnervt: „Thilo, es reicht!“ Doch der macht immer weiter, mit Sprüchen, die bei der Linkspartei gerne als „Weltverschlechterungsvorschläge“ charakterisiert werden. Doch Sarrazin schert das nicht. Schließlich kriegten noch die Berliner Schulkinder ihr Fett weg, weil sie angeblich viel weniger taugen als ihre Altersgenossen in Bayern.

In Internetforen werden die Äußerungen Sarrazins heiß diskutiert. „Solche Leute wie Sarrazin braucht die SPD nicht, wenn sie wieder glaubwürdig und wählbar werden möchte“, schimpft ein „Gulliver“ nach einem TV-Auftritt des Senators. Solch kritische Äußerungen sind noch harmlos. Viele liegen weit unterhalb der Gürtellinie.

Sarrazin hat den Bogen weit überspannt. Derbe Sprüche zu machen, kommt zwar zuweilen auch bei der SPD-Klientel an. So forderte Kurt Beck einen Arbeitslosen auf, sich zu waschen und rasieren, dann werde er schon einen Job bekommen. Und Klaus Wowereit erklärte, er würde seine Kinder nicht in Kreuzberger Schulen unterbringen.

Das ist auch für SPD-Wähler unterhaltsam, wenn es in Maßen geschieht. Aber Sarrazin hat vor dem Anne-Will-Auftritt schon wieder zwei andere Forderungen aufgestellt, die sich selbst Wirtschaftsliberale von CDU und FDP wohl nicht einmal hinter vorgehaltener Hand auszusprechen trauen: Kindergeld nur noch ab dem dritten Kind und Kündigungsschutz weiter lockern. Klingt nicht gerade wie die klassische sozialdemokratische Position.

Langsam wird spekuliert, ob Sarrazin die Provokationen nicht bewußt einsetzt, um von seinem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit gefeuert zu werden. Und dafür gäbe es zwei mögliche Gründe: Entweder nimmt er Rache an Wowereit dafür, daß der ihn nicht gehen lassen will. Sarrazin will nämlich, so heißt es, zur Bundesbank wechseln.

Oder aber es zeichnet sich ein Scheitern seiner Sparpolitik ab. Berlin hat einen ausgeglichenen Haushalt hinbekommen. Gerade so. Mit viel Geld aus dem Länderfinanzausgleich – aber egal. Sarrazin wird gefeiert. Wenn er jetzt ginge, dann bliebe dies als sein Vermächtnis.

Nur leider ist es mit Vermächtnissen in der Politik nicht so einfach. Denken wir nur an Edmund Stoiber, der freudestrahlend vor seinem Abgang 2007 den Transrapidbau verkündete. Inzwischen ist die Transrapidstrecke tot.

In Berlin sieht es so aus: Die Steuereinnahmen sind vermutlich rückläufig. Die Konjunktur erlahmt ja schon wieder. Außerdem stehen die Zeichen auf Streik. Gerade hat der Verdi im öffentlichen Dienst einen unbefristeten Ausstand beschlossen. Das dürfte den Haushalt belasten, wenn sich am Ende die Arbeitnehmer durchsetzen. Es spricht einiges dafür, daß Sarrazin amtsmüde ist und deswegen so austeilt. Damit er entlassen wird, bevor er kleinlaut die Rückkehr zur Schuldenpolitik verkünden muß.

„Hartz IV muß immer weniger sein als ein voller Arbeitslohn, der eine Familie ernährt, weil irgendwo muß es ja auch einen Arbeitsanreiz geben“, sagte Sarrazin bei Anne Will. Damit sprach er zum wiederholten Male aus, was wohl die meisten Menschen denken. Die große Provokation blieb diesmal aus.

Wahrscheinlich gab es ein Aufatmen bei SPD und Linkspartei, als die Anne-Will-Sendung nach 59 Minuten zu Ende ging. Aber die rot-roten Regierungsparteien der Hauptstadt sollten sich auf keinen Fall zu früh freuen. Der nächste Sarrazinspruch kommt ganz bestimmt.


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