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03.05.08 / Sein Lied ging um die Welt / Kleiner Mann mit großer Stimme: der Tenor Joseph Schmidt feierte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts große Erfolge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-08 vom 03. Mai 2008

Sein Lied ging um die Welt
Kleiner Mann mit großer Stimme: der Tenor Joseph Schmidt feierte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts große Erfolge
von U. Klöckner-Draga

Mit dem Evergreen „Ein Lied geht um die Welt“ ist der Name des Sängers Joseph Schmidt bis heute verbunden geblieben. 1933 mußte der jüdische Kammersänger Berlin verlassen, die Stadt, in der Ende der 1920er Jahre seine kometenhafte Karriere begonnen hatte. Das Leben des Künstlers, der am 4. März 1904 in Davideny, in der damals österreichischen Bukowina, geboren wurde, war schon früh vom Gesang bestimmt. Bereits als Kind machte Joseph im Synagogen-Chor von Czernowitz auf sich aufmerksam. Sein Onkel Leo Engel förderte seine Ausbildung als Sänger und wurde später sein Impresario.

1925 führte ihn ein Stipendium nach Berlin an das renommierte Staatliche Konservatorium. Sein musikalisches Talent fiel sofort auf. 1926 sang Joseph Schmidt dem Leiter der Opern-Sendebühne des Berliner Rundfunks vor. Begeistert von dem italienischen Timbre des Sängers, ließ man ihn mit einer Mozart-Partie im Rundfunk debütieren. Von da an sang sich der „Rundfunk-Caruso“ von Erfolg zu Erfolg. Trotzdem blieb ihm der Weg zur Opernbühne versperrt. Sein Handicap: seine geringe Körpergröße. Mit nur 1,54 Meter hätte der kleine Mann mit der großen Stimme in Heldenpose eher komisch gewirkt. Darunter litt der Sänger zeitlebens. Stattdessen eröffnete ihm die technische Neuheit Rundfunk weitere Möglichkeiten und einen kometenhaften Aufstieg.

Im März 1929 feierte Joseph Schmidt im Berliner Vox-Haus seine Rundfunkpremiere. In den folgenden Jahren stieg er zum beliebtesten Rundfunktenor seiner Zeit auf, seine „begnadete Mikrophonstimme“ machte ihn in der ganzen Welt berühmt.

Ob Opernarien, Volkslieder, religiöse Lieder bis hin zum Schlager, alles wurde auch auf Schellack-platten gepreßt, was ihn noch populärer machte. Jetzt wurde auch die Operettenbühne auf ihn aufmerksam. 1930 debütierte er im Großen Schauspielhaus in der Ralph-Benatzky-Revue „Die drei Musketiere“. Regisseur Erik Charell glich Schmidts Kleinwüchsigkeit durch geschickte Arrangements aus.

Der grandiose Erfolg dieser Revue ebnete Joseph Schmidt den Weg zum Film. „Der Liebesexpreß“ (1931) hieß sein erster Erfolg. Von jetzt an wurden die Filmmanuskripte speziell auf seine Person zugeschnitten. Der im Jahre 1933 gedrehte Musikfilm „Ein Lied geht um die Welt“ steigerte seine Popularität und machte Joseph Schmidt zu einer internationalen Berühmtheit.

Doch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten gab es für den bewunderten und gefeierten jüdischen Sänger in Deutschland keinen Platz mehr. Die NS-Presse diffamierte ihn: „Schluß mit dem jüdischen Schmus“ und verleumdeten ihn als „Verbrechertyp“, dessen „Bild auf jeden Steckbrief paßt“. Schmidt-Aufnahmen wurden verboten. Er emigrierte nach Wien, wo er die Filme „Wenn du jung bist, gehört dir die Welt“ sowie „Ein Stern fällt vom Himmel“ (beide 1934) und „Heut’ ist der schönste Tag in meinem Leben“ (1936) drehte. Im neuen Deutschland gelangten die Filme nicht mehr zur öffentlichen Vorführung.

Tourneen führten den Sänger durch die ganze Welt, auch nach Palästina, wo er rauschende Erfolge feierte. 1937 wurde Joseph Schmidt sogar in Amerika stürmisch gefeiert. In der traditionsreichen Carnegie Hall in New York trat „the tiny man with the great voice“ in Konzerten mit Maria Jeritza und Erna Sack auf. Im gleichen Jahr sang er zum letzten Mal in der Berliner Philharmonie. Es war ein Konzert, zu dem nur jüdisches Publikum zugelassen war. Sein nächstes Ziel hieß London.

Nach dem Anschluß Österreichs an Deutschland flüchtete er vor den Nationalsozialisten nach Belgien. In Brüssel stand Joseph Schmidt das einzige Mal in seinem Leben auf einer Opernbühne und errang als Rudolf in Puccinis „La Bohème“ einen triumphalen Erfolg.

1940, zu Beginn des Frankreich-Feldzugs der deutschen Wehrmacht, floh er weiter nach Paris und schließlich in das unbesetzte Südfrankreich. Dort versuchte er, ein Visum für die USA zu erhalten. Alle seine Versuche, nach Amerika auszuwandern, schlugen fehl. Im Mai 1942 gab der Sänger in Avignon sein letztes Konzert.

In Südfrankreich interniert und von Deportation bedroht, wollte er in die „neutrale“ Schweiz, wo er zweimal an der Grenze abgewiesen wurde. Da die eidgenössische Politik jedoch kaum noch Einreisevisa vergab, gelang dem Sänger Anfang Oktober 1942 nur der illegale Grenzübertritt. Schmidt wiegte sich in Sicherheit und reiste nach Zürich.

Gesundheitlich bereits stark geschwächt und seelisch entmutigt, brach Joseph Schmidt auf der Straße zusammen und wurde von der Schweizer Fremdenpolizei sofort in ein Internierungslager im Zürcher Oberland eingewiesen. Er erhielt bis zur Klärung seines Falles Auftrittsverbot.

Das Lager Girenbad wurde die letzte Station seiner Flucht. In den schlecht geheizten Räumen erkrankte er an einer Kehlkopfentzündung. Sechs Wochen, nachdem er der Gestapo in Südfrankreich entkommen war, starb Joseph Schmidt am 16. November 1942 nach einem Herzanfall, der durch den Lagerarzt wegen fehlender Medikamente nur unzureichend behandelt werden konnte. Er wurde nur 38 Jahre alt.

Auf dem Israelischen Friedhof in Zürich wurde der kleine Mann mit der Riesenstimme beigesetzt. Auf seinem Grabstein steht zum Gedenken: „Ein Stern fällt.“ Die Kraft und Schönheit seiner Tenorstimme mit ihrem unverwechselbaren Timbre blieb durch zahlreiche Rundfunkaufnahmen und Schallplatten erhalten und erlebt zur Zeit auf CD ein Comeback.


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