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03.05.08 / Er begründete die Staatsnation / Das stehende Heer und die religiöse Toleranz stützten die politische Herrschaft des Großen Kurfürsten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-08 vom 03. Mai 2008

Er begründete die Staatsnation
Das stehende Heer und die religiöse Toleranz stützten die politische Herrschaft des Großen Kurfürsten
von Jürgen Ziechmann

Zu Beginn des 30jährigen Krieges (1618–1648) wurde am 16. Februar 1620 dem damals regierenden Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg ein Sohn geboren, der auf den Namen Friedrich Wilhelm getauft wurde. Die konfessionellen und dynastischen Gegensätze der Zeit wurden in kriegerischer Weise auf dem Boden des Heiligen Reiches ausgetragen. Die Mark Brandenburg und auch die westlichen Besitzungen der Hohenzollern bei Cleve waren zum Spielball der Kriegsparteien geworden. Zum Schutz des Prinzen wurde dieser zunächst in Küstrin, später in den Niederlanden und schließlich in Königsberg untergebracht und erzogen.

Nach seinem Regierungsantritt am 1. Dezember 1640 gelang es dem jungen Kurfürsten, sich aus den für das Land ungünstigen politischen Bindungen zu lösen und eigene, für die einzelnen Landesteile bekömmliche Wege zu betreten. Er stellte sogar – allerdings wie damals durchaus üblich – sein Privatleben in den Dienst an seinem Kurfürstentum und heiratete nicht die schwedische Erbprinzessin Christine, sondern am 7. Dezember 1646 die oranische Prinzessin Louise Henriette, um so eine Verbindung zu den Niederlanden zu knüpfen.

Damit war aber der nächste Konflikt, in den Brandenburg geraten mußte, bereits programmiert, denn der Herzog von Pommern, mit dem ein Erbvertrag bestand, war 1637 ohne männlichen Erben gestorben, und nun hatte sich Kurfürst Friedrich Wilhelm mit den Schweden auseinanderzusetzen, die aufgrund ihrer militärischen Stärke ihre Gelüste auf Pommern durchsetzten und dafür sorgten, daß Brandenburg nur mit Hinterpommern abgespeist wurde. Immerhin konnte Friedrich Wilhelm im Westfälischen Frieden, der den 30jährigen Krieg beendete, wenigstens Minden, Hal­berstadt und Camin gewinnen.

Auf die geringen außenpolitischen Erfolge reagierte der junge Kurfürst mit der energischen Reform der inneren Verfassung der Mark und der Errichtung eines stehenden Heeres, das er aus den Erträgen der Domänen und der geordneten Steuern unterhalten konnte. Er begann mit 4000 Mann im Jahr 1644; zwei Jahre später waren es 7800; 1659 zählte das Heer 15000 Mann und gegen Ende seiner Regierungszeit (1686) umfaßte das stehende Heer des Kurfürstentums 30000 Mann, für die im Todesjahr 1688 1,6 Millionen Taler von den 2,5 Millionen Staatseinnahmen aufgewendet wurden.

Doch zunächst mußte der Kurfürst noch im Schlepp der mächtigeren Schweden verbleiben und wurde in den auch Zweiten Schwedisch-Polnischen Krieg genannten Zweiten Nordischen Krieg (1655–1661) an der Seite Schwedens hineingezogen. Aufgrund der Tatsache, daß sich die brandenburgischen Soldaten während des Krieges bewährten und die Schweden angesichts der nachdrücklichen Kampfbereitschaft der Polen auf die Hilfe des Kurfürsten nicht verzichten konnten, erhielt dieser als Gegenleistung von den Schweden am 20. November 1656 im Vertrag von Labiau die Souveränität über das Herzogtum Preußen. Als sich dann der schwedische König nicht an diese Vereinbarung halten wollte, wechselte Friedrich Wilhelm an die Seite der Polen, die ihm im Vertrag von Wehlau am 19. September 1657 ihrerseits die Souveränität als Herzog von Preußen zusprachen, was schließlich im Frieden von Oliva am 3. Mai 1660 von allen beteiligten Mächten und auch von Kaiser Leopold I. bestätigt wurde. Das war die Geburtsstunde Brandenburg-Preußens.

