29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.05.08 / Der letzte König

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-08 vom 17. Mai 2008

Der letzte König von Nepal
Maoisten übernehmen Macht in dem asiatischen Land
von Albrecht Rothacher

Ein Gespenst feiert unerwartet Stelldichein in Asien: Eine maoistische Aufstandsbewegung steht kurz vor der Machtübernahme in Nepal, einem verarmten Bauernvolk von 24 Millionen am Fuße des Mount Everest. Es ist wie ein Treppenwitz der Weltgeschichte: Während ein Drittel der Menschheit – von Magdeburg bis Pnom Penh – mühsam versucht, mit mehr oder weniger Erfolg das verheerende Erbe kommunistischer Diktaturen zu überwinden, steht wieder ein kleines Häufchen hartgesottener Kaderkommunisten vor der Machtübernahme in einem verarmten Dritte-Welt-Land. Sie beschönigen ihre Ziele nicht, berufen sich auf Mao und Stalin und wollen die Diktatur des Proletariats.Dabei lief alles wie nach dem Handbuch für kommunistische Revolutionen ab. Ein unterentwickeltes Land mit feudalen Kasten, mit Großgrundbesitzern und Leibeigenen. Es gab 1950 und 1990 bürgerliche Revolutionen, die zwar kurzzeitig demokratisch-konstitutionelle Formen der Monarchie einführten, an der Streitsucht und Korruption der Politiker und ihrer mangelnden Basis angesichts der fehlenden bürgerlichen Mittelschichten jedoch bald wieder scheiterten. Sie wurden aufgehoben durch königliche Gegenputsche, einmal des „guten“ Königs Birenda, der 1962 bis 1990 alle Parteien verbieten ließ, eine parteilose Honoratiorenversammlung („Panchayat“) als Beratungsorgan gewähren ließ, und seines Bruders, des „bösen“ Königs Gyanendra, der 2005 bis 2006 wieder die absolute Macht an sich riß. Seit 2006 angesichts der ständig sich verschlechternden Sicherheitslage der Waffenstillstand ausgerufen wurde, treiben die militanten Maoisten die bürgerlichen Politiker der Kongreßpartei, die der relativ gemäßigten Vereinigten Marxisten-Leninisten und fünf kleinerer Koalitionsparteien (Royalisten, ethnische Minderheiten und Abspaltungen) der Übergangsregierung vor sich her. Schrittweise wurde der König entmachtet, ihm seine politischen Befugnisse und der Oberbefehl über die Streitkräfte entzogen, die Paläste und Ländereien verstaatlicht und schließlich Wahlen zu einer Nationalversammlung abgehalten, mit der Vorgabe, eine republikanische Verfassung zu schaffen. Jetzt wurde König Gyanendra vom Maoistenführer Prachanda angedroht, falls er nicht freiwillig gehe, würde er einem Prozeß mit harter Bestrafung bekommen. Seit der Verhandlung gegen Ludwig XVI. 1793 wäre dies der erste Prozeß gegen einen gestürzten König.

Die Maoisten sind bei den Wahlen im April mit dem Gewinn von 30 Prozent der Stimmen, 50 Prozent der Wahlkreise (die sie meist vorher schon militärisch kontrollierten), und 217 von 601 Sitzen klarer Wahlsieger geworden. Dazu verfügen sie über 5000 Guerillakämpfer und 20000 Milizionäre sowie eine kommunistische Parallelverwaltung, die etwa 80 Prozent des Landes mittlerweile beherrscht. Das zerstrittene bürgerliche Lager der Kongreßpartei, die feindlichen Brüder der Vereinigten Marxisten-Leninisten oder die Monarchisten, die sich noch auf Teile der einstigen Königlichen Armee stützen können, mit der die Maoisten jetzt ihre Truppen „vereinigen“ wollen, um an die schweren Waffen heranzukommen, haben kaum noch eine Chance. Angekündigt ist nach der aktuellen Phase der „bürgerlichen Demokratie“ und dem Sturz der Monarchie die Diktatur des Proletariats durch, Kommunistische Partei Nepals der Maoisten.Die beiden 53 Jahre alten Anführer der Maoisten, der Militärchef Prachanda („der Zornige“), ein ehemaliger Schullehrer und Agrartechniker, und sein Chefideologe Dr. Baburam Bhattarai, der zeitlebens nur als Revolutionär agitierte, haben über ihre Ziele nie Zweifel gelassen. Zunächst soll nach dem Ende der Monarchie und des „Feudalismus“ ein Präsidialsystem nach US-amerikanischem Muster mit Prachanda als Präsidenten eingeführt werden. Nach jener bürgerlichen Demokratie, in der alle Elemente der Feudalgesellschaft und der Widerstand der Monarchisten ausgemerzt werden sollen, folgt der wahre Sozialismus. China und Indien, die sich normalerweise mißtrauisch beäugen, sehen beide das zwischen ihnen auf strategischen Himalajahöhen gelegene maoistische Unruhenest mit großer Sorge. Indien, weil die nepalesischen Maoisten mit der naxalistischen Untergrundbewegung verbündet sind, die in Ostindien mit einem ähnlichen Programm vor allem die Bundesstaaten Bihar, Assam, Westbengalen und Andrah Pradesch terroristisch heimsucht, und von den tamilischen Befreiungstigern, die Sri Lanka destabilisieren, Militär- und Ausbildungshilfen erhalten. China, weil es die Agitation unter seinen unterdrückten ethnischen Minderheiten vom benachbarten Tibet bis nach Yunnan und unter seinem verarmten, vom Wirtschaftsboom ausgesparten, Hunderte Millionen umfassenden Landproletariat fürchtet.

Als die USA, England und Indien die Militärhilfe an Nepal nach dem königlichen Putsch von Gyanendra im April 2005 einstellten, lieferten die Chinesen weiter Militärhilfe an die Königliche Armee. Das half zwar militärisch wenig, doch schloß der König in Dankbarkeit daraufhin in Katmandu das Büro des Dalai Lama, das für tibetische Flüchtlinge bis dahin die wichtigste Anlaufstelle gewesen war.Nepal, mit seinen 24 Millionen Einwohnern und einem Pro-Kopf-Einkommen von 240 US-Dollar pro Jahr das ärmste Land Südasiens, stehen schwere Zeiten bevor. Die Parlamentswahl im April dürfte die letzte freie Wahl für lange Zeit in Nepal gewesen sein.

Foto: Feindbild der Maoisten: König Gyanendra wird mit einem harten Prozeß gedroht, falls er nicht geht. (AP)


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren

Warning: file_get_contents(https://paz.de/lib/extern/sidebar.php): failed to open stream: Connection refused in /homepages/10/d855424685/htdocs/wrapper.php on line 48

Warning: file_get_contents(https://paz.de/lib/extern/footer.php): failed to open stream: Connection refused in /homepages/10/d855424685/htdocs/wrapper.php on line 53