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10.05.08 / Auf der Suche nach dem Glück / Eine Ausstellung im Dresdener Deutschen Hygiene-Museum beleuchtet das Thema von verschiedenen Seiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-08 vom 10. Mai 2008

Auf der Suche nach dem Glück
Eine Ausstellung im Dresdener Deutschen Hygiene-Museum beleuchtet das Thema von verschiedenen Seiten
von Caroline v. Keudell

Was ist Glück? Dieses Thema wird zur Zeit im Dresdener Hygiene-Museum in einer Sonderausstellung behandelt (bis 2. November). Daß auf eine derartige Frage nicht so schnell eine Antwort gefunden werden kann, weiß jeder, der schon einmal über das Glück nachgedacht hat. Denn Glück hat viel mit Subjektivität, eigenen Vorstellungen und Lebensentwürfen zu tun. Das war auch den Ausstellungsgestaltern klar, und so werden verschiedene Facetten und Variationen zum Thema Glück gezeigt.

Eingeleitet wird die Schau mit Exponaten zum Themengebiet Liebe. Während ein kleiner Pavillon, dessen Fußboden mit Liebesbriefen beschrieben ist, die romantische Liebe assoziiert, spielen andere Exponate auf die Sexualität an. Leider ist hier der Schwerpunkt zu stark auf die sinnlich-erotische Liebe gelegt worden. Und wie so oft bei modernen Inszenierungen wird dieses Thema so aufdringlich in den Blick gerückt, daß man bereits zu Beginn mit dem Gefühl des Überdrusses zu kämpfen hat.

Interessanterweise wird das Motiv der Liebe in keinen weiteren Zusammenhang gesetzt, weder werden Freundschaften noch Familienbande angesprochen. Dabei wünscht sich jeder Mensch Liebe und braucht sie zu seinem Glück. Wie wichtig gerade auch die festen, Stabilität gewährenden Bindungen für Menschen sind, geht aus unzähligen Umfragen hervor. So gaben viele Besucher der Ausstellung an, daß für sie die Familie oder Freundschaften ein großes Glück bedeuteten. Daß dies gänzlich ausgeklammert wurde, ist ein Defizit der Ausstellung.

Um von der Liebe als wichtigem Bestandteil des Glücks ausgehend die Brücke zu einer überirdischen Dimension zu schlagen, werden die großen Weltreligionen ins Blickfeld gerückt. Der Laie wird allerdings verständnislos an den Buddhastatuen, Amuletten und den biblischen Seligpreisungen, die über einen kleinen Bildschirm flimmern, vorübergehen. Es wird nämlich nicht deutlich gemacht, daß gerade die spirituellen Erfahrungen es dem Menschen ermöglichen, Glück außerhalb des begrenzten Raumes seiner materiellen Bedürfnisse zu finden.

Von der Religion wegführend, gelangt man wieder zu den ganz profanen Dingen des Lebens: Gezeigt wird ein Büfett mit zahlreichen kulinarischen Genüssen, die als Luxusgüter gelten, wie beispielsweise Kaviar und Champagner. Inspiriert wurde dieser Raum von der märchenhaften Idee des „Schlaraffenlandes“, in welchem einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen.

Essen ist eine Lebensbedingung, köstliches Essen ist ein Genuß. In den meisten Kulturen hat das Essen in seiner gesellschaftlich-sozialen Funktion eine wichtige Bedeutung. Doch auch der schöne Traum vom Schlaraffenland kann nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß man das köstlichste Essen irgendwann im wahrsten Sinne des Wortes satt hat.

Weitere Themengebiete der Ausstellung beschäftigen sich mit Extremsportarten, die den „Kick“ geben und damit zu Glück führen sollen. Des weiteren geht es um den Körperkult, der im Dienst der Schönheit steht und damit glück-verheißend erscheint. Ausgehend von der These, daß schöne Menschen glücklicher seien als ihre nicht ganz so schönen Zeitgenossen, werden Schönheitsideale verschiedener Epochen gezeigt. Indem ein sich durch die Zeiten wandelndes Schönheitsbild vor Augen geführt wird, gelingt es, die Fragwürdigkeit einer Festlegung von Schönheit offenzulegen. Da auch der menschliche Alterungsprozeß ins Visier genommen wird, erweist sich Schönheit letztlich als kein Garant für ein dauerhaftes Glück. Die differenzierte Sichtweise bei diesem Schwerpunkt ist wohltuend, gerade auch vor dem Hintergrund, daß viele Schulklassen durch diese Ausstellung geführt werden.

Besonders aufschlußreich ist das Themengebiet, welches sich mit den neurologischen Gegebenheiten unseres Gehirnes beschäftigt. Anhand von sichtbar gemachten Gehirnströmen können die Besucher die Zentren des Gehirns erkennen, welche bei Glücksempfindungen aktiviert werden. Und ganz besonders interessant ist die wissenschaftliche Erkenntnis, daß unser Gehirn nicht auf eine dauerhafte Glücksempfindung hin programmiert ist. Das permanente Bemühen, Glücksmomente zu erleben, macht nämlich süchtig und führt geradewegs in die Abhängigkeit hinein. Der Mißbrauch von Genußmitteln oder gar Drogen zeigt, wohin die Jagd nach Glück im Extremfall führen kann. So bleibt die Frage nach dem Glück offen und kann wohl nur individuell beantwortet werden. Glück wird nämlich als ein Lebensgefühl definiert, in welchem der Mensch mit sich und seiner Situation einig ist und von einem Gefühl der Erfülltheit getragen ist. Daß sich ein Gefühl des Erfülltseins und der Erfülltheit nicht mit materiellem Gut allein erreichen läßt, ist eine Binsenweisheit. Besonders deutlich wird uns dies in dem weisen Märchen von „Hans im Glück“ vor Augen geführt, auf welches in der Ausstellung auch angespielt wird. Hans, der von seinem Lehrherren einen Goldklumpen bekommt und nach Hause ziehen darf, tauscht seinen Lohn gegen vielerlei andere Dinge ein, bis er am Ende mit leeren Händen dasteht. Doch ist er darüber alles andere als unglücklich, denn in entscheidenden Momenten wurde ihm sein Besitz zur Last. So ist er am Ende überglücklich, aller Lasten ledig zu sein und kehrt fröhlich nach Hause zurück. Dieses Märchen kann uns also einiges lehren: In erster Linie nämlich, daß das Glück des Märchenhelden gänzlich unabhängig von jedwedem Besitz ist.

Es ist allerdings schade, daß – nach Aussage einer Museumspädagogin – die meisten Schulklassen, die durch die Ausstellung geführt werden, dieses Märchen gar nicht mehr kennen. So verklingt seine Botschaft zu oft ungehört. Um die leisen und tiefgehenden Hinweise innerhalb der Ausstellung erkennen zu können, darf man sich seine Aufmerksamkeit nicht durch zum Teil sehr plakative Inszenierungen rauben lassen. Eine klare Trennung zwischen Spaß und Glück hätte das Verständnis erleichtert. Doch trotz einiger Schwachstellen wird der aufmerksame Besucher durchaus angeregt, sich gedanklich auf die Suche nach dem Glück zu begeben.

Foto: Motiv des Ausstellungsplakats: Das französische Sprichwort: „J´aime la rose mais je crains ses épines" (Ich liebe die Rose, fürchte aber ihre Dornen) hat Meschac Gaba, den künstlerischen Leiter der Ausstellung, inspiriert. Er kombiniert die Rose und ihre Dornen mit dem menschlichen Gehirn, in dessen Belohnungszentrum die Hirnforscher den Sitz unseres Glücksempfindens lokalisieren.


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