Mit dem Frieden von Oliva begann das Friedenswerk des Kurfürsten im Inneren. Er setzte neue Steuern durch, mit denen er nicht nur das Heer weiter vergrößern, sondern auch Kultur und Wissenschaften fördern konnte. Er ließ Einwanderer ins Land und erschloß die Infrastruktur durch neue Straßen und Brücken, durch den Bau des Friedrich-Wilhelm-Kanals, welcher Oder, Spree, Havel und Elbe verbindet, sowie durch ein einheitliches Postwesen. Er versuchte sogar, mit Hilfe des Aufbaus einer kleinen Flotte und der Gründung einer Brandenburgisch-Afrikanischen Companie sich in Übersee zu betätigen, was aber unter seinem Nachfolger bald aufgegeben wurde.

Die außenpolitischen Ereignisse drängten dem Kurfürsten weitere militärische Aktionen auf, denn in Frankreich begann Ludwig XIV. ab 1658 seine aggressive, auf Machterweiterung abzielende Politik, in die auch Brandenburg verwickelt wurde. Friedrich Wilhelm hatte in all diesen Wirren das Ziel, den Schweden Vorpommern zu entreißen. Am 28. Juni 1675 errang er mit 6000 brandenburgischen Reitern bei Fehrbellin einen Sieg über fast 11000 Schweden, woraufhin er „Der Große Kurfürst“ genannt wurde. Nach der Eroberung fast aller schwedischen Garnisonen in Pommern, der Kapitulation der schwedischen Besatzung von Stettin am 26. Dezember 1677 und der bravourösen Schlittenfahrt über das zugefrorene Kurische Haff im Januar 1679, aufgrund derer er die Schweden nach Livland zurückwerfen konnte, sah sich der Kurfürst am Ziel seiner Wünsche – und wurde im Frieden von St. Germain am 29. Juni 1679 um die Früchte seiner Siege betrogen. Alle anderen kriegführenden Mächte widersetzten sich nämlich der Vergrößerung des aufstrebenden jungen Staates, so daß die Schweden alle durch Kampf verlorenen Besitzungen durch Diplomatie zurückbekamen.

Enttäuscht darüber, daß ihn seine niederländischen und österreichischen Verbündeten im Stich gelassen hatten, wandte sich Fried­rich Wilhelm konsequent von den Niederlanden und den Österreichern ab und Frankreich zu, nahm eine Jahrespension von 100000 Livres von Ludwig XIV. an und begünstigte durch sein Verhalten die Ausbreitung Frankreichs im Elsaß und 1681 die Besetzung der Freien Reichsstadt Straßburg. Er hatte eben nur noch den brandenburgischen Vorteil im Sinn, insbesondere auch deswegen, weil Wien sich inzwischen die schlesischen Fürstentümer Liegnitz, Brieg und Wohlau angeeignet hatte, die – ähnlich wie bei Pommern – aufgrund eines Erbvertrags nach dem Aussterben des dortigen Fürsten an Brandenburg hätten fallen müssen. Eine Annektion, die sich 1740 durch den Einmarsch Friedrich II. in Schlesien bitter rächen sollte.

Neben dem stehenden Heer fungierte die religiöse Toleranz als Stütze der politischen Herrschaft. Am 16. September 1664 erließ der Kurfürst ein Toleranzedikt, das nach seinem Dafürhalten die Streitigkeiten zwischen den Gläubigen aller christlichen Religionen in Brandenburg-Preußen beenden sollte. Sein Bemühen – er selbst war wie das Herrscherhaus seit 1613 reformierten Bekenntnisses – stieß aber insbesondere bei den orthodoxen Lutheranern auf engstirnige Verbohrtheit, die Friedrich Wilhelm schließlich auch dem durch seine geistlichen Lieder bekannten Prediger Paul Gerhardt nicht mehr durchgehen ließ.

Der Höhepunkt der Toleranzpolitik des Großen Kurfürsten war das Edikt von Potsdam vom 8. November 1685. Ludwig XIV. hatte das seit dem 13. April 1598 bestehende Edikt von Nantes, das den Protestanten in Frankreich die Ausübung ihres Glaubens gewährleistete, am 18. Oktober 1685 widerrufen. Die prompte Antwort des Brandenburgers zog fast 20000 Hugenotten nach Berlin und in die Mark. Dadurch wurde die Wirtschaftskraft des Landes ungemein gestärkt, und das kulturelle Leben empfing viele wertvolle Impulse.

Im privaten Bereich hatte Kurfürst Friedrich Wilhelm I. das damals sehr seltene Glück, zwei gute Ehen führen zu können. Nach dem Tode seiner ersten Ehefrau heiratete er 1668 die begüterte Herzogin von Lüneburg, eine geborene Prinzessin von Holstein-Glücksburg, mit der er nochmals sieben Kinder hatte. Er starb am 9. Mai 1688.

Foto: Starb vor 320 Jahren: Der Große Kurfürst, Friedrich Wilhelm I.


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