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17.05.08 / Seit fast 50 Jahren in der Fremde / Chinesische Artillerie trieb den Dalai Lama 1959 ins Exil

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-08 vom 17. Mai 2008

Seit fast 50 Jahren in der Fremde
Chinesische Artillerie trieb den Dalai Lama 1959 ins Exil
von Manuel Ruoff

Am 1. März 1959 wurde der Dalai Lama, also die höchste weltliche Autorität Tibets bis zum Einmarsch der Chinesen zu Beginn des Jahrzehnts, von den Okkupanten aufgefordert, seine Hauptstadt zu verlassen, um im Hauptquartier der chinesischen Streitkräfte einer Theaterführung beizuwohnen. Der Dalai Lama befand sich gerade bei Studien zur Erlangung der Geshe, der Doktorwürde der buddhistischen Theologie, am Jokhang, einem buddhistischer Tempel inmitten der Altstadt von Lhasa. So wurde der Besuchstermin auf den 10. März verschoben wurde.Am 9. März, also einen Tag vor dem vorgesehenen Besuch, suchten Offiziere der chinesischen Volksbefreiungsarmee den Chef der Leibwache des Dalai Lama auf und konfrontierten ihn mit Forderungen, die es in sich hatten. Dazu gehörte, daß der Dalai Lama ohne seine Leibwache zur Theateraufführung komme und daß es entgegen aller Tradition keine öffentliche Zeremonie für seine Prozession von seiner Residenz zum Hauptquartier gebe.

Daß der Dalai Lama auf chinesischen Wunsch ohne Aufheben und schutzlos seine Residenz verlassen sollte, um sich in die Höhle des Löwen zu begeben, ließ unter den Tibetern die Sorge aufkommen, daß der Mönch Tenzin Gyatso, der aktuelle Amtsinhaber, entführt werden sollte. Am 10. März versammelten sich deshalb rund 300000 seiner Landsleute an seiner Residenz, um den Dalai Lama am Besuch der Theateraufführung zu hindern. Obwohl das chinesische Militär sich bereits im Dezember des Vorjahres Kämpfe mit Guerillaeinheiten außerhalb Lhasas geliefert hatte, wird an dieser Versammlung gemeinhin der Beginn des sogenannten Tibetaufstands festgemacht.

Die Situation eskalierte. Zwei Tage später, am 12. März, riefen erste Tibeter auf den Straßen ihrer Hauptstadt die Befreiung ihres Landes von der chinesischen Fremdherrschaft und dessen Unabhängigkeit aus. In Lhasa wurde mit der Errichtung erster Barrikaden begonnen. Wie die Tibeter bereitete sich auch die Volksbefreiungsarmee auf eine gewaltsame Auseinandersetzung in und um die Hauptstadt vor. Gleichzeitig sandten die Tibeter einen Hilferuf an den Gesandten des Nachbarn Indien.In den darauffolgenden Tagen wurden die tibetischen und chinesischen Stellungen kontinuierlich verstärkt. Chinesische Artillerie bereitete sich auf die Beschießung der Sommerresidenz des Dalai Lama vor. In dieser Situation bereitete das tibetische Militär seine Evakuierung aus der Stadt vor. Zwei Tage später, am 17. März, trat der Ernstfall ein. Zwei chinesische Artilleriegeschosse schlugen in der Nähe der Residenz ein. Der Dalai Lama verließ daraufhin seine Hauptstadt und sein Land und ging ins Exil.

Am Abend des 19. März brach der Konflikt mit der systematischen Bombardierung der Residenz und der Hauptklöster in der Hauptstadt offen aus. Die wenigen und vergleichsweise schlecht bewaffneten Tibeter hatten gegen das Reich der Mitte keine Chance. Die Kampfhandlungen dauerten nur zwei Tage. Der gescheiterte Aufstand Davids gegen Goliath kostete den Verlierer 86000 Tote. Dem chinesischen Sieg folgten die Plünderung und Zerstörung von Klöstern und Tempeln sowie die Hinrichtung der Angehörigen der Dalai-Lama-Leibwache sowie von Mönchen und anderer als mißliebig eingestufter Tibeter.

