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03.05.08 / Keine Freiheit ohne Sicherheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-08 vom 03. Mai 2008

»Auf ein Wort«
Keine Freiheit ohne Sicherheit
von Jörg Schönbohm

Durch die Diskussion über das neue BKA-Gesetz beherrscht das Thema „Sicherheit“ wieder einmal die Schlagzeilen. Kritiker warnen davor, daß die Bundesrepublik auf dem besten Wege sei, ein totalitärer Überwachungs- und Präventionsstaat zu werden. Ihrer Ansicht nach bedeuten die neuen Sicherheitsgesetze eine Aushöhlung der verfassungsmäßig garantierten Freiheitsrechte der Bürger. Menetekelhaft prophezeien sie den Exodus des Rechtsstaates.

Es ist nicht das erste Mal, daß der spannungsreiche Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit Anlaß für hitzige Diskussionen bietet. Bereits 1968 begehrte eine ganze Generation gegen die Notstandsgesetzgebung der Großen Koalition auf. In den 70er Jahren wurde die Debatte erneut angeheizt, nachdem man als Reaktion auf den RAF-Terror die Rasterfahndung einführte. 20 Jahre später erregte schließlich der Große Lauschangriff die freiheitlichen Gemüter. Spätestens mit den Anschlägen auf das World Trade Center, so die Kritiker, sei das Pendel jedoch endgültig zugunsten der Sicherheit umgeschlagen. Jetzt greife der orwellsche Staat durch Online-Durchsuchungen, Bundes-Trojaner, Vorratsdatenspeicherung und den Großen Spähangriff endgültig nach der totalen Kontrolle. 

Letztlich sind die Sicherheitsgesetze aber nur eine notwendige Reaktion des Staates auf die neuen Herausforderungen der Zeit. Schließlich hat sich die Sicherheitslage beziehungsweise die Bedrohungssituation in den vergangenen Jahren ganz erheblich verändert. Klassische Kriege zwischen einzelnen Staaten finden praktisch kaum noch statt. Stattdessen verlaufen Auseinandersetzungen asymmetrisch. Kleine, radikale und hervorragend organisierte Gruppen erklären ganzen Gesellschaften den Krieg. Für einen Angriff wird heutzutage keine Armee mehr benötigt; es reicht eine unabhängig operierende Zelle, die rücksichtslos und unberechenbar zuschlägt. Klare Fronten gibt es in einem solchen Terrorkrieg nicht mehr. Zum Opfer kann jeder werden – egal ob Soldat oder Zivilist. Das haben nicht zuletzt die Anschläge in Djerba, London oder Madrid deutlich gemacht. Diese veränderte Bedrohungslage zwingt den Staat zum Handeln. Das hat nichts mit alarmistischer Angstmacherei oder übertriebenem Sicherheitswahn zu tun. Um die Freiheit zu verteidigen, ist der Staat geradezu verpflichtet, für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen.

Somit wäre es auch falsch, aus Freiheit und Sicherheit ein Gegensatzpaar zu machen. Freiheit und Sicherheit schließen sich nicht aus, sie bedingen einander. Niemand ist frei ohne ein Mindestmaß an Sicherheit. Niemand ist sicher ohne ein Mindestmaß an Freiheit. Das sahen auch die Väter unseres Grundgesetzes so. In Artikel 1 GG heißt es daher: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Achtung und Schutz der Menschenwürde sind nur andere Worte für Freiheit und Sicherheit.

Insofern hatte auch der große preußische Gelehrte Wilhelm von Humboldt Recht, als er 1792 schrieb: „Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine Kräfte auszubilden, noch die Früchte derselben zu genießen; denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit.“ Deutlich wird dies, wenn man sich einmal fragt, wer eigentlich unfreier ist: der, der sich nicht mehr auf die Straße traut, weil er Angst vor einem Überfall hat oder der, der bestimmte Orte meidet, weil diese videoüberwacht sind?

Kriminalitäts- und Terrorprävention sind ein wesentlicher Auftrag des rechtsstaatlichen Gemeinwesens. Der Staat muß immer die Möglichkeit haben, über die Durchsetzung und die Einhaltung des Rechts zu wachen. Er hat das Gewaltmonopol. Tut er dies nicht, entsteht Rechtlosigkeit. Insofern ist Sicherheitspolitik ein elementarer Bestandteil unseres Verständnisses von wehrhafter Demokratie.

Für den Rechtsstaat ist es jedoch wichtig, daß sich die Sicherheitspolitik an einigen grundsätzlichen Prinzipien orientiert: 1. Die Rechtsstaatlichkeit muß mit allen Mitteln gewahrt bleiben. Die Menschenwürde ist unantastbar und muß es bleiben – ansonsten würde das Fundament unseres freiheitlichen Gemeinwesens zerstört werden. 2. In Sicherheitsfragen ist Besonnenheit oberste Pflicht. Entscheidungen dürfen nicht überstürzt werden. Aktionismus ist bei Sicherheitsgesetzen fehl am Platze. 3. Die Transparenz muß gewährleistet sein. Wichtige Gesetzesvorhaben bedürfen immer einer öffentlichen Debatte. 4. Die Gerichte müssen eingebunden werden. Der Richtervorbehalt hat sich in der Vergangenheit als wirksames Kontrollinstrument erwiesen. 5. Es muß auf die genaue Zweckbindung und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen geachtet werden. 6. Neue Sicherheitsgesetze müssen der veränderten Bedrohungslage entsprechen. Die rechtlichen Hürden für neue Gesetze sind zu Recht sehr hoch angesetzt.

Halten wir uns an diese Grundsätze, dann ist die Angst vor einem allmächtigen Big-Brother-Staat unbegründet.

Die Erfahrungen in der Bundesrepublik zeigen, daß unser Rechtsstaat funktioniert und unser Vertrauen in ihn gerechtfertigt ist.

Kritiker mögen vielleicht behaupten, durch die Sicherheitsgesetze sterbe die Freiheit „scheibchenweise“. Ohne die Sicherheitsgesetze stirbt sie am Stück.

Foto: Umstritten: Während Schäubles Sicherheitsgesetze für den einen den Beginn zum Überwachungsstaat darstellen, sind andere davon überzeugt, daß nur so die Sicherheit im Lande garantiert werden kann.


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