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10.05.08 / Königsberg bald im alten Glanz? / Der Chefarchitekt der Pregelmetropole, Alexander Baschin, hat große Pläne mit der Stadt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-08 vom 10. Mai 2008

Königsberg bald im alten Glanz?
Der Chefarchitekt der Pregelmetropole, Alexander Baschin, hat große Pläne mit der Stadt
von Wolf Oschlies

Viele Touristen werden es bestätigen: Bei den Russen Königsbergs sind Dinge Alltag, für die in Moskau schon dreimal die Miliz angerückt wäre. Darum durfte Ende Dezember 2007 auf einem Architektentreffen in Königsberg ein Deutscher faustschwingend in die Runde brüllen: „Das ist meine Stadt, ich bin hier geboren!“ Die Reaktion? Der russische Tagungsleiter Alexander Baschin, seit 19. Januar 2006 Chefarchitekt der Stadt, beschwichtigte: „Keine unnötige Aufregung! Es besteht allgemeiner Konsens, daß diese europäische Stadt ihr historisches Antlitz bewahren muß.“

Dieser Konsens besteht natürlich noch nicht, aber Baschin wird ihn erzwingen – Tatmensch, Trotzkopf und Trickser, der er in Vollendung ist. 1967 in dem zwischen Moskau und dem Ural gelegenen Udmurtien geboren, schloß er 1991 eine Ausbildung am Bautechnischen Institut in Kasan ab und wanderte sofort nach Königsberg weiter. Dort schlug er sich lange Jahre mit seinem Architekturbüro durch, bis er Hauptverantwortlicher für die gesamte städtische Architektur wurde. Seither lebt Baschin in geklärten Verhältnissen: Die Bürokraten hassen ihn, die Menschen achten ihn, und die Medien lieben ihn. Daß alle drei Gruppen keinen Tag zur Ruhe kommen, bewirkt Baschin mit Brutalkritik am „sowjetischen Kaliningrad“, Visionen vom „europäischen Königsberg“ und permanenter Medienpräsenz.

„In Baschins Augen liest man den Wunsch, mit Stemmeisen und Dynamit gewisse Baumonstren auf der Stelle zu beseitigen“, beobachteten Journalisten bei einer der Stadtführungen des Chefarchitekten. Recht haben sie, besonders wenn Baschin im Stadtzentrum das halbfertige „Haus der Sowjets“ und den benachbarten „Hochzeitspalast“ erblickt. Diese Klötze wurden an die Stelle des 1967 gesprengten Königsberger Schlosses gesetzt. Daß das Sowjethaus eine Bauruine ist, betrachten schadenfrohe Königsberger als Bestätigung des alten Mythos, der Platz sei „verwünscht“. Baschin möchte den Fluch durch den Wiederaufbau des Schlosses bannen, was 76 Prozent der Einwohner befürworten, zuvor das Sowjethaus „abtragen“ und in der Stadt auch die „Chruschtschowki“ flachlegen, die häßlichen Plattenbauten aus Sowjetzeiten. Was alles nur der Anfang ist, die Flurbereinigung für die „Wiedergeburt des historischen Stadtkerns“, die Baschin mit seiner legendären „uporstwo“ (Starrköpfigkeit) verfolgt.

Das ganze Königsberger Gebiet ist „verdreckt, vergiftet, vermüllt“, schrieb die lokale Fachzeitschrift „Stroj i interjer“ (Bau und Ausstattung) in einer drastischen Dokumentation: Alle Gewässer sind enorm schadstoffbelastet, die Verzehnfachung des Lkw-Verkehrs in den letzten zehn Jahren hüllt die Stadt in Abgase ein, 161 „amtliche“ Müllhalden sind nicht genug, so daß laufend „wilde“ Kippen entstehen. Baschin kennt weitere Mängel: Die Stadt ist gnadenlos und planlos verbaut, es gibt keine Fußgängerzonen und Spazierwege, das Durcheinander staatlichen und privaten Eigentums hat die Grundstückpreise auf den dritten Platz in der ganzen Russischen Föderation steigen lassen.

Schlimmer noch sind die ideologischen Widerstände der Bürokraten: Für sie bleibt die Stadt der „westliche Vorposten“ Rußlands, während Königsberg ein „Symbol des preußischen Revanchismus“ sei. Wer wie Baschin „historische Wurzeln“, also deutsche, wiederbelebt, vergehe sich an russischer Siegessymbolik und Lebensqualität: Mindestens 40 Prozent aller Krankenhäuser und Kinderheime müßten geschlossen werden, vermutlich sogar mehr, denn Baschin „belügt“ die Bürger über die Höhe der Baukosten.

Gegen solche Betonköpfe hat Baschin die europäische Architektenelite mobilisiert und Ende 2007 auf einem Symposion fünf Tage lang beraten lassen. Sie teilten seine einfache Grundidee: Was Danzig und Krakau, Tallin und Sankt Petersburg geschafft haben, muß auch Königsberg gelingen – durch die Pflege und den Wiederaufbau historischer Stadtkerne europäisches Prestige samt Zustrom von Touristen und Investoren zu gewinnen.

Abgezählte 20 „Schmerzpunkte“ listete Baschin in Königsberg auf, die zu „heilen“ jedoch die ganze Stadt umkrempeln wird. Gerade den polnischen Teilnehmern des Symposions konnte das gar nicht radikal genug gehen: Wenn Königsberg eine der „schönsten Städte Rußlands und Europas“ werden soll, dann müsse der „Siegesplatz“ wieder der „Hansa-Platz“ werden, die „alte deutsche Universität Albertina“ aufgebaut, Altstadt, Löbenicht und Kneiphof zur „Seele der Stadt“ und überhaupt der gesamte „genius loci“ des alten Königsbergs revitalisiert werden.

Mit all dem rannten sie bei Baschin offene Türen ein. Der hat kurz nach dem Symposion seine „Karten aufgedeckt“ (wie die Lokalpresse meldete) und die fügten sich zu einem phantastischen Bild des künftigen Aussehens Königsbergs zusammen. Als „Block eins“ wird eine Ringstraße um die Stadt gelegt, die bei den Einheimischen augenblicklich „kolzo Baschina“ (Baschin-Ring) getauft wurde und die lästigen Brummis aus dem Zentrum verdrängen soll. „Block zwei und drei“ beabsichtigen die Umwandlung der Innenstadt in ein „Geschäftszentrum“ und ein „Kulturzentrum“. Letzteres soll mit dem Wiederaufbau des alten Königsschlosses als „neuer Visitenkarte“ neben dem wiedererrichteten Dom starten. Dessen Ruine wurde zwar vor Jahren gesprengt, aber auf dem alten Fundament und mit ausgegrabenen Bauresten kann man viel anfangen. Dann kommen die klassischen Viertel Speicherstadt (Lastadie), Altstadt, Löbenicht und Kneiphof, die unter ihren deutschen Namen und unter pfleglichstem Umgang mit vorhandener Bausubstanz saniert werden sollen. Und „nach ein paar Jahrzehnten“ wird Königsberg sogar eine eigene Metro haben.

Wer soll das bezahlen? Gönner Putin, dessen Frau Ljudmila Königsbergerin ist, rückte schon 2006 umgerechnet 50 Millionen Euro heraus. Baschins Planungen belaufen sich auf umgerechnet 1,2 Milliarden Euro, die er von Investoren und Mäzenen in aller Welt eintreiben zu können sicher ist. Glück auf!

Foto: Königsberger Neubauten im Retrolook: Laut Baschin besteht „allgemeiner Konsens, daß diese europäische Stadt ihr historisches Antlitz bewahren muß“.


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