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17.05.08 / Ost-Deutsch (66): Gepäck

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-08 vom 17. Mai 2008

Ost-Deutsch (66):
Gepäck
von Wolf Oschlies

Falsche Freunde“ nennen Sprachwissenschaftler Scheinentsprechungen zwischen zwei Sprachen: Wörter, die orthographisch und phonetisch (fast) identisch sind, aber verschiedene Bedeutungen haben. Das führt dann oft zu peinlichen oder heiteren Verwechslungen, man denke nur ans englische „to become“, das mit deutsch „bekommen“ nichts zu tun hat, weil es „werden“ heißt.Einen solchen falschen Freund treffe ich immer bei Südslawen: „gepek“. Das Wort ist natürlich das deutsche „Gepäck“, das ab dem 16. Jahrhundert das ältere „gepac“ ersetzte. Nur: Gepäck heißt im Serbokroatischen „prtljaga“, während der deutsch klingende „gepek“ für den Kofferraum im Auto steht. Ganz hochsprachlich scheint er nicht zu sein, da ich ihn in kaum einem Wörterbuch finde. Aber alltagssprachlich ist er allemal, wie jeden Tag zahllose Anzeigen verraten: Da will jemand ein Auto kaufen oder verkaufen und weiß genau, wie groß der „gepek“ ist oder sein soll: Bei Kroaten klingt das so: „Limuzinska verzija s prihvatljivih 375 litara u gepeku“ (Limousinenversion mit angenehmen 375 Liter Kofferraum). Bei Serben ist seit 2004 ein neuer Polizeiwagen im Einsatz, „koj omogucava 43 razlicite konfiguracje gepeka“ (der 43 verschiedene Anordnungen des Kofferraums ermöglicht). Und Mazedonier bedauern, daß „povekje mesto vo gepekot nema“ (nicht mehr Platz im Kofferraum ist). Wenn ein „gepek“ groß genug ist, kann er Leben retten: „Pobegao sam teroristima u gepeku“, erinnerte sich jemand 1999: Ich bin im Kofferraum vor den Terroristen geflohen. Und 2004 stellten kroatische Blätter zwei französische Journalisten vor, die im Irak „u slobodu iz gepeka“ gekommen waren: aus dem Kofferraum in die Freiheit. „Ihr geht mit der Erde um, als hättet ihr eine zweite unbenutzt im Kofferraum“, war in meiner Studentenzeit ein berühmter Slogan der damals aufkommenden Umweltbewegung. Dasselbe Bild finde ich heute bei Serben wieder, die leise Angst spüren, durch die Kosovo-Politik von Premier Kostunica in internationale Isolation zu geraten. Deshalb die berechtigte Frage: „Ima li rezervnog tocka u gepeku Kostunicinog automobila“ – Gibt es einen Reservereifen im Kofferraum von Kostunicas Auto?


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