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17.05.08 / Ein Stück Zeitgeschichte / Joachim Fest: Kommentare aus 30 Jahren journalistischer Tätigkeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-08 vom 17. Mai 2008

Ein Stück Zeitgeschichte
Joachim Fest: Kommentare aus 30 Jahren journalistischer Tätigkeit

In den letzten Jahren ist Joachim Fest vor allem als Buchautor in Erscheinung getreten. Es ist kaum zu glauben, daß seine Zeit als einer der Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) bereits 1993 nach 20 Jahren zu Ende ging. Das nach Fests Tod herausgebrachte Buch „Nach dem Scheitern der Utopien“, welches seine Essays zu Politik und Geschichte enthält, kann gerade für den jüngeren Leser eine Möglichkeit sein, den großen Publizisten und Historiker näher kennenzulernen. Wer auf den Geschmack gekommen ist, wird dann vielleicht auch zu seinen größeren Studien, zum Beispiel seiner Hitler-Biographie, greifen.Einige der politischen Essays und historischen Porträts und Betrachtungen über Theodor Mommsen, Jacob Burckhardt oder Winston Churchill sind bereits an anderem Ort erschienen. Daher sind die Kommentare aus der „FAZ“ von besonderem Interesse, denn man kann sie hier in einem Stück nachlesen und muß kein Zeitungsarchiv aufsuchen. Die Gegenstände seiner Betrachtungen sind unterschiedlicher Art. Heute, nach all den (Schein-)Reformen der Schröder-Jahre, kann man den Begriff eigentlich nicht mehr hören, ja, man assoziiert ihn sogleich mit Sozialabbau. Vor 33 Jahren war dies nicht anders, auch Fest packte damals die Unlust an der „Manie der Reformen“, und er beklagte die „Veränderungswut in der Bundesrepublik“. Bald könne man mit der Devise „Keine Reformen“ Wahlen gewinnen, vermutete der „FAZ“-Herausgeber: „Denn nicht das Bestehende muß verändert werden, sondern das Verkehrte.“

Die linke, „machtvolle Bekümmerungspublizistik“ der Bundesrepublik hat es sich zur Aufgabe gemacht, konservative oder liberal-konservative Schriftsteller und Journalisten ins moralische Abseits zu stellen. Auch Fest galt diesen Gesinnungspublizisten lange Zeit als ein Rechter. Anders als die famosen Antifaschisten der Republik argumentierte Fest differenziert. Die „Figur des nachgeholten Widerstands gegen das Dritte Reich“ war ihm zuwider. Über die „Uneinsichtigkeit“ des baden-württembergischen CDU-Landesvaters und ehemaligen Marine-Richters Hans Filbinger urteilte er am 26. Mai 1978: „Man mag über den Schriftsteller Rolf Hochhuth denken, wie man will. Doch steckt in seinem eifernden Rigorismus auch ein Gefühl dafür, daß die Demokratie ein höheres Maß an moralischer Irritabilität besitzt als jede andere Staatsform. Darauf gründet ganz wesentlich ihre Legitimität. Jedermann kann denn auch ein Versagen, das strafrechtlich irrelevant ist, mit sich selber abmachen. Ein Ministerpräsident kann es nicht.“

Wie schon bei der eifernden Reform-Hysterie, die ein Signum der Brandt- und der Schröder-Jahre war, fallen auch bei der Ostpolitik die Parallelen ins Auge. Nun hat der Ex-Kanzler aus Niedersachsen „Ostpolitik“ nach seinem Ausscheiden aus dem Kanzleramt in seinem ganz eigenen, lukrativen Sinne interpretiert. Fest zufolge machte sich in der Ära Brand die Neigung bemerkbar, „statt des besseren Arguments die bessere Gesinnung hervorzukehren und die politische Entscheidung zu einer Frage auch von Anstand und Charakter zu machen“. Dies kommt uns allen sehr bekannt vor, die sogenannten Aufstände der Anständigen liegen ja noch nicht lange zurück. Man sieht: Alles wiederholt sich. Nur fehlt uns heute ein Journalist vom Kaliber eines Joachim Fest. Die Lücke wird nach seinem zu frühen Tod im Jahr 2006 nicht kleiner. Ansgar Lange

Joachim Fest: „Nach dem Scheitern der Utopien – Gesammelte Essays zu Politik und Geschichte“, Rowohlt, Reinbek 2007, 448 Seiten, 19,90 Euro


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