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03.05.08 / »Was darf ich hoffen?« / Immanuel Kant prägte die 42. Preußische Tafelrunde 

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-08 vom 03. Mai 2008

»Was darf ich hoffen?«
Immanuel Kant prägte die 42. Preußische Tafelrunde 

Zur diesjährigen 42. Preußischen Tafelrunde waren wieder zahlreiche Besucher, zum Teil von auswärts angereist. Referent des Abends war Dr. Hans-Werner Rautenberg. Historiker beim Herder-Institut, Marburg. Er sprach über das Thema: Immanuel Kant (1724 -1804) Persönlichkeit und Wirkungsgeschichte. Die Zusammenarbeit mit der Musikschule Heppenheim bewährte sich diesmal wieder aufs Neue, indem die musikalische Umrahmung des Abends von den jungen Musikern Charlotte Freiberger und Jan Rink in großartiger Weise gestaltet wurde. Vorher begrüßte Hans-Ulrich Karalus, jetzt Ehrenvorsitzender der Gruppe, die Gäste. Er ging dabei auf die Hintergründe der Namensgebung „Preußische Tafelrunde“ ein und gab einen kurzen Abriß davon, was mit dem Begriff „Preußen“ von dessen Herkunft, aber auch dessen Wirkung im Laufe der Geschichte zu verbinden ist. Dabei stellte er die Frage: Hat die „Preußische Tafelrunde“ noch eine Daseinsberechtigung? Er zeigte kurz auf, daß gerade im Preußischen Staat (Friedrich der Große) Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Andersglaubenden in einem besonderen Maße praktiziert wurde. Dies hat nach seiner Ansicht für uns heute im europäischen Zusammenleben eine neue Aktualität. Preußische Gelehrte wie Kant, Hamann oder Herder genossen und genießen heute noch hohes Ansehen weit über die Grenzen ihres Vaterlandes hinaus. Wenn heute ein neues Denken, ein Aufbruch in Richtung Europa vom ehemaligen Ostpreußen, dem heutigen Kaliningrader Gebiet ausgehe, so stehe diese Bewegung letztlich in einer langen historischen Tradition, die bis auf die Denker der Aufklärung zurückgehe. Er berichtet von seinen umfangreichen Kontakten zu Menschen aus allen Bevölkerungskreisen im Königsberger Gebiet – zu Vertriebenen, Rußlanddeutschen, zu Kirchen, die neu aufgebaut wurden und Personen aus Wirtschaft und Politik. Auf seine Initiative hin kamen gegenseitige Besuche, Kontakte und Vereinbarungen zustande. nicht zuletzt auch mit hessischen Politikern von Land, Kreis und Stadt – bis hin zu dem Kooperationsvertrag Kreis Bergstraße – Kreis Labiau im August 2007, der nun ab diesem Jahr von beiden Seiten mit Leben erfüllt werden soll. Das anschließende umfangreiche Referat von Dr. Rautenberg über Immanuel Kant erläuterte dessen Persönlichkeit, Herkunft und Werdegang und seine weiterwirkende Bedeutung, die vor allem auch im heutigen russischen und polnischen Bevölkerungsteil des historischen Ostpreußens ungeschmälert ist. Mit großer Pietät haben russische Wissenschaftler das Andenken dieses Denkers in Ehren gehalten – schon zur Sowjetzeit. Aber auch heute noch werden die Besuchergruppen an das Grab Immanuel Kants am Dom zu Königsberg geführt.

Der Referent warf die Frage auf: „Wie steht es denn hierzulande um das Erbe Kants?“ Der unspektakuläre Lebensgang des Philosophen, der in Königsberg geboren und auch dort gestorben ist, bot Anlaß zu manchen abschätzigen Bemerkungen einiger späteren Biographien. Und doch haben seine Gedanken die geistige Welt des Abendlandes bewegt und geprägt. Im Jahre 1781 erschien sein großes Werk: „Kritik des reinen Vernunft“. In ihr stellte er die erste von drei Fragen von so grundsätzlicher Bedeutung, daß sie bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren haben: „Was kann ich wissen?“, „Was soll ich tun?“, „Was darf ich hoffen?“. Kant fragte danach, wo die Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens liegen. Er fand, wenn Gewißheit offensichtlich nicht vom Gegenstand des Beobachteten zu erlangen ist, dann müsse man sie (gewissermaßen als Serienausstattung jedes Menschen) im Beobachter selbst suchen. „Der Verstand schöpft seine Gesetze (vor aller Erfahrung) nicht aus der Natur, sondern schreibt sie dieser vor“. Folglich ist auch Gott für den Menschen „nicht erkennbar“ oder beweisbar, sondern allein im Innern jedes Menschen aufgrund seiner Ausstattung mit dem „moralischen Gesetz“ in Gestalt des einem jeden innewohnenden Gewissens erfahrbar. 1788 entstand das Werk: „Kritik der praktischen Vernunft“, 1790 der „Kritik der Urteilskraft“.

Für Kant gilt: Selbst oder gerade, wenn die Existenz (aber auch die Nichtexistenz) Gottes und die Unsterblichkeit der Seele nicht beweisbar sind, sind sie doch „begründete Wirklichkeit“ für die moralische Welt und damit für das sittliche Handeln.

Sein „Kategorischer Imperativ“ lautet: „Handle so, daß die Maxime deines Handelns jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne“. Das bedeutet nichts anderes, als daß kein Mensch einen andern Menschen in seiner moralisch-personalen Würde mißachten dürfe, oder wie es unser Grundgesetz in seinem ersten Artikel formuliert: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, womit er Kant’sches Gedankengut unmittelbar aufnimmt. Das heißt in Konsequenz: Mögliche Konflikte regeln Gesetze, an die sich alle Bürger, auch die mächtigsten, halten müssen.

Zu einem wahrhaft freien Menschen gehört für Kant aber, daß er allein den Gesetzen seines Verstandes folgt. Hier trifft die Aufforderung „Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“. Das bedeutet aber auch, den Widerspruch eines anderen zu tolerieren – wenn dieser sich wirklich „seines eigenen Verstandes“ bedient.

Was aber das Verhalten jedes Individuums seinem Mitmenschen gegenüber bestimmen sollte, gilt in Kants Augen auch für das Verhältnis der Völker untereinander. 1795: seine „Schrift zum ewigen Frieden“. Von diesem philosophischen Entwurf führt eine direkte Linie zu den Vereinten Nationen unserer Tage. 200 Jahre nach seinem Tod gehört Immanuel Kant sicher, wenn man so will: „Zum Weltulturerbe“.

Der Abend klang aus mit den Dankesworten der Vorsitzenden der Landsmannschaft der Ostseedeutschen, Brigitte Sattler, an den Referenten und auch an das Publikum.                EB


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