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03.05.08 / Niederlage, Befreiung – oder beides? / Deutsche Erinnerungskultur: Der 8. Mai im Wandel der Zeiten und der Systeme

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-08 vom 03. Mai 2008

Niederlage, Befreiung – oder beides?
Deutsche Erinnerungskultur: Der 8. Mai im Wandel der Zeiten und der Systeme

Der 8. Mai – Tag der Niederlage oder der Befreiung? In den Anfangsjahren der beiden so unterschiedlichen Republiken auf deutschem Boden war die Erinnerung an Krieg, Nationalsozialismus und das Ende von beidem, festgemacht am Jahrestag der Kapitulation der Wehrmacht, vielschichtig. Gegenwart und Vergangenheit waren noch zu nahe aneinander, als daß die feinen Nuancierungen sich schon verwischt hätten. Die Zwischentöne wurden noch wahrgenommen, man war noch nicht zur Schwarz-weiß-Malerei übergegangen.

Im Westen änderte sich das erst mit der (Un-)Kultur der 68er; im Ostteil Restdeutschlands wurde es schon viel früher von Staats wegen geändert. Der verordnete Antifaschismus duldete nur ein Geschichtsbild: Hitler-Deutschland (ein anderes gab es nicht) war befreit worden und hatte dafür auf ewig dankbar zu sein – zuvorderst natürlich den sozialistischen Brüdern.

Erstaunlich: Je näher der Untergang der DDR und ihrer verlogene Staatsraison heranrückte, umso stärker verengte sich im Westen der Blick zurück. Als Richard von Weizsäcker 1985 seine Rede zum 8. Mai hielt, als wenig später der Historikerstreit die Gemüter bewegte – fast hatte man da das Gefühl, der Westen wolle die DDR noch zu deren Lebzeiten geistig beerben. Eine solche Rede, eine Diffamierungsschau wie die der Herren Heer und Reemtsma, ein Urteil wie das „Soldaten sind Mörder“ unseres höchsten Gerichts – in der Bundesrepublik der 50er und frühen 60er Jahre undenkbar.

Wie anders als Weizsäcker anno ‘85 klangen 20 Jahre zuvor die Worte Heinrich Lübkes: „Kürzlich erreichte mich der Brief einer Frau, die mir schrieb, daß ihr Sohn Anfang 1945 im Osten vermißt gemeldet wurde. Die Ungewißheit und der Schmerz, die seither auf ihr lasteten, seien um so schwerer zu ertragen, je mehr von den Naziverbrechen die Rede wäre. Deshalb müsse man jetzt damit Schluß machen … Wer versteht nicht das Leid dieser Mutter – wer von uns könnte es nicht aus eigenem Erleben nachempfinden? Es gibt wohl kaum eine Familie, die im Krieg nicht einen Sohn, Vater, Bruder oder Freund an einer der zahlreichen Fronten verloren hat, oder die nicht um einen Angehörigen trauert, der sein Leben im Bombenhagel ließ. Aber retten wir die Ehre dieser Millionen Toten, wenn wir schweigen? Haben wir nicht die Pflicht, um ihres Ansehens willen der Welt in aller Deutlichkeit zu sagen, daß sie keinen Anteil hatten an den Schandtaten und der Schuld jener, die die Mordbefehle erließen und durchführten? Auch das gehört zu der Perfidie des nationalsozialistischen Regimes, daß es den Soldaten, die draußen im Felde standen, in den Rücken fiel … Deshalb sind wir es gerade dem Andenken an unsere Gefallenen, Vermißten und an die im Bombenkrieg ums Leben gekommenen schuldig, daß wir uns schützend vor sie stellen, weil sie nichts gemein hatten mit den Verbrechern, die unser Vaterland und ungezählte Menschen ins Elend stürzten.“ Für Lübke – wie für Adenauer, Heuss oder Schumacher – wäre es auch unvorstellbar gewesen, daß man seit nunmehr 63 Jahren den Überlebenden der 15 Millionen vertriebenen Deutschen ein würdevolles Erinnern an ihr Schicksal und an ihre geraubte Heimat verwehrt hat – ein Grund mehr gerade für diese Menschen, den 8. Mai nicht als Tag der Befreiung zu feiern.            H.J.M.


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