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10.05.08 / Ungeliebt und schnell vergessen / Der Preußenkönig Friedrich Wilhelm II. galt als genußsüchtiger Lustmolch – Ist dieser Vorwurf berechtigt?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-08 vom 10. Mai 2008

Ungeliebt und schnell vergessen
Der Preußenkönig Friedrich Wilhelm II. galt als genußsüchtiger Lustmolch – Ist dieser Vorwurf berechtigt?
von Rebecca Bellano

Dick, dumm, faul und gefräßig, so wird Friedrich Wilhelm II., König von Preußen, häufig dargestellt. Die zahlreichen belegten Frauengeschichten, ja, sogar Bigamie, sind nicht dazu angetan, den Neffen und Nachfolger von Friedrich dem Großen in einem milderen Licht zu sehen. Zahlreiche schriftliche Dokumente beweisen, daß selbst im engsten Familienkreis nicht viel auf den Monarchen gegeben wurde. Für Friedrich II. war sein Neffe als Nachfolger nur ein notwendiges Übel, das er akzeptieren mußte, weil er selbst keine Kinder und somit keinen leiblichen Nachfolger hatte. Und auch der Nachfolger von Friedrich Wilhelm II., sein Sohn Friedrich Wilhelm III., der Gatte von Königin Luise, konnte seinem Vater weder Zuneigung noch Achtung entgegenbringen.

Dies versucht jetzt Brigitte Meier in ihrem Buch „Friedrich Wilhelm II. – König von Preußen – Ein Leben zwischen Rokoko und Revolution“ nachzuholen. Der Professorin an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt / Oder scheint es offenbar ein Herzensanliegen zu sein, Friedrich Wilhelm II. nachträglich zu rehabilitieren. Und dabei legt sie durchaus einige Argumente in die Waagschale, die wiederum den Vorgänger und den Nachfolger dieses Preußenkönigs vergleichsweise weniger glänzen lassen.

Brigitte Meier hat sich eine Aussage Goethes zur Grundlage ihrer historischen Arbeit genommen. Auch sie will in ihrer Biographie den beschriebenen Menschen in seinen Zeitverhältnissen darstellen. Und so verweist sie darauf, daß am preußischen Hof Friedrich II. ein absoluter Herrscher war. Seine Familie hatte sich seinen Anordnungen zu fügen, und so übertrug er seinem jüngeren Bruder August Wilhelm die Verantwortung, für einen Nachfolger zu sorgen, den Friedrich II. mit seiner ungeliebten Königin Elisabeth Christine nicht zu zeugen bereit war. Daß auch August Wilhelm seine ihm angetraute Gattin Sophie Dorothea, die Schwester der Königin, nicht sonderlich angetan war, spielte für Friedrich II. keine Rolle. Als der Thronerbe geboren war, hielt sich die Dankbarkeit des Königs gegenüber den Eltern stark in Grenzen, was auch der seinen Eltern früh entrissene und entwöhnte Sohn gespürt haben wird. „Schon mit drei Jahren wurde der kleine Prinz aus der Obhut seiner Familie, die im Kronprinzenpalais und Schloß Oranienburg wohnte, genommen. Für den kleinen Jungen wurden auf Befehl des Königs eigene Räume im königlichen Schloß in Berlin eingerichtet.“

Von Erziehern umgeben und nach dem Lehrplan des Onkels gedrillt wuchs Friedrich Wilhelm nun isoliert von seinen jüngeren Geschwistern auf. Die Autorin versucht Verständnis dafür zu schaffen, daß der Thronfolger nie richtig zu parlieren lernte, denn das Niveau seines zu Recht als Philosoph auf dem Thron bezeichneten Onkels war zu hoch und seine Erzieher zum Üben zu steif. Die Geschwister, an denen er sich hätte reiben können, fehlten und so blieb der Junge zum Unwillen des Königs schüchtern und still. Und obwohl dieser eigentlich hätte nachsichtig sein müssen, da er ja am eigenen Leib erfahren hatte, wie es ist, als Kind den Wünschen des Vaters nicht zu entsprechen, führte Friedrich II. dem Jungen seine Defizite stets vor Augen. Und obwohl Friedrich II. schriftlich durchaus innovative Erziehungsvorschläge für die Nachwelt hinterließ, wendete er sie bei der Erziehung des Thronfolgers nicht an. Und so wurde der Junge schon als Sechsjähriger mit Wissen überfrachtet, mit steifen Hofempfängen gequält und abends in seinem Alter nicht entsprechende Theateraufführungen genötigt.

Die Geschichtswissenschaftlerin Meier führt an, daß Friedrich II. seinen Neffen bewußt nicht in alle Gebiete der Regierungsaufgaben einführte. Interna wurden dem Neffen vorenthalten, einige Reisen in preußische Provinzen wurden eher zum Desaster, da der junge Mann vor den Verwaltungsbeamten zu sehr offenbarte, daß er von der Art und Weise ihrer Tätigkeiten keine Ahnung hatte. Aber auch ein Thronfolger braucht Bewunderer und so wurde er leichte Beute für religiöse Kreise, die bei dem atheistischen Friedrich II. auf Granit bissen, aber auch für Frauen und den mystischen Orden der Rosenkreuzer.

