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17.05.08 / Fliegen wie die Vögel / Am 23. Mai 1848 kam Otto Lilienthal in Anklam zur Welt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-08 vom 17. Mai 2008

Fliegen wie die Vögel
Am 23. Mai 1848 kam Otto Lilienthal in Anklam zur Welt
von Manuel Ruoff

Karl Wilhelm Otto Lilienthal wurde vor 140 Jahren als erstes von acht Kindern des Kaufmanns Gustav Lilienthal und dessen Ehefrau Caroline geboren. Das elterliche Tuchgeschäft lief derart schlecht, daß die Familie den Entschluß faßte, nach Amerika auszuwandern. Da war es ein zusätzlicher wirtschaftlicher Schlag, als 1861 der Vater überraschend starb. Otto war damals gerade zwölf Jahre alt. An eine Auswanderung war nun nicht mehr zu denken. Um so größer ist das Verdienst der Mutter einzuschätzen, ihren Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. So blieb Otto auch nach dem Tode seines Vaters auf dem Gymnasium seiner Heimatstadt. 1864 schloß Otto seine Gymnasialausbildung mit der Mittleren Reife ab. Schon frühzeitig zeigte sich Ottos Interesse für Technik im allgemeinen und Flugtechnik im besonderen. Bereits als Schüler studierte er fasziniert den Flug der Vögel, die ihm als Vorbild dienten, und unternahm Flugversuche und -experimente. Da verwundert es nicht, daß die 1864 beginnende technische Ausbildung Otto Lilienthal mehr entgegenkam als das allgemeinbildende Gymnasium. Nachdem er die Mittlere Reife gemacht hatte, besuchte er in Potsdam die dortige Provinzial-Gewerbeschule mit Erfolg. 1866 machte er dort das beste Examen, das je an dieser Ausbildungsstätte abgelegt wurde. Nach einem einjährigen Praktikum bei der Maschinenfabrik Schwartzkopf in Berlin setzte er seine Ausbildung mit einem Studium an der Gewerbeakademie in Berlin, aus der später die Technische Universität Charlottenburg hervorging, fort. Auch hier fiel er seinen Lehrern als weit überdurchschnittlich begabt auf. So kam er in den Genuß eines zweijährigen Stipendiums. 1870 machte er Examen mit der Note sehr gut.

Nach dieser Ausbildung leistete Lilienthal als Einjährig-Freiwilliger seinen Wehrdienst ab. Als Teilnehmer der Belagerung von Paris im Rahmen des Deutsch-Französischen Krieges wurde er Zeuge der spektakulären erfolgreichen französischen Versuche, per Heißluftballon den Belagerungsring zu überwinden. Lilienthal setzte jedoch weiterhin auf das Fliegen mit Flugkörpern, die schwerer sind als Luft – getreu dem Vorbild der Vögel.Seine Berufslaufbahn begann Lilienthal als Angestellter. In der Reichshauptstadt arbeitete der junge Ingenieur nacheinander bei der Maschinenbaufirma Weber und der Maschinenfabrik C. Hoppe. Dabei erwies sich Lilienthal als kreativer und innovativer Mitarbeiter. Nachdem er vorher bereits einige Erfindungen gemacht hatte, die seinem Arbeitgeber zugute kamen, wagte er nach der Patentierung seines sogenannten Schlangenrohrkessels im Jahre 1881 zwei Jahre später mit Erfolg den Schritt in die Selbständigkeit. In Berlin baute er in seiner eigenen Fabrik leichte Dampfmaschinen auf Basis des Schlangenrohrkessels. Die Dampfkessel- und Maschinenfabrik Otto Lilienthal hatte schon bald um die 60 Mitarbeiter und unter diesem Namen bis zum Ersten Weltkrieg Bestand.

Otto Lilienthal besaß eine soziale Ader. Bereits wenige Jahre nach der Firmengründung erhielten die Arbeiter eine Gewinnbeteiligung von einem Viertel des Reingewinns. Auch war es ihm ein Anliegen, sozial Schwachen den regelmäßigen Besuch des Theaters zu ermöglichen. Sein Streben nach einer Volksbühne ließ ihn sich am Ostend-Theater in Berlin beteiligen. Er schrieb sozialkritische Bühnenstücke und sprang auch schon einmal als Schauspieler ein.Lilienthal nutzte seine Möglichkeiten als erfolgreicher Unternehmer jedoch nicht nur für vielfältiges soziales Engagement, sondern auch zum Frönen seines Hobbys. Nachdem er 1889 sein Buch mit dem vielsagenden Titel „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“ veröffentlicht hatte, glaubte Lilienthal sich theoretisch fit genug, nun in der Praxis mit dem Versuch der Nachahmung des Vogelfluges mit entsprechenden von ihm gebauten Apparaturen zu beginnen. Lilienthal war dabei derart erfolgreich, daß er schließlich mit seinem Hobby Geld verdienen konnte. So ging einer seiner mindestens 21 Flugapparate, der sogenannte Normalsegelapparat, 1894 bei ihm in die kommerzielle Serienfertigung. Bis 1896 wurden acht Normalsegelapparate verkauft. Für 500 Mark pro Stück wurden die Flugapparate nicht nur im Inland, sondern auch nach England, Frankreich, Österreich, Rußland, Amerika und der Schweiz verkauft. Ganz professionell wurde im Frühjahr des zweiten Produktionsjahres sogar eine Verkaufsanzeige geschaltet. Sowohl mit der Serienfertigung eines Flugzeugs als auch mit der Bewerbung eines solchen durch eine Verkaufsanzeige betrat Lilienthal absolutes Neuland. Auch auf diesem, nur indirekt mit der Flugtechnik zusammenhängendem Gebiet war der Deutsche Pionier.Trotz der Erfolge endete Otto Lilienthals Leben jedoch mit einem Absturz. Und das gerade mit dem mehrfach bewährten Normalsegelapparat. Am 9. August 1896 stürzte Lilienthal bei seinem letzten Flugversuch bei Stölln am Gollenberg im Rhinower Ländchen ab. Eine sogenannte Sonnenbö, eine thermische Ablösung, die er nicht auszusteuern vermochte, wurde ihm zum Verhängnis. Für den Bruchteil einer Sekunde stand sein Flugapparat bewegungslos in der klaren Luft, um dann jäh in die Tiefe zu stürzen. Der Sturz aus geschätzten 15 Metern Höhe führte bei Lilienthal zu einen Bruch des dritten Halswirbels, den er nur einen Tag überlebte. Anfänglich noch bei Bewußtsein wurde der Schwerverletzte erst per Pferdewagen nach Stölln und anschließend per Bahn nach Berlin gebracht, wo er am 10. August 1896 seinen schweren Verletzungen erlag. Laut dem Augenzeugen Paul Beylich lauteten Otto Lilienthals letzten Worte: „Ich muß etwas ausruhen, dann machen wir weiter.“

Foto: Nicht nur ein Mann der Theorie: Deutschlands bekanntester Pionier bei einem seiner vielen Versuche, dem Vogelflug nahezukommen. 1893 fotografierte Ottomar Anschütz Lilienthal im Fluge. ( Otto Lilienthal-Museum)


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