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10.05.08 / Am Wasser gebaut / Ein Streifzug durch Havelland und Fläming

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-08 vom 10. Mai 2008

Am Wasser gebaut
Ein Streifzug durch Havelland und Fläming
von Uta Buhr

Ein Frühlingstag wie aus dem Bilderbuch! Die Morgensonne malt goldene Kringel auf das schwarz schimmernde Wasser der Havel. Die Obstbäume rechts und links des Ufers stehen in voller Blüte. Sanft gleitet der Ausflugsdampfer vorbei an Schlössern und Herrenhäusern. „Wir befinden uns mitten im Obstgarten der Mark Brandenburg“, erklärt Tante Luise, die ihre Jugend im Havelland verbrachte, nach 1945 in den Westen flüchtete und sich freut, ihr „verlorenes Paradies“ wiedergefunden zu haben. Während unserer Flußfahrt vorbei an tiefen Wäldern, Stränden, Moorlandschaften und idyllischen Ortschaften stimmt die rüstige 80jährige uns ein in die Geschichte Brandenburgs. Gerade passieren wir Werder, die romantische Inselstadt. Durch einen Vorhang aus Schilf lugt ein spitzer Kirchturm und, halb verborgen hinter hohen Bäumen, eine alte Windmühle hervor. In Paretz im Göttinsee gilt es Schloß Paretz zu besuchen. „Hier baute im 19. Jahrhundert Kronprinz Friedrich Wilhelm für sich und die frisch mit ihm vermählte Luise ein Nest“, sagt Tante Luise, „denn ein Schloß ist dieser eher bescheidene Bau nicht gerade. Aber ihr wißt ja, wie bescheiden wir Preußen immer waren.“

Ein Rundgang durch die mit schönen Möbeln und Grafiken ausgestatteten Räume lohnt ebenso wie der Besuch der Dorfkirche, in der ein von Meister Schadow geschaffenes Tonrelief der späteren Königin Luise zu besichtigen ist. Wer im Havelland weilt, kommt am Gut Ribbeck nicht vorbei! Mit großer Begeisterung hatten wir das Gedicht Theodor Fontanes über den großherzigen Herrn von Ribbeck einst auswendig gelernt: „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum in seinem Garten stand …“ Und da stehen wir doch tatsächlich vor dem Gutshaus und sind einigermaßen entsetzt über seinen desolaten Zustand. Ein weiterer Wermutstropfen: Der Birnbaum auf dem Kirchhof ist gar nicht das Original. „Der echte Baum fiel Anfang des 20. Jahrhunderts einem Sturm zum Opfer“, bedauert die alte Frau auf der Parkbank.

Weiter geht es kreuz und quer durch das Land von Kloster Lehnin, dem ältesten Zisterzienserkloster Brandenburgs, über Rathenow mit seiner romanischen Stadtkirche mitten ins Herz von  Brandenburg an der Havel. Die „Wiege der Mark“ – die ehemalige hevellische Hauptfeste Brandenburg – wurde Anfang des 10. Jahrhunderts von König Heinrich I. erobert und mit der Stiftung des Bistums 948 erstmals urkundlich erwähnt. Der mittelalterliche Stadtkern besticht vor allem  durch das im Stil der Back-steingotik erbaute Altstädtische Rathaus, das von einer monumentalen Rolandsfigur bewacht wird, und den Dom St. Peter und Paul, dessen Fundamente aus dem späten 12. Jahrhundert stammen. Neben den Zeugen einer glor-

reichen Vergangenheit birgt die Stadt auch Erinnerungsstücke an die weniger ruhmreiche DDR-Zeit. Eine Privatinitiative machte die Gründung des pfiffigen Ostalgiemuseums in der Steinstraße 52 möglich, in dem volkseigene Plaste- und Elasteprodukte, Uniformen der NVA und anderer sozialistischer „Schrott“ ausgestellt sind, wie die Pennäler eines Berliner Gymnasiums treffend feststellen.

