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03.05.08 / »Ärzte ohne Grenzen« waren Vorbild / Wie die Mediziner können die Journalisten angesichts des Leids in der Welt immer seltener neutral bleiben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-08 vom 03. Mai 2008

»Ärzte ohne Grenzen« waren Vorbild
Wie die Mediziner können die Journalisten angesichts des Leids in der Welt immer seltener neutral bleiben
von Hans Heckel

Robert Ménard war keine 32 Jahre alt, als er sich vom Präsidenten der Vereinigung „Ärzte ohne Grenzen“, Rony Brauman, zur Bildung einer weltweit operierenden Organisation zum Schutz von Berichterstattern inspirieren ließ. Zusammen mit Brauman und dem Journalisten-Kollegen Jean-Claude Guillebaud gründete er im Juni 1985 im südfranzösischen Montpellier die Organisation „Reportes sans Frontière“.

Nach und nach bilden sich Sektionen in anderen Ländern der Welt. Seit 1994 arbeitet auch eine deutsche Abteilung der „Reporter ohne Grenzen“ (RoG).

Seit 1992 zeichnet RoG-International Journalisten mit einem Menschenrechtspreis aus. Er soll den Mut zur freien Berichterstattung stärken und somit auch Journalisten unterstützen, die in ihrer Heimat unter politischem Druck stehen. Seit 2002 veröffentlicht RoG überdies den „Medien-Freiheitsindex“. Dies ist eine Rangliste, in der derzeit 167 Länder der Welt hinsichtlich der in ihren Grenzen gewährten Pressefreiheit eingestuft werden. Die Rangliste wird erstellt auf Grundlage einer Umfrage bei RoG-Partnerorganisationen, bei Journalisten, Wissenschaftlern, Juristen und bei Mitarbeitern von Menschenrechtsgruppen.

Bedeutend ist der „Beraterstatus“ der RoG bei den Vereinten Nationen. Damit ist die Gruppierung ein wichtiger Ansprechpartner der Weltorganisation bei Fragen der Pressefreiheit. Die Beraterfunktion geriet indes einmal in Gefahr: 2003 übernahm Libyen den Vorsitz der UN-Menschenrechtskommission. RoG lief dagegen Sturm und forderte, daß ein Land wie Libyen aufgrund der Menschenrechtslage in dem Staat eine solche Position nicht innehaben dürfe. Auf Initiative Kubas hin befanden die UN daraufhin, daß ein solcher Protest der Form nach mit dem Neutralitätsanspruch einer Nichtregierungsorganisation wie RoG nicht vereinbar sei und suspendierten deren Beraterstatus für ein Jahr.

Hier zeigte sich – weder das erste noch das letzte Mal – der innere Widerspruch, der schon bei der Vorbildorganisation, den „Ärzten ohne Grenzen“, bis zur Spaltung führte. Zu den Gründern des Ärzteverbundes gehörte auch der Arzt und heutige französische Außenminister Bernard Kouchner. Nach den Erfahrungen des Biafra-Krieges, bei dem die nigerianische Regierung 1964 bis 1970 eine Unabhängigkeitsbewegung im ölreichen Südosten des Landes niederschlug, wollten Kouchner und seine Freunde vom Neutralitätsgebot des Roten Kreuzes abrücken. Sie wollten stattdessen der „Welt die Augen öffnen“, sprich: nicht nur medizinisch helfen, sondern auch politisch Partei ergreifen. 1977 verließen sie nach langem Streit darüber schließlich „Ärzte ohne Grenzen“.

Die RoG stehen bis heute im selben Zwiespalt. 1985 hatte noch der zur Neutralität drängende „Ärzte-ohne-Grenzen“-Präsident Rony Brauman 1985 das Vorbild für die Reporter-Organisation abgegeben. Doch nicht erst die Libyen-Kontroverse deutete daraufhin, daß RoG den Weg von einer neutralen zu einer politisch engagierten Gruppierung einschlagen wollen.

Mit dem unterstützten Kampf gegen die Tibet-Politik Chinas sind die RoG auf diesem Weg ein Stück weitergegangen. Gegner solcher politischen Interventionen wenden ein, daß damit der Neutralitätsanspruch von Journalisten aufgegeben werde, auf dem wiederum ein Gutteil des Anspruchs auf freie Berichterstattung in aller Welt fuße.


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