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10.05.08 / Zögerliche Selbstkritik / Richtungswahl der deutschen Volksgruppe im Oppelner Schlesien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-08 vom 10. Mai 2008

Zögerliche Selbstkritik
Richtungswahl der deutschen Volksgruppe im Oppelner Schlesien
von Martin Schmidt

Die deutsche Minderheit ist kein Wirtschaftsunternehmen, sondern eine Kulturgemeinschaft.“ Diese Kritik Christoph Bergners, des am 26. April aus Berlin ins schlesische Oberglogau angereisten Bundesbeauftragten für Aussiedler- und Minderheitenfragen, fiel ungewöhnlich deutlich aus und beruht auf genauer Kenntnis der Verhältnisse. Die XIX. Jahresversammlung der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien (SKGD) stand angesichts der wenig erfreulichen Situation der heimatverbliebenen Deutschen in dieser polnischen Woiwodschaft unter den Vorzeichen zögerlicher Selbstkritik und erster grundlegender Veränderungsbemühungen.

Belief sich die Mitgliederzahl des organisatorischen Arms der Volksgruppe in ihrem wichtigsten Siedlungsraum in Schlesien kurz nach der Wende auf annähernd 200000 Personen, so liegt sie heute bei höchstens 45000. Fortschreitendende Polonisierung und Konsumdenken prägen das Bild, während die seit 1991 von Henryk Kroll geführten SKGD-Funktionäre im wesentlichen mit der Verwaltung überkommener Strukturen und den in der Vergangenheit reichlich fließenden Fördermitteln aus Berlin beschäftigt waren. Autoritär vertretene Eigeninteressen und kleingeistiges Parteidenken standen im Vordergrund, nicht das Bemühen, an die Aufbruchsstimmung der Wendezeit anzuknüpfen und die Volksgruppe durch Erfolge bei der Einrichtung bilingualer Schulen oder der Aufstellung zweisprachiger Ortsschilder selbstbewußt in die Zukunft zu führen.

Die örtlichen Deutschen Freundschaftskreise (DFKs) überaltern zusehends, viele existieren nur noch auf dem Papier. Statt der acht Parlamentsabgeordneten von 1991 sitzt heute bloß ein einziger Vertreter im Warschauer Sejm, und die Umsetzung des vor genau drei Jahren in Kraft getretenen polnischen Minderheitengesetzes stockt. Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, daß der Umfang des Deutschunterrichts an den Schulen der Region seit Jahren rückläufig ist. Andererseits gibt es noch immer ein vielfältiges deutsches Vereinswesen mit Chören, Orchestern, Kindervolkstanzgruppen sowie mit der seit 2001 in St. Annaberg erscheinenden Zeitschrift „Oberschlesien“, ein unabhängiges deutschsprachiges Presseorgan. Dieses hatte Mitte April durch die Veröffentlichung eines Offenen Briefes dreier junger DFK-Aktivistinnen an den SKGD-Vorstand für Wirbel gesorgt. Angesichts der Abwärtsentwicklung des erstarrten Minderheitenverbandes und interner Demokratiemängel mahnten sie: „Wenn wir keine Kraft für grundlegende, heilende Reformen finden werden, ist es nicht schwer vorauszusehen, wann unsere Organisation endgültig zu bestehen aufhören wird.“

Die Kür des Oppelner SKGD-Vorsitzenden auf der Bezirksversammlung in Oberglogau kam vor diesem Hintergrund einer Richtungswahl gleich. Der unerwartete Erfolg des 37jährigen Proskauer Lokalpolitikers Norbert Rasch gegen den vom zurückgetretenen Kroll ins Rennen geschickten (fast nur polnischsprachigen) Sejmabgeordneten Ryszard Galla unterstreicht den Willen einer Gruppe Delegierter. Der studierte Germanist und zweifache Familienvater Rasch kündigte in einer Mischung aus Deutsch und Wasserpolnisch an, er wolle mit einer Hinwendung zu den DFKs und zur deutschen Bildungs- und Vereinsarbeit neue Schwerpunkte setzen. An die Stelle des bisherigen Vorstandsmitglieds und neuen SKGD-Chefs Rasch rückte ausgerechnet dessen Amtsvorgänger nach: Henryk Kroll.


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