Auf zum Fläming, heißt es am nächsten Morgen. Tante Luise, unser unverzichtbarer „Cicerone“, kennt sich natürlich auch hier bestens aus. „Namengeber für diese herrliche Gegend waren die Flamen“, erklärt sie. Deutsche Herrscher schätzten deren Fleiß und Expertise in Handwerk und Ackerbau und luden sie bereits im 12. Jahrhundert ein, sich in den hiesigen Wald- und Feuchtgebieten anzusiedeln. Verträumte Dörfer und Weiler, Burgen und Kirchen aus rohem Stein prägen das Landschaftsbild ebenso wie schöne Städte und elegante Schlösser.

Ein gutes Beispiel ist Jüterburg mit seiner filigranen gotischen Nikolaikirche, in der einst Bauernführer Thomas Müntzer predigte. Kloster Zinna und das schmucke Luckenwalde im Landkreis Teltow-Fläming liegen ebenfalls auf unserer Route. Letzteres ist sowohl durch seine gotische Johanneskirche als die leckeren Teltower Rübchen bekannt geworden. Diese kamen in unserem Elternhaus regelmäßig auf den Tisch.

Gelegen im Windschatten Berlins, gilt der Landstrich heute als eine der erfolgreichsten Wirtschaftsregionen Deutschlands. „Als Forschungszentrum haben wir die Nase ganz vorn“, freut sich der Wirt eines Restaurants in Ludwigsfelde. Hochschulen und Universitäten sind nach dem Fall des Eisernen Vorhanges hier aus dem Boden geschossen wie Pilze. „Und bei uns in Ludwigsfelde haben hunderte von Großunternehmen Niederlassungen gegründet – unter anderem Daimler-Chrysler und Thyssen Umwelttechnik.“

Das Beste nach Ansicht vieler Bürger im und um den Ort aber ist die Kristalltherme, ein Freizeitparadies für die ganze Familie mit Thermalsolebecken, Unterwassermassage, Saunen, Dampfbad und großem Schwimmbecken.

Der „Hohe Fläming“, im Volksmund das „kleinste deutsche Mittelgebirge“, ist Naturpark und Naturereignis zugleich. Die höchste Erhebung mißt übrigens stolze 200 Meter!

Die vielen, verstreut herumliegenden Findlinge stammen noch aus der Eiszeit. „Seit über 150tausend Jahren lagern sie hier“, erzählt Tante Luise. „Und die Menschen früherer Epochen dachten natürlich, Riesen hätten sie auf ihren gewaltigen Schultern hergetragen.“ Enge, tief eingeschnittene Trockentäler, von den Einheimischen „Rummeln“ genannt, sind ebenfalls Wahrzeichen dieser bizarren Landschaft.

Am Ende einer langen Wanderung landen wir in Belzig, einem schnuckeligen Ort, der von der mächtigen Burg Eisenhardt dominiert wird. Nachdem wir uns  auf dem „Gutshof Glien“, einem klassizistischen

Kleinod mitten im Grünen, an Kaffee und Kuchen gestärkt und unsere kalten Hände am lodernden Kaminfeuer in der Halle gewärmt haben, ist es Zeit für neue Abenteuer. Das von einem lauschigen Landschaftsgarten umgebene Schloß Wiesenburg ist leider nur von außen zu besichtigen. Doch Rabenstein und Ziesar, zwei Trutzburgen aus ritterlicher Zeit, entschädigen mit  Rittersaal, Brunnen und fein ausgemalter Kapelle. Ein Blick vom Bergfried ins Tal, und schon sind wir wieder auf der Straße.

Die Uckermark, das Land der tausend Seen, ist unser nächstes Ziel. „Hier hat jeder seinen eigenen See vor der Haustür“, sagt Tante Luise.

Und dann schwärmt sie von Templin mit seinen vielen Türmen, der intakten mittelalterlichen Stadtmauer und dem anmutigen barocken Rathaus. In dieser schönen Stadt verbrachte  übrigens  unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Jugend. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.

Foto: Baufällig: Das 1821 erbaute Herrenhaus der Familie von Ribbeck soll saniert werden. Ab 2009 soll das alte Herrenhaus wieder nutzbar sein. Das 500-Seelen-Dorf ist bekannt durch Theodor Fontanes Gedicht „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum in seinem Garten stand ...“


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