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10.05.08 / Halber Sieg und ganze Blamage / EU und Serbien: Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen in Luxemburg unterzeichnet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-08 vom 10. Mai 2008

Halber Sieg und ganze Blamage
EU und Serbien: Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen in Luxemburg unterzeichnet
von Wolf Oschlies

Das ist Patriotismus, so wird für Serbien gearbeitet, so bleibt das Kosovo serbisch“, jubelte Serbiens Staatspräsident Boris Tadic, nachdem sein Land am 29. April in Luxemburg ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit der EU signiert hatte. 200000 neue Arbeitsplätze, Handels- und Visaerleichterungen und eine Bestätigung der UN-Resolution 1244, die das Kosovo als Teil Serbiens definiert, erwartet Tadic, und 66 Prozent aller Serben teilen laut Umfragen seinen Optimismus. Ein „großer Tag für Serbien wie für die EU“ sei es gewesen, hieß es unisono bei allen Beteiligten. Wie zur Bestätigung unterschrieb der italienische Fiat-Konzern am 30. April eine Mehrheitsbeteiligung am serbischen Zastava-Werk, die Serbien 1,2 Milliarden Euro Investitionen und 10000 neue Arbeitsplätze einbringen wird. 

Der 29. April war vor allem Tag der Phrasen, an welchem viel von „europäischer Perspektive“, „geöffneten EU-Toren“ etc. die Rede war. Tatsächlich geht das EU-Prestige auf dem Balkan gegen Null. Natürlich möchte man Mitglied werden, um die ökonomischen Möglichkeiten und finanziellen Hilfen der EU zu bekommen, betrachtet sie aber generell als Heuchlerin: Länder, die bereits ein SAA mit ihr haben – Mazedonien 2001, Kroatien 2003 –, warten vergeblich auf Beitrittsverhandlungen. Die EU kann keine neuen Mitglieder gebrauchen, da sie mit ihren jetzigen 27 längst überfordert ist, mag das aber nicht offen sagen und versteckt sich hinter stets neuen Auflagen. Das wird Bosnien erfahren, wenn es Ende Mai ein SAA unterzeichnet, und Serbien erfährt es derzeit. Dort ist die EU besonders unpopulär, da ihr Beauftragter für Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, 1999 Generalsekretär der Nato war, als deren Bomber Serbien zerstörten.       

Zweieinhalb Jahre haben Serbien und die EU um das SAA verhandelt, Anfang November 2007 wurde es paraphiert, Ende Januar 2008 wollte man es unterschreiben, was ein Einspruch der Niederlande verhinderte. Jetzt wurde ein unveränderter Vertrags-text signiert und im selben Moment außer Kraft gesetzt: Erst wenn die EU Serbien völlige Kooperation mit dem Haager Kriegsverbrecher-Tribunal bescheinigt und Serbien General Ratko Mladic ausliefert, sollen das Abkommen und ein Handelsvertrag umgesetzt werden. Nur mit diesem unsinnigen Trick war die Zustimmung Belgiens und der Niederlande zu einem „Vertrag“ zu erlangen, den Brüssel unbedingt wollte. Anfang März war die Koalitionsregierung aus Kostunicas Demokratischer Partei Serbiens und Tadics Demokratischer Partei zerbrochen. Premier Kostunica forderte eine harte Haltung gegen die 17 EU-Mitglieder, die die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt hatten. Damit kam er nicht durch, folglich wird es am 11. Mai vorgezogene Neuwahlen geben, bei denen Kostunica im Bündnis mit den Radikalen unter Nikolic gegen die „Europäer“ unter Tadic siegen könnte. Diesen Rückschlag will die EU verhindern. Kann sie es? Der Luxemburger Vertragsabschluß, den die EU nicht ratifizieren und nicht implementieren will, könnte die serbischen Wähler Kostunica und Nikolic in die Arme treiben, wenn es Tadic und anderen „Europäern“ nicht gelingt, ihm ein positives Image zu verleihen.

Am 2. Mai erschienen auf Belgrader Straßen Bilder von Tadic und Vizepremier Djelic, der in Luxemburg für Serbien unterschrieben hatte, auf denen sie als „Staatsfeinde“ denunziert wurden. Das ist die Taktik Kostunicas, der im Falle seines Sieges das Abkommen annullieren und dessen Signatare vor Gericht stellen will. Für ihn ist das Abkommen ein „Betrugsversuch“, ein Verzicht auf das Kosovo, ein Dokument mit „Judas-Siegel“.

Tadic hat die Wahl zum „Referendum für Europa“ erklärt. Europa ist nicht die EU, deren Blamagen Belgrad interessiert verfolgt: Die EU-eigene Eulex-Mission wird nie im Kosovo eintreffen, da UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ihr ein Mandat verweigert. Damit bleibt das Kosovo unter UN-Verwaltung, und nur darum hat der jetzige Luxemburger Vertrag dort keine Gültigkeit, nicht aber wegen kosovarischer „Unabhängigkeit“. Goran Svilanovic, Ex-Außenminister und gegenwärtiger Regionalchef des Stabilitätspakts für Südosteuropa, plädiert dafür, das Verhältnis zur EU nüchtern zu betrachten: Das neue Abkommen ist eine Formalisierung bereits bestehender Beziehungen, seine Implementierung ist unerheblich, da sie keine zusätzlichen Erleichterungen und Finanzhilfen zu denen brächte, die Serbien bereits genießt. Die Drohung mit dem Haager Tribunal ist nur für den niederländischen „Hausgebrauch“ gemacht und betrifft Serbien im Grunde nicht. Der Haager Chefankläger Serge Brammertz wird zwar zum obersten Sittenrichter Serbiens stilisiert, aber das kann Serbien angesichts von dessen Sorgen mit alt-neuen Verfahren gegen UCK-Terroristen wie Ramush Haradinai herzlich egal sein.

In Sachen Kosovo möchte Premier Kostunica sozusagen mit einer balkanischen Hallstein-Doktrin gegenhalten und die Beziehungen zu jedem Land abbrechen, das die Unabhängigkeit anerkennt. Tadic und die Seinen votieren zwar auch für einen Verbleib des Kosovo bei Serbien, sehen aber, daß zehn von 27 EU-Mitgliedern das „unabhängige“ Kosovo nicht anerkannten und die EU kein Faktor in dieser Frage ist. Wenn sie einen Vertrag signieren läßt, der vor Verkündung der Unabhängigkeit aufgesetzt wurde, dann bekennt sie sich zur weiteren Geltung der Resolution 1244 und macht etwaige Anerkennungen von einzelnen Mitgliedern bedeutungslos. Womit das blamable Chaos komplett ist – mit dem Wolfram Maas, deutscher Botschafter in Belgrad, „keine Probleme“ hat: Deutschland hat zwar das „unabhängige“ Kosovo anerkannt, sich aber „stets für die Resolution 1244 eingesetzt“ und wird den Vertrag mit Serbien ratifizieren. Das verstehe, wer kann.


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