 

Wie der Buddhismus nach Tibet kam

Denkt man an Tibet, so tauchen automatisch vor dem inneren Auge rotgewandete Mönche oder gar gleich der Dalai Lama auf. Doch auch wenn es verwundern mag, der Buddhismus in Tibet ist vergleichsweise jung. Der Gründer des Buddhismus, Prinz Siddhartha Gautama, wurde bereits im 6. Jahrhundert vor Christus in Nordindien, auf dem Gebiet des heutigen Nepal, geboren. Mit 29 Jahren verließ der Adelige den Palast der Eltern und lernte auf Reisen durch das Land das wahre Leben kennen. Historischen Überlieferungen zu Folge soll er mit 35 Jahren durch tiefe Versenkung in sich selbst die Erleuchtung erfahren haben.

Menschliche Schwächen wie Haß, Begierde und Unwissenheit fielen von ihm ab, und so wurde er zum „Buddha“, zum Erwachten. Der historische Buddha wurde so zum Gründer einer neuen Religion, die durch Meditation und Friedensliebe gekennzeichnet ist. Erst im 6. Jahrhundert drangen die ersten Informationen über den Buddhismus über das Himalaya-Gebirge nach Tibet, so daß erst rund 1000 Jahre nach dem Tod des einstigen indischen Prinzen in Tibet die ersten Tempel errichtet wurden, die seine Lehren verbreiteten.

Einen Dalai Lama gibt es in Tibet erst seit 1578. Der Buddhist und Lehrmeister (Lama) Sonam Gyatso erhielt diesen Ehrentitel durch den Fürsten der Tümed-Mongolen Altan Khan, da Sonam Gyatso die buddhistische Religion überzeugend in dem Land verbreitet habe. Nachträglich wurden Sonam Gyatsos zwei Vorgänger ebenfalls als Dalai Lama anerkannt, so daß der erste Dalai Lama offiziell zum dritten Dalai Lama wurde. 1642 vereinte der fünfte Dalai Lama die weltliche und religiöse Autorität Tibets auf sein Amt, so daß der Dalai Lama von nun an offizielles Staatsoberhaupt war.

Der Mann, den wir als Dalai Lama kennen, wurde 1935 unter dem Namen Tenzin Gyatso im Nordosten Tibets geboren. Als er zwei Jahre alt war, entdeckten Mönche den Jungen und zeigten sich überzeugt, daß dieser die Wiedergeburt des 1933 verstorbenen 13. Dalai Lamas sei. Nach Jahren der Schulung übernahm Tenzin Gyatso 1950 15jährig die Herrschaft über Tibet, bis er von den Chinesen verjagt wurde. Bel

 

Zeitzeugen

Mao Zedong – Der 1893 geborene rote Diktator war über seinen Tod im Jahre 1976 hinaus die prägende Gestalt der 1949 gegründeten Volksrepublik China. In seine Herrschaftszeit fällt der Tibetaufstand von 1959, der den Dalai Lama ins Exil trieb.

Reinhold Messner – Der südtiroler Extrembergsteiger, Autor und Politiker kam 1944 in Brixen zur Welt. Er war 1986 der erste Mensch, der auf den Gipfeln aller 14 Achttausender gestanden hat. Und er ist der zweite, der die sogenannten Seven Summits (Sieben Gipfel), das heißt von allen sieben Kontinenten den jeweils höchsten Berg, erklommen hat. Am 8. Mai 1978 bestiegen Reinhold Messner und Peter Habeler den Gipfel des auf tibetischen Boden liegenden Mount Everest erstmals ohne zusätzlichen Sauerstoff.

Heinrich Harrer – Der österreichische Bergsteiger, Forschungsreisende, Geograph und Autor kam 1912 in Obergossen, Marktgemeinde Hüttenberg zur Welt. Bekannt wurde er außer als einer der Erstbesteiger der Eigernordwand durch seine Autobiographie „Sieben Jahre in Tibet“, in dem neben dem Autor auch die Lebensgewohnheiten der Tibeter und die angespannte politische Situation in deren Heimat thematisiert werden. Auf seinem Buch basiert der gleichnamige, 1997 in die Kinos gekommene Spielfilm von Jean-Jacques Annaud. Harrer starb 2006 in Friesach.

Güyük Khan – Der von 1206 bis 1248 lebende Enkel des legendären Dschingis Khan regierte als dritter Großkahn ab 1246 die Mongolen. Sein Vater und Vorgänger Ögedei Khan starb zwar bereits 1241, doch verzögerte sein Rivale Batu seine Thronbesteigung. 1240 eroberte er Tibet und gliederte es dem Reich ein. 1247 wurde sein jüngerer Bruder Köden zum vorübergehenden Gouverneur der eroberten Region ernannt.


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