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17.05.08 / Bildhaft / Ein Ostpreuße erinnert sich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-08 vom 17. Mai 2008

Bildhaft
Ein Ostpreuße erinnert sich

„Oh, darf ich fragen, wie das Buch ist.“ Neugierig blickt die ältere Dame in der U-Bahn auf den Deckel des Buches, das die Frau ihr gegenüber liest. „Der Lorbaß – Jugendjahre in Masuren 1940–1945“ von Sergey Bandilla ist dort zu lesen. „Ja doch, der Autor erzählt atmosphärisch von seiner Kindheit in Ostpreußen“, so die Lesende. „Ja, ob das wohl was für meine 14jährige Enkelin ist?“ fragt die Dame nach. „Also eher nicht. Der Autor verliebt sich in seine Lehrerin und geht detailiert auf seine ersten Männerphantasien ein“, so die junge Frau. Während im Hintergrund ein männlicher Mitfahrer angesichts der „Männerphantasien“ lacht, vertieft sich die Buchinhaberin wieder in Bandillas Erinnerungen, denn auch, wenn sie vielleicht nicht für 14jährige Enkelinnen ideal sind, so zieht die bildhafte Sprache des Autors doch in ihren Bann.„Winter ist in Masuren mehr als eine Jahreszeit. Es ist Märchen und Katastrophe zugleich, Tod und süßes Leben … Mächtige Schneewehen haben die Fenster auf dem Hof bis zum ersten Stockwerk zugedeckt. Von innen versucht man, die Fenster mit Moos und alten Decken gegen Zugluft zu schützen. Eisblumen schmücken die Scheiben. Der Lobaß sitzt davor, kann fantastische Märchengestalten erkennen, auch einen Igel, der einen Fuchs küßt.“

Auch der Besuch mit dem Großvater in Berlin ist dem Autor einen Bericht wert. Vergeblich war die Hoffnung der daheimgebliebenen Großmutter, die Anwesenheit des Enkels würde den alten Gutsbesitzer von Eskapaden abhalten.Traurig ist der Schluß: Der Junge muß flüchten, doch kommt er mit seiner Trakehner-Stute nicht weit. „Der Lorbaß entkommt dem Krieg, aber nie der Erinnerung“, schreibt Bandilla. Die Tatsache, daß er seine Autobiographie nicht aus der Ich-Perspektive, sondern über sich in der dritten Person als den „Lorbaß“ schreibt, ist ein Zeichen, wie sehr ihn das Erlebte noch bewegt und er versucht, Distanz zu wahren. Mit dem Zitat „Leiden heißt leben auf eine intensivere Art“ (Rimbaud) endet das Buch. R. BellanoSergey Bandilla: „Der Lorbaß – Jugendjahre in Masuren 1940–1945“, BoD, Norderstedt 2007, broschiert, 147 Seiten, 10,90 Euro


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