Während Friedrich II. immer älter wurde und nicht daran dachte, den nicht sonderlich vertrauenserweckenden Nachfolger an die Macht zu lassen, brauchte der Kronprinz eine Beschäftigung. Mit den ihm staatlich verordneten Frauen hatte er allerdings kein sonderliches Glück. Von der ersten wurde er wegen beiderseitiger Untreue früh geschieden, die zweite schenkte ihm zwar Erben, er ihr aber keine Liebe. Um den stets bei knapper Kasse gehaltenen Thronfolger nicht zu beeinflußbar durch religiöse Kreise beziehungsweise die Rosenkreuzer zu machen, finanzierte Fried-rich der Große ihm die bürgerliche Geliebte Wilhelmine Encke, die Friedrich Wilhelm II. sein Leben lang, wenn auch später nicht mehr als Mätresse, sondern nur noch als Vertraute, begleiten sollte. Friedrich der Große hoffte so, die vielen Affären seines Neffen auf eine feste Geliebte zu reduzieren. Zwar sprach Friedrich II. seinem Nachfolger jegliches sittliche Verhalten ab, akzeptierte dessen Tun aber gezwungenermaßen, da Mätressen an europäischen Höfen absolut alltäglich waren. Um eine politische Einmischung der Damen zu vermeiden, wählte Friedrich II. Wilhelmine als feste Mätresse für seinen Neffen, da er sich bei ihr sicher sein konnte, daß sie keine Politik zu machen beabsichtigte.

Als Friedrich II. starb und der Kronprinz mit 42 Jahren endlich den Thron besteigen durfte, beließ er fast alle Minister auf ihren Posten. Brigitte Meier schildert die kleinen Veränderungen, die der neue König von Preußen am Anfang seiner Regierungszeit vornahm. So vertiefte er die Arbeiten am begonnenen bis 1900 geltenden preußischen Landrecht. Andere, dringend nötige Reformen fanden in den elf Jahren seiner Regierungszeit allerdings nicht statt.

Brigitte Meier versucht jedoch zu verdeutlichen, warum Fried-rich Wilhelm II. dies nicht anzulasten sei. Hier argumentiert sie mit den Folgen der Französischen Revolution. Diese stellte den Monarchen vor die Herausforderung, seinen Thron zu sichern. An seiner Alleinherrschaft ließ auch Friedrich Wilhelm II. nicht rütteln und da er nicht gewandt genug war, die preußische Monarchie dezent zu öffnen, ließ er in dieser Hinsicht alles beim Alten. Daß das Volk dies keineswegs guthieß, belegt die Autorin mit der Häufung von Beschwerden aus dem Volk, die alle Ebenen der Verwaltung und Regierung erreichten und diese vor neue, leider nicht bewältigte Herausforderungen stellte.

Da Friedrich Wilhelm II. die ungebrochene Unterstützung des Adels benötigte, um an der Macht zu bleiben, sei es ihm nicht möglich gewesen, Grundsteuern zu erheben, um so Zölle zu mindern und das quer über die Mitte Europas verteilte Königreich mit all seinen Provinzen vom belebteren Handel profitieren zu lassen. Der Adel mußte bei Laune gehalten werden und steuerfrei bleiben, was allerdings dazu führte, daß Einnahmen fehlten, um unter anderem Straßen zu befestigen. Und da der König selbst durchaus zu genießen wußte, hinterließ er einen beachtlichen Schuldenberg. Friedrich Wilhelm III. erbte von seinem Vater 48 Millionen Taler Schulden. Zwar stammten zwölf Millionen Taler noch aus der Zeit Friedrichs des Großen, doch der Sohn sah das Staatsdefizit nur als Hinterlassenschaft des Vaters an. Auch hier versucht die Autorin Friedrich Wilhelm II. zu rehabilitieren, denn nicht dessen ihm angedichtete Verschwendungssucht, sondern die zahlreichen Kriege während der elf Jahre seiner Regierung hätten den Schuldenberg verursacht. Ein Argument, das nicht in das über Jahrhunderte hin tradierte Bild von Friedrich Wilhelm II. paßt. Und selbst wenn die Nachwelt inzwischen milder mit diesem Preußenkönig umgeht, so blieb das Bild des übergewichtigen, genußsüchtigen Lustmolchs, mit zahlreichen Mätressen und sogar zwei Hochzeiten zur linken (Bigamie) mit Julie Voß und nach deren frühem Tod Sophie Frederike Gräfin von Döhnhoff.

Jener bemühte Monarch, der mitten im durch die Französische Revolution im Umbruch befindlichen Europa versuchte, seine Macht zu halten und seinen vom aufgeklärten, aber trotzdem noch absolut herrschenden Vorgänger übernommen Staat vergeblich zu modernisieren, ist vergessen.

Brigitte Meier: „Friedrich Wilhelm II. – König von Preußen – Ein Leben zwischen Rokoko und Revolution“, Friedrich Pustet, geb., 333 Seiten, 29,90 Euro

Foto: Schweres Erbe: Friedrich Wilhelm II. trat die Nachfolge von Friedrich dem Großen an.


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